Der Bundestrainer gibt sich vor dem Duell gegen die Niederlande entspannt und trotzig. Holländer sinnen auf Revanche.

Amsterdam. Ganz entspannt, im blauen Trainingsanzug wie Huub Stevens, saß Joachim Löw im Marriott Hotel in Amsterdam und dozierte unbeeindruckt von allen Unruhen über den Fußball und die deutsche Nationalmannschaft. Vor dem Länderspiel gegen die Niederlande focht den 52-Jährigen das einschneidende Erlebnis des 4:4 gegen Schweden vor einem Monat in Berlin genauso wenig an wie die Absagenflut durch angeblich verletzte oder erkrankte Stammspieler. Die Welt des Badeners ist in Ordnung, da mögen irgendwelche Experten seinen Sturm-und-Drang-Fußball kritisieren oder Alt-Präsident Theo Zwanziger einen plötzlichen Rücktritt von ihm möglich halten.

Löw hat 19 Spieler für das Duell gegen den Vize-Weltmeister in dem äußerlich hässlichen Hotel um sich versammelt, gut die Hälfte davon aus dem zweiten Glied. Ein einziges Training veranstaltet Löw mit dieser Schrumpftruppe. Aber „Mr. Cool“ war dennoch ganz souverän und ließ sich sogar auf ein feines Verbalgefecht mit Louis van Gaal ein. Der frühere Trainer von Bayern München, der nach der EM die Oranje-Elf übernommen hat, hatte in einem Interview den deutschen Kollegen klein gemacht. „Ich denke, dass ein Trainer viel gewinnen muss, um ein legendärer Trainer zu sein“, sagte van Gaal. Und in den Tagen davor hatte der Niederländer, der charmant wie ein Bollerkopf sein kann, auch noch angemerkt, dass die deutsche Nationalelf exakt mit dem System spiele, was er beim FC Bayern entwickelt habe.

Ja, sagte Löw, van Gaal sei ein wirklich guter Trainer, er habe schon viele Mannschaften trainiert und Erfolge gehabt. Dann lächelte Löw und ließ einen Seitenhieb folgen, nicht mit dem Säbel, sondern mit dem feinen Florett. „Für einen Nationaltrainer ist es auch wichtig, dass er sich für ein Turnier qualifiziert. Das hat er beim ersten Mal, glaube ich, nicht getan“, sagte der Bundestrainer. Das saß: Van Gaal hatte in seiner ersten Amtszeit als Bondscoach 2000 bis 2002 die WM-Qualifikation für Japan und Südkorea verpasst. „Ohne Holland fahren wir zur WM“, hatten die deutschen Fans monatelang gesungen.

Holländer sinnen auf Revanche

Es ist eine alte Rivalität, die den Deutschen Fußball-Bund (DFB) und den Königlich Niederländischen Fußball-Verband (KNVB) verbindet. Die Wortgefechte der momentan tätigen Nationaltrainer sind nur ein Aspekt. Die Holländer sinnen auf Revanche, auf Löws Mannschaft wartet eine harte Prüfung. Der Stachel des 0:3 vor einem Jahr in Hamburg sitzt tief, das 1:2 in Charkiw bei der EM am 13. Juni, als Mario Gomez zwei herausragend gute Tore schoss, ärgert die Oranje-Fans noch mehr. Eine Woche später reisten die Holländer mit null Punkten nach Hause – zwei Jahre nach der Finalteilnahme gegen Spanien bei der WM in Südafrika. Deutschland wird als genau der richtige Gegner empfunden, um die Rangfolge wieder gerade zu rücken.

„Holland hat mit dem neuen Trainer eine veränderte Spielidee“, sagte Löw. Zuletzt sei die Defensive des Ex-Europameisters anfällig gewesen. Aber dieses Problem plagt auch ihn. Die Partie in der Amsterdam Arena, die vor 16 Jahren das erste große Hallenstadion mit einem Schiebedach in Europa war, besitzt aus DFB-Sicht ihre ganz eigene Brisanz. Das 4:4 gegen Schweden hallt noch nach. Das Resultat spiele keine Rolle mehr, betonte Löw dennoch. Die Ankündigung, aus der Blamage, einen 4:0-Vorsprung verspielt zu haben, die Lehren zu ziehen, ist nicht mehr aktuell.

Löw erläuterte ganz entspannt, dass er mit einem so komplizierten Thema die Spieler vor dem Duell nicht behelligen könne. „Das wäre nicht motivierend“, sagte Löw. Außerdem fehlen wegen der sechs Absagen und dem vorherigen Ausfall von zwei Spielern insgesamt acht Kräfte aus dem Kernteam. Es sind Khedira, Badstuber, Schweinsteiger, Kroos, Boateng, Schmelzer, Özil und Klose. Gomez fehlt schon seit Monaten. Damit ließe sich schon fast schon eine Elf bilden. Vier Bayern sind abhanden gekommen, aber bei keinem der Spieler, die fehlen, hat Löw auch nur den leisesten Verdacht, dass der Ausfallgrund wegen des großen Stresses bei den Klubs vorgeschoben sein könnte.

Viele Bayern fehlen, nun müssen die Dortmunder das Kommando übernehmen. Obwohl nun ein echter Stürmermangel eingetreten ist, wollte Löw den Leverkusener Stefan Kießling nicht nachnominieren. Er will seine Lieblingsidee umsetzen und Marco Reus einmal in vorderster Front spielen lassen, der normal im offensiven Mittelfeld agiert. Dass die Balance zwischen Angriff und Abwehr stimmen muss, will Löw seinem Personal nahebringen. Aber wenn er sich entscheiden müsse, zwischen Tore schießen oder die Null hinten zu halten, dann würde sich Löw für das Erstere entscheiden. Er ist ganz entspannt, als er erklärt, dass er ein 3:3 oder ein 4:4 einem 0:0 vorziehen würde.

Die voraussichtlichen Aufstellungen

Niederlande: Krul (Newcastle United/24 Jahre/4 Länderspiele) – van Rhijn (Ajax Amsterdam /21/4), Heitinga (FC Everton/28/84), Vlaar (Aston Villa/27/13), Bruno Martins Indi (Feyenoord Rotterdam/20/5) - van Ginkel (Vitesse Arnheim/19/0), Nigel de Jong (AC Mailand/27/66) - Robben (Bayern München/28/62), van der Vaart (Hamburger SV/29/102), Afellay (FC Schalke 04/26/43) – Huntelaar (FC Schalke 04/29/59)

Deutschland: Neuer (Bayern München/26/35 – Höwedes (FC Schalke 04/24/9), Mertesacker (FC Arsenal/28/84), Hummels (Borussia Dortmund/23/22), Lahm (Bayern München/29/94) – Lars Bender (Bayer Leverkusen/23/10), Gündogan (Borussia Dortmund/22/3) – Müller (Bayern München/23/37), Götze (Borussia Dortmund/20/19), Podolski (FC Arsenal/27/105) – Reus (Borussia Dortmund/23/13)

Schiedsrichter: Proença (Portugal)