Das ist eine Kampfansage: DFB-Kapitän Philipp Lahm will sein Amt nach der WM nicht mehr an seinen verletzten Vorgänger Michael Ballack abgeben.

Erasmia. Drei äußerst wichtige Termine stehen für Philipp Lahm in den kommenden Tagen an. Morgen soll der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft sein Team in Durban im Halbfinale gegen Spanien (20.30 Uhr/ARD und im Liveticker auf abendblatt.de ) ins Endspiel führen, das dann am Sonntag in Johannesburg steigen würde. Nur drei Tage später, am 14. Juli, will der 26-Jährige im oberbayerischen Kleinhelfendorf seine Freundin Claudia vor den Traualtar führen.

Was eigentlich nach genug Beschäftigung klingt, scheint Lahm aber nicht vollständig auszufüllen. Der Abwehrspezialist, der bei der WM wieder einmal herausragende Leistungen zeigt, machte gestern in Interviews bei mehreren Boulevard-Zeitungen ("Bild", "tz") seinen Machtanspruch hinsichtlich der Binde deutlich: "Es ist doch klar, dass ich die Kapitänsbinde gerne behalten möchte. Die Rolle auf dem Platz erfülle ich seit mehreren Jahren, die habe ich im Griff. Dann will man sich auch um mehr kümmern, mehr Verantwortung übernehmen. Das habe ich jetzt hier gemacht. Warum soll ich dann das Kapitänsamt wieder freiwillig zur Verfügung stellen?"

Mit seinem überraschenden Vorstoß stellte Lahm direkt die Zukunft von Michael Ballack in der Nationalelf infrage, der bis zu seiner Verletzung im Mai als "Capitano" noch die alleinige Chefrolle ausübte. Eine Degradierung zum "normalen" Mitläufer würde der 33-Jährige ganz sicher nicht mitmachen, weshalb Lahms Aussage als klares Signal aus der Mannschaft heraus verstanden werden muss: Wir brauchen dich nicht mehr!

Lahm hätte sich wohl kaum zu diesem Statement hinreißen lassen, wäre er sich nicht der Unterstützung wichtiger Teile der Mannschaft sicher. So gilt beispielsweise Arne Friedrich nicht gerade als guter Freund Ballacks, und auch mit Lukas Podolski geriet der 98-fache Nationalspieler in der Vergangenheit schon kräftig aneinander. Dass die junge aufstrebende Generation um Thomas Müller, Mesut Özil oder Sami Khedira (der für Ballack weichen müsste) an der eher flacheren Hierarchie in der Mannschaft Gefallen gefunden hat, ist ebenfalls kein Geheimnis. Bastian Schweinsteiger, der in der neuen Chefrolle zum bislang besten WM-Star aufstieg, wusste am Montag zu berichten, dass sich der Kontakt zu Ballack in Grenzen hielt: "Er lässt uns gewähren. Er ist nicht so nah an der Mannschaft, ganz eng ist er bei uns jetzt nicht."

Am Montagmittag wusste Schweinsteiger noch nicht, dass da schon die Abreise Ballacks bevorstand. Nachdem dieser in Kapstadt zum Team gestoßen war und auch beim Spiel gegen Argentinien auf der Tribüne gesessen hatte, trat er am Nachmittag die Heimreise nach Deutschland an. Über den DFB ließ er mitteilen, dass seine Reha-Maßnahmen nach seiner Verletzung hierfür der Grund seien: "Da mein Heilungsverlauf glänzend verläuft und schneller vorangeht als geplant, sind für mich hier aber die Bedingungen für meine Behandlung nicht mehr optimal. Der Fokus der medizinischen Abteilung des DFB liegt derzeit ganz klar auf dem Team, dafür haben Ärzte und Physiotherapeuten in den vergangenen Tagen fast rund um die Uhr gearbeitet. Zudem stehen jetzt zwei Reisen in sehr kurzem Zeitraum an. Für mich war es wichtig, die Mannschaft zu sehen. Ich muss aber jetzt auch an mich und meinen neuen Verein Bayer Leverkusen denken und den nächsten Schritt machen und schnell wieder fit werden."

Vielleicht wird sich Ballack nun aber fragen, ob es richtig war, überhaupt nach Südafrika zu reizen. Sein Aufenthalt beim DFB, womit er auch das Signal setzte, weiter uneingeschränkt beim Team bleiben zu wollen, reizte Lahm womöglich nun zum "Aufstand". Als er während des Argentinien-Spiels in Großaufnahme im Fernsehen gezeigt wurde, bekam die deutsche Nation zugleich ein Verlierer-Gesicht zu sehen, was die Diskussionen um seine Zukunft wieder neu entfachte. Die öffentliche Meinung ist längst gespalten in der Personalie Ballack. Mit dem früheren Nationalspieler Bernd Schuster positionierte sich ein weiterer Experte gegen eine Rückkehr: "Ballacks Verletzung ist ein Glücksfall für den deutschen Fußball."

Und was sagt Lahm dazu? "Das wird die Entscheidung des Bundestrainers sein. Platz ist immer da. Michael ist ein guter Spieler. Alles andere wird man nach der WM sehen", sagte der Rebell höflich und fügte hinzu: "Es steht mir nicht zu, dass ich bei dieser Frage Ja oder Nein sage."

Löw, sollte er denn Trainer bleiben, muss sich aber nicht nur fragen, ob die Balance mit Ballack außerhalb des Platzes in Gefahr geriete, sondern auch auf dem Rasen. Schließlich ist es offensichtlich, dass die Mannschaft ohne Ballack auf hinreißende Art und Weise bei dieser WM-Endrunde zu einem schnellen Offensivfußball in der Lage ist und jedes gute Spiel weniger Argumente liefert, einen Spieler für Rückkehrer Ballack zu opfern.