Senkrechtstarter Holger Badstuber (21 Jahre) spricht über Nervosität, den Bayern-Faktor und die Unterschiede in der DFB-Auswahl.

Erasmia. Er ist der Nationalspieler mit dem kürzesten WM-Anlauf aller Zeiten. Erst 15 Tage vor Beginn des Turniers kam Holger Badstuber gegen Ungarn zu seinem Debüt in der Nationalmannschaft. Nach seinem gelungenen WM -Einstand gegen Australien ist der 21-Jährige zum festen Bestandteil der DFB-Auswahl geworden.

Abendblatt:

Herr Badstuber, als Sie mit Thomas Müller in Südtirol ankamen, haben Sie beide gesagt: Das ist wie ein Traum, den man noch nicht fassen kann. Sind Sie inzwischen aufgewacht?

Holger Badstuber:

Ich realisiere das durchaus alles hier und kann diese Tage genießen. Aber so richtig in Ruhe zurückblicken auf die vergangene Saison bei den Bayern und die Erlebnisse hier in Südafrika werde ich erst im Urlaub.

Vor einem Jahr kannte Sie in Deutschland noch niemand, jetzt sind Sie Meister, Pokalsieger, standen im Finale der Champions League und wurden mal eben Nationalspieler. Wie verarbeiten Sie das alles und schaffen es, nicht abzuheben?

Es liegt in meinem Naturell, dass ich ein bodenständiger Junge bin. Falls ich mal ausrasten oder abheben würde, hätte ich genügend Menschen in meiner Familie und im Freundeskreis, die mir wieder den Weg in die richtige Richtung weisen würden. Aber ich habe keine Angst, dass das nötig sein wird. Der Thomas und ich, ich nenne mal uns beide, weil er ein ähnlicher Typ wie ich ist, finden bei den Bayern und in der Nationalmannschaft auch ein Umfeld vor, in dem wir so sein können, wie wir sind.

Wie sehr hat es Ihren Einstieg in der DFB-Auswahl erleichtert, dass so viele Spieler von Bayern München im WM-Kader stehen?

Für mich war das schon ein klarer Vorteil, dass so viele Spieler aus München dabei sind. Das machte es wesentlich leichter für mich, Kontakte zu knüpfen und Anschluss zu finden.

Wer hilft Ihnen aus dem Spielerkreis hier am meisten?

Bastian Schweinsteiger ist nicht nur bei den Bayern, sondern auch beim DFB eine wichtige Ansprechperson für mich. Er hat einen ähnlichen Werdegang genommen wie ich und kann viele Situationen nachempfinden. Außerdem ist er ein Kumpel von mir und eine super Persönlichkeit. Wenn ich Fragen habe, kann ich immer zu ihm kommen.

Von außen wirken Sie ziemlich cool und abgeklärt. Was ging in Ihnen vor, als Sie in Durban die Nationalhymne hörten?

Das war schon ein ganz besonderer Moment, als die Menschen im Stadion mitgesungen haben. Das war einfach ein geiles Gefühl, das man nicht so oft hat. Trotzdem blieb ich sehr fokussiert und konzentriert.

Sind Sie eigentlich nie nervös?

Ich würde diese Empfindung nicht als Nervosität, sondern als ein Kribbeln bezeichnen, das ich schon immer hatte und das auch sehr wichtig für mich als Startsignal ist. Wenn es einsetzt, weiß ich: Jetzt steht etwas bevor.

Sie spielen jetzt, zufällig bei einer WM, nicht auf Ihrer Lieblingsposition.

Meine stärkste Position ist die in der Innenverteidigung, das weiß der Trainer auch. Aber ich habe in der abgelaufenen Saison auch gelernt, wie ich mich auf der Außenposition zu bewegen und zu verhalten habe, das ist jetzt nichts Neues mehr. Natürlich bin ich ein anderer Spielertyp als Philipp Lahm, aber vielleicht ist das auch gut so, weil ich dort mein eigenes Spiel aufziehen und der Mannschaft gut helfen kann.

Nur gegen Inter hat es nicht geklappt.

Das habe ich jetzt schon häufiger gehört, aber im Champions-League-Finale war ja auch die ganze Mannschaft nicht so gut drauf. Außerdem denke ich, dass man solche Schwankungen einem jüngeren Spieler wie mir auch zugestehen muss. Trotzdem ist es mein Anspruch, in der Zukunft jede Partie konstant gut zu spielen.

Thomas Müller nannte den Bundestrainer nach dem Australien-Spiel Louis van Löw. Worin ähneln oder unterscheiden sich Joachim Löw und Louis van Gaal?

Beide Trainer haben unterschiedliche Philosophien und sind auch verschiedene Charaktere. Joachim Löw setzt hier andere Akzente, was auch nachvollziehbar ist. Beim DFB gibt es keine Flügelzange mit Franck Ribéry und Arjen Robben, da kann man nicht einfach das gleiche System aufziehen. Generell ist hier die Einheit wichtiger als der einzelne Spieler. Nur wenn die Mannschaft intakt und gut drauf ist, füreinander kämpft, können wir viel erreichen. Aber genau deshalb habe ich auch ein sehr gutes Gefühl. Das Team und auch der Stab drumherum verfolgen ein Ziel.

Sie verlassen das Quartier nur zu den Trainingseinheiten und den Spielen. Wird das nicht auf Dauer langweilig?

Wir haben hier genug Möglichkeiten, uns entfalten zu können, das passt schon. Ich glaube nicht, dass es uns hier langweilig wird.

Sie sollen sich große Duelle auf der Playstation liefern.

Stimmt. Ich habe ein Doppel mit Thomas Müller gegen Bastian Schweinsteiger und Mario Gomez laufen. Die anderen führen, aber ich hoffe, wir haben noch lange Zeit, den Rückstand aufzuholen.

Beweist Müller da auch seinen Killerinstinkt vor dem Tor?

Nein, nein! Ich mache dort sogar oft mehr Tore als der Thomas. Aber das hängt von der Tagesform ab.