Nie zuvor hatte ein Team in der Champions League zur Pause mit 5:0 geführt. Pizarro trifft nach sechs Jahren wieder in der Königsklasse.

München. Der FC Bayern hat sich auf Tabellenplatz zwei seiner Champions-League-Gruppe zurückgespielt. Die Münchner besiegten den OSC Lille nach einer Gala-Vorstellung in den ersten 33 Minuten mit 6:1 (5:0). Bastian Schweinsteiger mit einem direkt verwandelten Freistoß aus 21 Metern eröffnete den Torreigen (5. Minute). Claudio Pizarro glückte ein Dreierpack (18., 28., 33.), sein erster Treffer war der 500. des Rekordmeisters in der Königsklasse. Ein Eigentor von Florent Balmont brachte das 3:0 (23.). In der zweiten Hälfte trafen noch Toni Kroos zum 6:1 (66.) und Salomon Kalou (57.) für die überforderten Franzosen zum zwischenzeitlichen 1:5. "Wir dürfen den Erfolg kurz genießen, aber dann geht es weiter, weiter, weiter", sagte Robben.

"Das war eine ganz starke Vorstellung", meinte der ehemalige Bayern-Trainer und Sky-Experte Ottmar Hitzfeld, "besonders die Körpersprache hat mir gut gefallen. Von Anfang an war zu sehen, dass die Mannschaft an diesem Abend richtig Biss hatte."

„Wir haben von Anfang an Druck gemacht und sehr gut gespielt“, sagte Pizarro nach dem Spiel im ZDF und fügte hinzu: „Ich hoffe, dass es so weitergeht.“ Trainer Jupp Heynckes freute sich über eine „erste Halbzeit aus einem Guss“, mahnte jedoch: „Das Spiel muss auch relativiert werden. Der Gegner war heute nicht allererste Klasse. Gegen Frankfurt am Wochenende wird es sicher ein schwierigeres Spiel.“ Auch Robben erklärte trotz der starken Leistung: „Wir müssen bei uns bleiben, mit beiden Füßen auf dem Boden.“

Personalwechsel als Glücksgriffe

Heynckes hatte sein Team nach dem überzeugenden 3:0-Auswärtssieg beim Hamburger SV auf drei Positionen umgestellt. Arjen Robben rückte für Toni Kroos ins Team, der angeschlagene Luiz Gustavo wurde durch 40-Millionen-Mann Javier Martinez ersetzt und für den grippekranken Torjäger Mario Mandzukic stürmte Pizarro. Speziell letzterer Personalwechsel sollte sich als Glücksgriff erweisen.

Die Gastgeber zeigten vor 68.000 begeisterten Zuschauern in der ausverkauften Arena keinerlei Anlaufschwierigkeiten und boten eine der besten ersten Halbzeiten der vergangenen Jahre. In der 4. Minute rettete der bemitleidenswerte Gäste-Keeper Mickael Landreau mit einer Fußabwehr noch gegen Thomas Müller, doch eine Minute später war es geschehen. Einen Freistoß von der Strafraumgrenze zirkelte der von den Fans in Sprechchören als „Fußballgott“ gefeierte Schweinsteiger in Weltklassemanier zum 1:0 ins Tor.

Pizarro trifft nach sechs Jahren wieder

Nach der frühen Führung lösten die Bayern alle Bremsen und spielten mit tollen Kombinationen die völlig überforderten Gäste an die Wand. Hauptfigur war dabei der Peruaner Pizarro, der seine ersten Champions-League-Tore für die Bayern seit fast sechs Jahren (zuletzt Doppelpack am 22. November 2006 beim 2:2 bei Spartak Moskau).

Zunächst schoss der 34-Jährige nach einem tollen Doppelpass mit Franck Ribery von der Strafraumgrenze ein, dank verwertete er zwei tollen Flanken von Kapitän Philipp Lahm von der rechten Seite mit der Hacke und per Kopf. Zwischendurch war noch ein abgefälschter Freistoß von Robben ins Netz getrudelt.

Die fünf Bayern-Tore in nur 28 Minuten, weitere grandios herausgespielte Chancen für Robben (38.) oder David Alaba (45.) und tolle Kabinettstückchen begeisterten die eher unterkühlten Münchner Fans so sehr, dass die La-Ola-Welle durchs Stadion schwappte. „Finale, Finale“ schallte es durch die Arena – ein knappes halbes Jahr nach der bitteren Pleite im Heim-Endspiel gegen den FC Chelsea scheint der FC Bayern bereit für einen neuen Angriff auf Europas Thron.

Der höchste Bayern-Sieg in der Champions League der Geschichte - das 7:0 gegen den FC Basel aus der Vorsaison – schien greifbar. Doch mit Blick auf das Bundesliga-Spitzenspiel am Sonnabend gegen Eintracht Frankfurt schonten sich die Gastgeber in der zweiten Hälfte und ließen Lille etwas besser ins Spiel kommen.

So kam Kalou – er hatte im denkwürdigen Finale der Königsklasse noch für Chelsea gespielt – mit einem Billard-Fernschuss an die Lattenunterkante ein Tor für die Gäste. Nach einer weiteren mustergültigen Flanke von Lahm und einer Direktabnahme von Kroos wurde der alte Vorsprung jedoch wieder hergestellt. In der Folge hatten die Bayern insbesondere durch Robben noch mehrere gute Chancen, doch es blieb beim 6:1. Was dafür ebenfalls blieb: Ein neuer Halbzeittorrekord in der Champions League. Nie zuvor hatte ein Team in der 1992 eingeführten Königsklasse zur Pause mit 5:0 geführt.

Im vorletzten Vorrunden-Spiel muss der FC Bayern am 20. November beim FC Valencia antreten. Beide Teams haben neun Punkte auf dem Konto – und überwintern damit sicher im Europacup.

Dortmund und Schalke mit besten Chancen

Die Dortmunder und Schalker hatten am Vortag mit jeweils zwei 2:2-Unnentschieden ihre Tabellenführungen verteidigt. Die beiden Ruhrpottklubs verpassten zwar gegen die Gruppenfavoriten Real Madrid und Arsenal London den vorzeitigen Achtelfinaleinzug, doch die Freude über die starken Auftritte überwog. "Wir haben es weiter selber in der Hand, die nächste Runde zu erreichen. Mehr konnte man in dieser Gruppe nach vier Spieltagen nicht erwarten. Wir haben den direkten Vergleich mit Real gewonnen, damit hätte ich nicht gerechnet", sagte Dortmunds Trainer Jürgen Klopp nach dem "großen Spiel bei einem großen Gegner".

"Unser Plan war, sehr mutig zu spielen und viel Ballkontrolle zu haben. Unsere erste Halbzeit war außerordentlich gut, die zweite leidenschaftlich. Natürlich hat uns dabei letztlich ein wenig die Entlastung gefehlt. Da fehlte die klare Aktion, die 100-prozentige Chance", meinte Klopp. Madrids später Ausgleich durch Mesut Özils Freistoßtreffer in der 89. Minute war daher mehr als verdient. Der bis dahin starke BVB-Keeper Roman Weidenfeller machte dabei keine gute Figur und gab sich danach wenig selbstkritisch: "Das war ein Geniestreich. Ich weiß nicht, was wir darüber diskutieren sollen." Bei Ajax Amsterdam reicht den Dortmundern nun in zwei Wochen ein Remis, um vorzeitig weiterzukommen.

Schalke muss jetzt daheim gegen Olympiakos Piräus siegen, um schon am fünften Spieltag ins Achtelfinale einzuziehen. Gegen Arsenal erlebten die Gelsenkirchener lange Zeit ein Déjà-vu. Die Londoner nutzten gleich die ersten beiden Schalker Abwehrpatzer zu einer 2:0-Führung, Klaas-Jan Huntelaar (45.+2) und Jefferson Farfan (67.) glichen aus. Torhüter Lars Unnerstall musste dann kurz vor Schluss mit einer Glanztat eine erneute Last-Minute-Pleite wie zuletzt in Hoffenheim (2:3) verhindern, als Walcott plötzlich frei vor ihm auftauchte. "Da muss man erst mal die Coolness haben, so stehen zu bleiben. Er hat uns den Punkt gerettet", lobte Sportvorstand Horst Heldt.

Statistik

München: Neuer - Lahm, Boateng, Dante, Alaba - Martinez, Schweinsteiger (67. Timoschtschuk) - Robben, Thomas Müller (61. Toni Kroos), Ribery (72. Shaqiri) - Pizarro. - Trainer: Heynckes

Lille: Landreau - Debuchy, Basa, Chedjou, Beria - Rozehnal (46. Mavuba), Balmont, Pedretti - Kalou (72. Martin), Roux, Payet (46. De Melo). - Trainer: Garcia

Schiedsrichter: Ovidiu Hategan (Rumänien)

Tore: 1:0 Schweinsteiger (5.), 2:0 Pizarro (18.), 3:0 Robben (23.), 4:0 Pizarro (28.), 5:0 Pizarro (33.), 5:1 Kalou (57.), 6:1 Toni Kroos (66.)

Zuschauer: 68.000 (ausverkauft)

Beste Spieler: Lahm, Schweinsteiger, Pizarro -

Gelbe Karten: Schweinsteiger (2), Ribery, Timoschtschuk - Debuchy, Balmont, Mavuba (2)

Erweiterte Statistik (Quelle: impire):

Torschüsse: 17:14

Ecken: 8:5

Ballbesitz: 60:40 Prozent