Babak Rafati hatte unter den Spielern der Fußball-Bundesliga nicht den besten Ruf. Ob das schlechte Standing dazu beitrug, dass sich der einstige Fifa-Schiedsrichter das Leben nehmen wollte, ist unklar.

Köln/Hannover/Hamburg. Der Selbstmordversuch von Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati hat den deutschen Fußball in eine Schockstarre versetzt. Besonders die Frage nach den noch unbekannten Gründen für die Verzweiflungstat und die Einsicht in die Notwendigkeit von effektiveren Vorbeugungsmaßnahmen beherrschten die Diskussionen. Vor gut zwei Jahren hatte sich Nationaltorwart Robert Enke aufgrund schwerer Depressionen das Leben genommen und die Debatte um den psychischen Druck im Hochleistungssport entfacht.

Der 41 Jahre alte Hannoveraner Fifa-Referee Rafati war am Sonnabend kurz vor seinem geplanten Einsatz beim Punktspiel zwischen dem 1. FC Köln und dem FSV Mainz 05 mit aufgeschnittenen Pulsadern in einer Hotel-Badewanne aufgefundenen und gerettet worden. Der Unparteiische befindet sich außer Lebensgefahr.

Präsident Theo Zwanziger vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) wagte sich bei der Suche nach den Motiven Rafatis, der nach Angaben des Verbandschefs vor seinem Suizidversuch „nicht in jedem Punkt lesbare Notizen“ womöglich als Abschiedsbrief hinterlassen hatte, am weitesten nach vorne. "Es ist immer ganz schwierig, daran zu denken, dass ein junger Mensch so eine Ausweglosigkeit sieht. Ich kann sie mir auch nur so erklären, dass der Druck auf unsere Schiedsrichter ungeheuer hoch ist und wir es nicht schaffen, das Ganze in eine richtige Balance zu bringen“, sagte Zwanziger auf einer Pressekonferenz spürbar bewegt.

Der DFB-Präsident war am Sonnabendmittag kurz nach dem entschlossenen Eingreifen von Rafatis Assistenten ("Es war viel Blut zu sehen. Die Assistenten haben ihm das Leben gerettet“) über die tragischen Vorkommnisse informiert worden. Während im Kölner RheinEnergie-Stadion die Zuschauer die Spielabsage "aus wichtigen Gründen“ erfuhren (neuer Termin noch unbekannt), verzichtete der DFB-Chef auf seinen avisierten Besuch des Frauen-EM-Qualifikationsspiels in Wiesbaden gegen Kasachstan und eilte stattdessen in die Domstadt.

+++ Zwanzigers Stellungnahme im Wortlaut +++

Zwanziger nahm im ZDF-Interview den Fußball in die Pflicht: "Die Drucksituationen, die erzeugt werden, werden auf Dauer kein guter Weg sein. Wir müssen da Schritt für Schritt langsam aber sicher wieder zurückkommen.“

Liga-Chef Reinhard Rauball plädierte für eine Mischung aus noch intensiverer Betreuung aller am Spitzenfußball Beteiligten und Einzelfall-Betrachtungen. "Wir müssen noch mehr Fachleute mit ins Boot nehmen, die uns sagen, wie breit wir uns aufstellen müssen. Aber man kann nicht sagen, dass der Fußball in eine falsche Richtung läuft. Dagegen wehre ich mich. Wir haben viele andere, die in der Bundesliga mit dem Druck klarkommen“, sagte der Präsident von Meister Borussia Dortmund in München.

Rafati hatte interessanterweise 2005 beim Spiel des 1. FC Köln gegen den FSV Mainz 05 sein Bundesliga-Debüt gegeben. Acht Jahre zuvor war Rafati zum DFB-Schiedsrichter aufgestiegen und hatte 2000 erstmals ein Zweitliga-Spiel geleitet. Im Oberhaus kam der Bankkaufmann und Filialleiter insgesamt 84-mal zum Einsatz, zuletzt am 15. Oktober bei der Begegnung VfB Stuttgart gegen 1899 Hoffenheim.

Allerdings war durch den Verzicht des DFB auf Rafatis erneute Nominierung für die ab 2012 gültige Fifa-Liste, auf der Rafati seit 2008 steht, ein Karriereknick erfolgt. Seine Degradierung erschien beinahe zwangsläufig, war Rafati in der Vergangenheit von den Bundesliga-Profis in einer kicker-Umfrage doch gleich mehrfach zum schwächsten Schiedsrichter der Eliteklasse gewählt worden.

Den Mangel an Anerkennung konnte der Referee vom Bezirksligisten Niedersachsen Döhren jedoch offenbar gut verarbeiten. "Er war sehr zufrieden“, sagte Rafatis Vater Djalal im Express-Interview über die Rolle seines Sohnes als Schiedsrichter.

Für Rafati senior sind die Gründe für die Lebensmüdigkeit seines Sohnes ebenfalls ein Rätsel: „Von Depressionen oder Burn-out hat mein Sohn nie etwas erzählt. Mit seiner Freundin ist er seit vielen Jahren zusammen und glücklich. Mit ihr kann das nichts zu tun haben.“ Ob Rafati zum Kreis der rund 70 Schiedsrichter gehört, gegen die wegen Steuervergehen ermittelt wird, ist offiziell nicht bekannt.

Zwanziger sieht indes die Auswirkungen des allgemeinen Drucks im Spitzensport als Ursache für Rafatis Suizidversuch: "Stärke, die nach außen getragen und dargestellt wird, zeigt nicht den Menschen selbst, der im Innern schwach sein kann. Wir müssen uns in der ganzen Gesellschaft nicht nur nach dem äußeren Schein richten, sondern versuchen, uns dem Innenleben der Menschen zu nähern.“

Babak Rafati im Kurzporträt

Schon im Alter von 16 Jahren leitete Babak Rafati Fußballspiele. Seit 2000 pfeift der Schiedsrichter, der seine Kindheit mit seinen iranischen Eltern in Teheran verbrachte, in der 2. Liga und seit 2005 auch in der Bundesliga. 2008 wurde Rafati als Nachfolger von Markus Merk Fifa-Schiedsrichter.

Name: Babak Rafati

Geburtstag: 28. Mai 1970

Geburtsort: Hannover

Beruf: Bankkaufmann, DFB-Fußballschiedsrichter seit 1997

Verein: SpVg. Niedersachsen Döhren

Einsätze

Bundesliga: 84

2. Liga: 101

DFB-Pokal: 17

A-Länderspiele: 2

Champions League: 1

Uefa-Cup/Europa League: 5

Mit Material von sid und dpa