Real Madrid hat seinen Fans Superstar Cristiano Ronaldo präsentiert. Über 70.000 Fans feierten den Rekord-Neuzugang im Stadion Bernabéu.

Hamburg/Madrid. Der neue Herrscher hatte seinen Thron noch gar nicht bestiegen, da jubelte das begeisterte Volk seinem König schon zu. Zahlreiche Anhänger hatten sich eigens für den Festtag ein neues weißes Hemd übergestreift, dessen Rücken ein Name - sein Name - und die magische Nummer zehn zierte. Schon Stunden bevor Cristiano Ronaldo, der "rei do futebol" (auf Deutsch: König des Fußballs), tatsächlich gestern Abend die Bühne im Stadion Santiago Bernabéu betrat, hatten sich lange Schlangen gebildet: Der König unter den Königlichen wurde bei Real Madrid als teuerster Spieler aller Zeiten vorgestellt - und läutet damit ein neues Zeitalter im Weltfußball ein. Mehr als 50 Kamerateams, 800 Journalisten und rund 70 000 Fans warteten, dass der "beste Fußballer aller Zeiten" ("Daily Mail"), der für 94 Millionen Euro von Manchester United zu Real Madrid wechselt, sich seinen Untertanen präsentierte. 1,163 Millionen Trikots wollen die Königlichen von ihrem neuen Helden, der mit seinen gerade mal 24 Jahren bereits als lebende Legende bezeichnet wird, verkaufen. Und noch bevor der portugiesische Ballzauberer das erste Tor an seiner neuen Wirkungsstätte geschossen hat, ist eines längst klar: Nur um Fußball geht es in dieser Geschichte schon lange nicht mehr.



Dabei fing die Geschichte des Fußballers, der auszog, um die Welt zu erobern, ganz unspektakulär auf einem kleinen Bolzplatz in Camara de Lobo auf der portugiesischen Blumeninsel Madeira an. Dort entdeckte Sporting Lissabons damaliger Jugendtrainer Leonel Pontes vor 14 Jahren einen schmächtigen, etwas untersetzten Jungen, der etwas Besonderes zu haben schien. "Als ich Ronaldo bei einem Jugendturnier am Spielfeldrand entdeckte, wusste ich genau, dass es dieser Junge war. Keiner beherrschte den Ball wie er", erzählt Pontes, und seine Augen leuchten, als ob er von seinem Sohn erzählt (s. Interview).


Der ebenfalls auf Madeira geborene Fußballlehrer lotste den talentierten Jungen, der aus einfachen Verhältnissen in einem unscheinbaren Vorort der Inselhauptstadt Funchal kommt, nach Lissabon. Dort, 1000 Kilometer von der geliebten Heimat, seinen Eltern und seinen drei Geschwistern entfernt, sollte Ronaldo fortan das Sporting-Internat besuchen und davon träumen, ein ähnlich erfolgreicher Star wie sein Idol Luís Figo zu werden. "Selbst beim Tischfußball, Billard und Tischtennis wollte Cristiano unbedingt gewinnen", erinnert sich Pontes, den Ronaldo als Jugendlicher an trainingsfreien Tagen oft und gern zu Hause besuchte. "Und er gewann auch immer."


Drei nationale Meistertitel, vier Pokalsiege, jeweils eine Champions-League- und eine Weltpokal-Trophäe sowie unzählige persönliche Auszeichnungen als Portugals, Englands, Europas und als Weltfußballer des Jahres später ist aus dem Traum längst Realität geworden. Aus dem hochbegabten Portugiesen wurde zunächst in Lissabon, später in England ein so kompletter Spieler geformt, wie ihn die Welt zuvor noch nie gesehen hatte. Ronaldo ist robust und kantig, gleichzeitig aber auch schnell und wendig. Er ist explosiv und elegant, Vorbereiter und Vollstrecker.


Mit gerade einmal 18 Jahren wechselte Ronaldo zu Manchester United, wo sich Trainer Alex Ferguson seiner annahm. "In meinen Jahren bei Manchester erlebte ich viele gute Spieler. Aber was die Fähigkeiten und den Ideenreichtum betrifft, ist Cristiano der beste. Wie wir ihn heute sehen, entstand aus seinem Wunsch und aus seiner Entschlossenheit, der Beste zu werden", schwärmte Ferguson, der aus seinem Lieblingsschüler einen Fußballer schuf, der selbst Legenden wie Pelé, Diego Maradona und Franz Beckenbauer kurzzeitig vergessen lässt. "Er ist noch nicht so gut wie die Besten aller Zeiten, aber er wird es in Kürze sein", ist sich Entdecker Pontes sicher. Ronaldo aber will mehr. Der einst so schüchternde Junge, der in Lissabon von seinen Mitschülern wegen seines Inseldialekts gehänselt wurde und der unter entsetzlichem Heimweh litt, will nicht mehr nur ein Fußballstar sein - er will ein Weltstar, ein König der Massen sein. Längst wird über den "Außerirdischen" ("Stern") nicht mehr nur im Sportteil, sondern auch auf den Klatschseiten der Zeitungen berichtet. Die gemeinsamen Urlaubsfotos mit Partyluder Paris Hilton, das Gel in den Haaren, die Brillanten im Ohr - all das gehört mittlerweile genauso zu Ronaldo wie seine Übersteiger, seine Finten und seine gefürchteten Torschüsse. CR7 - Ronaldos Initialen und seine letzte Rückennummer - sind längst zu einer globalen Marke geworden. Nicht einmal David Beckham, der sich bis 2007 ebenfalls im Trikot von Real Madrid versuchte, gelang der Doppelpass zwischen Glamour und Fußball so perfekt wie diesem "Wunderkind des Fußballs" ("Der Spiegel").


Eine derartige Kombination hat ihren Preis. 13 Millionen Euro wird dem portugiesischen Nationalspieler pro Jahr von Real, das laut spanischen Medienberichten die Ablösesumme auf eine Milliarde Euro festschreiben lässt, überwiesen. "Große Fußballer kosten viel Geld. Wenn man sie haben will, muss man dafür zahlen", kommentiert Ronaldo die Unsummen mit der für ihn typischen Mischung aus Selbstbewusstsein und Arroganz.


Zu seinem üppigen Gehalt kommt in etwa noch einmal die gleiche Summe von seinen Sponsoren. Der Sportartikelhersteller Nike lässt sich Ronaldos Konterfei in den kommenden fünf Jahren 28 Millionen Euro kosten, die spanische Bank BES und die Supermarktkette Modelo zahlen jeweils 1,5 Millionen Euro. Auch Nesquik und Nintendo werben mit dem Superstar, der nach dem früheren Schauspieler und ehemaligen US-Präsidenten Ronald Reagan benannt wurde - und nun selbst als Namensvorlage dient. So wurden nach Angaben der portugiesischen Fußballzeitung "O Jogo" in den vergangenen vier Jahren allein in Portugal 56 Neugeborene auf den Namen Cristiano Ronaldo getauft.


Anders als die 56 Mini-Ronaldos kann und konnte der Portugiese nie das Leben eines "normalen Jugendlichen" führen. So gab es in den vergangenen Wochen erneut Schlagzeilen, in denen über angebliche Handgreiflichkeiten Ronaldos berichtet wurde. Einem hartnäckigen Real-Madrid-Fan soll er in Lissabon die Autoscheibe eingetreten haben, weil er sich beim Einkaufsbummel mit seiner Mutter Maria Dolores dos Santos Aveiro gestört fühlte. In Manchester hatte er sich eine festungsartige Villa mit Schwimmbad und Kino gebaut, die er lediglich zum Fußballspielen, für Werbetermine oder Partys mit den Reichen und Schönen verließ. Von 80 000 Liebesabenteuern ist in englischen Boulevardzeitungen die Rede. "Eigentlich ist Cristiano ein ganz anderer. Er meint das alles gar nicht so", sagt dagegen seine Mutter, der er einen Bungalow mit Meerblick auf seiner Heimatinsel Madeira gekauft hat.


Dass ein Fußballerleben genauso wenig wie das Glamourleben eine Einbahnstraße des Glücks ist, hat der offensive Mittelfeldmann spätestens nach der WM 2006 zu spüren bekommen, als er im Viertelfinale gegen England den Schiedsrichter aufforderte, seinen Gegenspieler Wayne Rooney nach einem Foul vom Platz zu werfen. Eine Geste, die im Mutterland des Fußballs für einen Aufschrei der Empörung sorgte. Die Zeitung "Sun" druckte Ronaldos Gesicht als Dartscheibe, er selbst erhielt Morddrohungen von aufgebrachten Fans.


Und obwohl Ronaldo mit 33,6 km/h der schnellste Spieler der Premier League war, entschied er sich nach reiflichem Überlegen und viel gutem Zureden von Trainer Ferguson, nicht einfach so aus Manchester wegzulaufen. Sosehr er schon damals zu Real Madrid wollte, so wenig wollte er als Feigling aus England fliehen.


Inzwischen hat Ronaldo mit United noch zweimal die Meisterschaft und einmal die Champions League gewonnen. Von den englischen Fans wird er zwar nicht geliebt, aber zumindest wieder respektiert. Wirklich geliebt werden will er nun bei den Königlichen, wie sich Real nennt - ob als Fußballer oder Popstar, ist ihm egal. Hoch lebe der König!