Die Ausmaße der Zeremonie in Hannover erinnerten an ein Staatsbegräbnis. Es war eine emotionale und würdevolle Feier.

Hannover. "Ihr könnt Tränen vergießen, weil er gegangen ist. Oder ihr könnt lächeln, weil er gelebt hat. Ihr könnt die Augen schließen und beten, dass er wiederkehrt. Oder ihr könnt die Augen öffnen und all das sehen, was er hinterlassen hat."

Als Teresa Enke um 9.45 Uhr den Rasen des Stadions in Hannover betritt, herrscht atemlose Stille, obwohl bereits jetzt mehr als 10 000 Menschen auf ihren Plätzen sitzen. Die meisten in Schwarz, manche wenige mit dem roten 96er-Trikot. Genau auf dem Anstoßpunkt steht er, der schlichte, mit Rosen geschmückte Holzsarg mit den sterblichen Überresten von Robert Enke (gest. 32), umrahmt von 23 Kränzen und sanft beleuchtet von den Sonnenstrahlen. Am Pult kurz hinter der Außenlinie, wo später die Trauerredner stehen würden, hält Teresa Enke, gestützt von einer Freundin, inne. Schließlich geht sie mit langsamen Schritten über den Rasen auf ihre große Liebe zu. Plötzlich erheben sich die Menschen und fangen an zu klatschen. Lange. Laut. Als wollten sie den Schmerz der Frau, die ihren Ehemann verloren hat, mit dem tausendfachen Trost und Beileid lindern.

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Es waren Szenen wie diese, die diesen Tag zu einem der bewegendsten in der Geschichte des deutschen Fußballs machten. Wer die Trauerfeier für Robert Enke, der genau vor einer Woche noch gegen den HSV im Tor gestanden hatte, miterlebte, wird diesen Tag nicht mehr vergessen.

"Nur die Besten sterben jung."

"Er war nicht nur ein Idol, er war für viele ein Ideal", sagte Pastor Heinrich Plochg zu Beginn der Zeremonie vor 40 000 Zuhörern, die Abschied nehmen wollten. Warum so viele Menschen das Schicksal der Familie Enke berührt, erklärte Hannovers Präsident Martin Kind in seiner Rede mit wenigen Worten: "Er war einer von uns."

Es mochte auf den ersten Blick irritieren, warum Robert Enke, der am Ende den Druck der Öffentlichkeit nicht mehr ausgehalten hatte, diesen großen, letzten Auftritt erhielt. Als die deutschen Nationalspieler wenige Minuten vor der Fernsehübertragung mit Kapitän Michael Ballack und Per Mertesacker an der Spitze zum Sarg gingen, um ihrem Freund und Kollegen Adieu zu sagen, wünschte man sich einen Vorhang, um diese tränenreichen Momente privat zu lassen.

Doch es war der Wille von Teresa Enke, dass das Sterben ihres Mannes in die Zukunft hinein wirken solle. Und dass die Grenze zum (medialen) Spektakel nicht überschritten wurde und stattdessen ein würdevolles, öffentliches Trauerfest gelang, lag an den Reden von Niedersachsens Ministerpräsidenten Christian Wulff, Hannovers Bürgermeister Stephan Weil und vor allem an den berührenden Worten von Dr. Theo Zwanziger. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes sprach ohne Manuskript und erklärte, dass Fußball nicht alles sei, und ermahnte vor allem die Eltern, bei aller Jagd nach Höchstleistungen nicht die Vielfalt des Lebens in der Gemeinschaft zu vergessen und auch Zweifel und Schwäche zuzulassen. Ebenso wichtig, dass Zwanziger nicht vergaß, das dem Lokführer zugefügte Leid und den Einsatz von Feuerwehrkräften und Polizei herauszustellen.

Der DFB-Präsident forderte die Zuschauer auf, gegen das Böse aufzustehen, das Kartell von Tabuisierung und Verschweigen zu brechen und ein Bekenntnis zu Zivilcourage und Menschenwürde abzugeben. "Das würde Robert Enke gerecht." Bei diesen Worten standen die Zuschauer auf, spendeten großen Beifall.

"Du bist nicht mehr da, wo du warst, aber du bist überall, wo wir sind."

Neben der Kraft dieser Worte blieb aber genügend Raum für ..., nein, Beschreibungen sind hier unzureichend, ganz einfach Gefühle. "Alte Liebe" lautet die Hymne von Hannover 96, die von der 17-jährigen Alina Schmidt, nur von zwei Gitarren begleitet, vorgetragen wurde. "Manchmal geht es nicht so, wie man will, aber unsre Liebe steht deswegen noch nicht still. Tränen können fließen, doch in der größten Not rudern wir gemeinsam im roten Fußballboot", heißt es etwas kitschig in einer Strophe. Doch es war alles andere als das.

Nachdem Pastor Plochg das Vaterunser gesprochen hatte, wurde der Sarg zu den Klängen von "The Rose" und später "You'll Never Walk Alone" von seinen früheren Mitspielern Hanno Balitsch, Jiri Stajner, Steven Cherundolo, Altin Lala, Arnold Bruggink und einem Betreuer von Hannover 96 aus dem Stadion getragen, der Rest der Mannschaft stand Spalier. Ein letztes Mal erhoben sich die Menschen und spendeten ihrem Idol Applaus. Am Nachmittag wurde Enke dann nach einer Trauerfeier in der Kapelle des Klosters Mariensee bei strömendem Regen im Familienkreis auf dem Friedhof Empede neben seiner Tochter Lara (gest. 2) beigesetzt.

"Wir hoffen, dass es dir jetzt besser geht und du deine Tochter in den Armen halten kannst."

Still war es nach dem Ende der Trauerfeier. Schnell leerte sich das Stadion, die Sonne hatte sich längst hinter dichten Wolken versteckt. Die meisten Menschen drängte es nach Hause, die Bänke in der "Nordkurve", der Fankneipe direkt am Stadion, blieben weitgehend leer. Besonders Jugendliche verharrten am Bilder- und Lichtermeer und lasen auf Kondolenzblättern, was die anderen Fans Robert Enke auf seine letzte Reise mitgeben wollten (kursive Zitate in diesem Text) . Teresa Enke hatte diese Zeilen des tschechischen Schriftstellers und Staatsmannes Vaclav Havel gewählt:

"Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht."

Nein, ganz sicher, nichts wird mehr so sein wie vor diesem schrecklichen 10. November, als Enke beschloss, seinem Leben ein Ende zu setzen.