Der Münchener Stürmer bestreitet gegen Argentinien sein 100. Länderspiel und könnte sogar noch zum WM-Rekordtorschützen werden.

Kapstadt/Hamburg. Es ist nur eine Zahl. Aber dafür eine magische, weil sie besonders für Stürmer in der Regel unerreichbar bleibt. Sie sind im Fußball die Getriebenen, die Gejagten. Um sich gegen immer perfekter organisierte und körperlich immer robustere Defensivverbände durchzusetzen, sind im modernen Fußball bei Angreifern mehr denn je nicht nur Fitness, sondern auch Dynamik und Explosivität auf hohem Niveau gefordert. Ein Anspruch, dem in der Vergangenheit nicht viele Stürmer auch noch jenseits der 30 standhielten. Kein Wunder also, dass es nur Jürgen Klinsmann (108 Länderspiele), Ulf Kirsten (100, davon 49 für die DDR) und Joachim Streich (102 für die DDR) in der langen Fußballgeschichte des Deutschen Fußballbundes und des Deutschen Fußball-Verbandes der DDR in den Hunderter-Klub geschafft haben.

Insofern ist es kein Wunder, dass Miroslav Klose voller Ehrfurcht davon spricht, am Sonnabend gegen Argentinien sein 100. Länderspiel bestreiten zu dürfen: "Das ist eine unvorstellbare Zahl. Davon habe ich als Kind immer geträumt. Das ist etwas Großartiges für einen Fußballer, wenn man so etwas erreicht hat."

Zumal, wenn er dabei noch so viele Tore erzielen kann. Mit 50 Treffern für die DFB-Auswahl steht der 32-Jährige in der Rangliste der Torschützen bereits auf Position drei, nur noch 18 Treffer vom legendären Gerd Müller entfernt. "Seine Torquote ist auf einer ganz hohen Ebene einzuordnen", lobte Bundestrainer Joachim Löw seinen Muster-Stürmer in höchsten Tönen - und darf sich selbst auf die Schulter klopfen, am Sorgenkind dieser Saison festgehalten zu haben. Nach einer Spielzeit der Enttäuschungen bei Bayern München schien lange fraglich, ob Klose seine zweifellos vorhandenen Qualitäten bei der Weltmeisterschaft überhaupt noch einmal mobilisieren könnte.

"Ich wusste, was ich kann", sagte Klose. "Ich wusste immer, dass ich auf den Punkt fit bin." Deshalb schätzt er "das Vertrauen des Trainers" so ungeheuer wichtig ein.

"Ich habe in Südafrika mit ihm gesprochen, da hab ich schon gemerkt, dass er was draufhat", sagt Uwe Seeler, der als Delegationsmitglied des DFB bis zum Achtelfinale in Südafrika weilte. "Er wirkte nicht so, als sei er in einem Formtief. Ganz im Gegenteil: er war voller Selbstvertrauen. Und das zeigt er jetzt auch. Miroslav spielt ein starkes Turnier. Und er kann noch mehr."

Dieser Glauben an die eigene Stärke, der scheinbar niemals nachlassende Ehrgeiz trieb Klose zurück in die Erfolgsspur, wie sein glanzvoller Auftritt gegen England zeigte. Mit zwölf Toren bei drei WM-Turnieren hat er nun zum großen Pelé aufgeschlossen. Sein erklärtes Ziel ist es, die noch fehlenden drei Tore bis zum führenden Ronaldo zu schießen.

"Bis jetzt habe ich bei jedem WM-Turnier fünfmal getroffen, darum sollen noch ein paar Tore hinzukommen. Wenn ich meine Quote halte und bei diesem Turnier wie bei der WM 2002 und der WM 2006 fünfmal treffe, ziehe ich mit ihm gleich", sagte der WM-Torschützenkönig von 2006, dessen Frau Sylwia und die Zwillingssöhne Luan und Noah das Jubiläum auf der Tribüne im Green-Point-Stadion live verfolgen werden.

Eine für Klose beinahe atemberaubende Aussage. Vom Glamour-Faktor der brasilianischen Torjäger-Legende Ronaldo ist Klose schließlich meilenweit entfernt. Von seiner überschaubaren Rhetorik und seinen häufig hängenden Schultern aber auf Selbstzweifel zu schließen, wäre falsch, wie auch Löw am Freitag vor dem Argentinien-Spiel betonte: "Selbst in schwierigen Phasen hat sich Miro nie aus dem Rhythmus bringen lassen und immer an sich geglaubt, auch wenn seine Körpersprache etwas anderes vermuten ließ." Was ihn aber zugleich auszeichne, so der Bundestrainer weiter, sei ein hohes Maß an Selbstkritik und Bescheidenheit.

Am 24. März 2001 hatte ihn der damalige DFB-Teamchef Rudi Völler zum Nationalspieler gemacht. Beim Spiel gegen Albanien wechselte er den damals 22-Jährigen in der 72. Minute ein. 16 Minuten später köpfte der Debütant im WM-Qualifikationsspiel das Siegtor zum 2:1.

Nun schließt sich der Kreis - aber wohl nur, was die WM betrifft. Selbst bei einem Ausscheiden denkt Klose nicht an ein Karriereende ("Ich mache weiter, so lange die Beine tragen"), auch wenn sich durch die vielen jungen Spieler im Team "die Auswahl der Musik" in der Kabine geändert habe, wie er scherzhaft anmerkt. Sein großes Ziel zum krönenden Abschluss seiner Karriere im DFB-Trikot ist die Europameisterschaft in Polen und in der Ukraine. "Ich bin ja in Polen geboren, habe dort Verwandte und liebe das Land und die Leute. Es wäre schön, dort noch einmal ein großes Turnier zu spielen."

Aber zunächst steht Argentinien an. "Miro hat noch mindestens ein, zwei Tore im Fuß - eins davon macht er gegen Argentinien. Da gewinnen wir 2:1", prophezeit Seeler. "Es wird kein einfaches Spiel, aber die haben mehr Angst vor uns als wir vor ihnen." Der Hamburger, der selbst in 72 Länderspielen 43 Tore erzielte, ist fest davon überzeugt, dass ihm "das Tor gegen England Mut geben wird für die nächsten Spiele". Das Endspiel natürlich inklusive.

Rangliste der Nationalmannschafts-Einsätze: 1. Lothar Matthäus 150 Länderspiele, 2. Jürgen Klinsmann 108, 3. Jürgen Kohler 105, 4. Franz Beckenbauer 103, 5. Joachim Streich 102 (DFV), 6. Thomas Häßler 101, 7. Hans-Jürgen Dörner 100 (DFV), Ulf Kirsten 100 (49 DFV/51 DFB), 8. Miroslav Klose 99, 9. Michael Ballack 98, 10. Berti Vogts 96.