Bayern-Trainer wird aufgrund seiner Aufstellung beim 0:1 in Augsburg wegen angeblicher Respektlosigkeit kritisiert

Augsburg/München. Sollte Manuel Neuer irgendwann mal keine Lust mehr auf Fußball haben, muss er sich um fehlende Talente für einen anderen Beruf keine Sorgen machen. Er würde einen prima Krankenpfleger abgeben. Sonnabendabend schaute der Nationaltorwart des FC Bayern nach dem 0:1 (0:1) beim FC Augsburg in der Kabine seiner Mannschaft als Erstes in den Bereich der medizinischen Betreuer. „Ich wollte gleich sehen, ob da einer auf der Liege liegt“, sagte Neuer.

Fürsorglich erkundigte er sich anschließend bei Xherdan Shaqiri nach dessen Zustand. Leider nicht so toll, sagte der Schweizer Mittelfeldprofi: Er hat sich in der Partie einen großen Muskelfaserriss im rechten Oberschenkel zugezogen und fällt für das Viertelfinalrückspiel in der Champions League gegen Manchester United am Mittwoch (20.45 Uhr, ZDF, Sky, Hinspiel 1:1) aus. „Wir haben das Spiel gegen Augsburg schon ernst genommen, und wir verlieren nicht gern“, sagte Neuer. „Aber wenn, dann lieber jetzt in der Liga als in der Champions League.“

Bereits vor dem Derby war die Verletztenliste lang gewesen: Thiago, die Ersatztorhüter Tom Starke und Lukas Raeder, Holger Badstuber und Diego Contento. Zudem sind Bastian Schweinsteiger und Javi Martinez für die zweite Begegnung mit den Engländern um Wayne Rooney gesperrt.

Neuers Meinung nach war es also verständlich, dass Trainer Pep Guardiola die Stars Philipp Lahm, Franck Ribery und Arjen Robben nicht mal in sein Aufgebot für Augsburg berufen hatte. Und dafür Mitchell Weiser (19 Jahre), Ylli Sallahi, 20, und Pierre Emile Hojbjerg, 18, zum ersten Mal von Beginn an spielen ließ. „Der Trainer wollte, dass sich kein Spieler verletzt. Wenn er alle spielen lässt, geht er ein Risiko ein“, so Neuer. Und überhaupt: Er freue sich für die jungen Spieler, dass sie eine Chance erhielten. „Es ist nichts Schlimmes passiert“, sagte Nationalspieler Toni Kroos über die Niederlage. Und Mario Götze stellte auf dem Internetportal Instagram ein Foto von sich, David Alaba, Jerome Boateng, Rafinha und Thomas Müller online, wie sie auf der Ersatzbank sitzen und Späße machen.

Die Konkurrenz nimmt diesen Sonnabendnachmittag in Augsburg ernster. Und viele Fußballfans ebenfalls. Von Wettbewerbsverzerrung ist die Rede. Von einer Respektlosigkeit. Von Arroganz. Von fehlendem Sportgeist. „Die Bayern schicken ja auch immer ein paar schlaue Sprüche, die alle anderen aufzunehmen haben. Es ist kein guter Stil, wenn man so agiert. Das hat auch mit Charakter zu tun“, sagte Horst Heldt, Manager des FC Schalke 04, im Deutschlandfunk. Er glaube allerdings, dass eine solch extreme Aufstellung eine Ausnahme gewesen sei.

Und auch Armin Veh, Trainer von Eintracht Frankfurt, gefallen Guardiolas Personalentscheidungen nicht: „Wenn ich mir die Aufstellung der Bayern ansehe – okay für die Liga ist das nicht. Ich finde es nicht in Ordnung, wenn es für Mannschaften noch um die Europa-League-Plätze oder gegen den Abstieg geht. Und ein anderer schenkt das ab.“ Augsburg ist mit dem Sieg näher an den Tabellensiebten FSV Mainz 05 herangekommen, Veh hatte beim 0:5 in München im Februar allerdings selbst Stammspieler wegen drohender Gelbsperre draußen gelassen. Andere Spiele seien im Abstiegskampf wichtiger, hieß es damals aus Frankfurt.

Doch auch einige Bayern-Anhänger sind nach dem Derby sauer. Peinlich sei das in Augsburg gewesen, Guardiola habe sich verzockt, solche Sätze waren zu lesen in Kommentaren auf Facebook und Twitter. Das habe mit Rotation nichts mehr zu tun. Es sei eine C-Elf gewesen, mit Spielern, die nicht mal regelmäßig in der U23 überzeugen, hieß es. „Den Bayern war klar, dass es Diskussionen gibt, wenn es schiefgeht“, sagte Mainz-Manager Christian Heidel.

Der Verantwortliche beim FC Bayern selbst gab offen zu, dass die Liga-saison für ihn gefühlt beendet ist. Guardiola sagte in Augsburg: „Unsere Arbeit in der Bundesliga ist vorbei. Wir haben den Titel im Museum, und er bleibt für immer da. Du kannst nicht immer nur gewinnen. Wenn es wichtig gewesen wäre, wären Philipp, Franck und Arjen dabei gewesen. Wir haben nicht wegen der jungen Spieler verloren. Hojbjerg und Weiser waren die besten.“

Letztere Einschätzung ist äußerst diskutabel. Weiser verlor vor dem 0:1 den Ball, Hojbjerg war vor allem in der ersten Halbzeit zu passiv. Allerdings enttäuschten ebenfalls die erfahrenen Spieler wie Schweinsteiger und Daniel van Buyten, und Guardiolas Gedanke ist auch nachzuvollziehen: Wenn ich diese Talente in der Bundesliga testen will – wann, wenn nicht jetzt?

Es war die erste Liganiederlage des deutschen Rekordmeisters in dieser Saison, zuvor war er 53 Spiele im nationalen Wettbewerb ungeschlagen gewesen. Die Chance auf eine Spielzeit ohne verlorene Partie ist dahin. Aber Guardiola sieht in den nächsten Wochen nur zwei wichtige Spiele: Das Halbfinale im DFB-Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern am 16. April, und die Partie gegen Manchester United.