Der frühere Hamburger Horst Hrubesch sorgte in Schweden mit Humor und Härte für den größten Erfolg in der DFB-Nachwuchsarbeit überhaupt.

Malmö. Vor dem mittlerweile unbeleuchteten Eingang 29 des Fußballstadions von Malmö zeichnete sich die Silhouette eines Mannes ab, der keinen Champagner mehr wollte. Zumindest nicht in seinen Haaren. Horst Hrubesch war vor der Fröhlichkeit davongelaufen. Das weiße Handtuch hing dem Juniorenbundestrainer noch um den Hals, mit dem er seinen Kopf halbwegs trocken gewischt hatte, gebadet in Champagner von seinen am Sieg berauschten Fußballern. Er brauchte jetzt eine Zigarette. So stand er da, ein Glimmen in der Nacht, und sah Schwierigkeiten für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) voraus: "Du glaubst doch nicht, dass irgendjemand die Spieler jetzt zum Bankett kriegt." Er blies den Rauch aus. "Die sind überhaupt nur unters Wasser, weil ich mich vor ihnen aufgebaut habe: ,Duschen! Jetzt!'"

Mit Humor und Härte zugleich hat Horst Hrubesch die multikulturelle U-21-Auswahl, die vornehmlich aus Spielern mit Migrationshintergrund besteht, nicht nur in die Duschen, sondern zuvor zum Europameistertitel getrieben. Der hemmungslose 4:0-Sieg über England am Montag im Finale der EM in Schweden bescherte dem DFB den ersten Titel überhaupt in dieser Altersklasse. Vor einem Jahr eroberte Hrubesch schon die erste Trophäe der Deutschen im Nachwuchsbereich seit 16 Jahren, den EM-Sieg mit der U 19. Plötzlich erscheint Horst Hrubesch, einst Fliesenleger mit Zementallergie, dann Kopfballungeheuer des HSV und Angelbuchautor, mit 58 als Paradetrainer.

Tatsächlich ist er das unerwartete Symbol des neuen deutschen Jugendglücks. Hrubesch, zuvor als Vereinstrainer von Essen bis Dresden mit - milde gesagt - mäßigem Erfolg gesegnet, galt als Inbegriff der Stagnation beim DFB-Nachwuchs um 2000. Selbst DFB-Sportdirektor Matthias Sammer gibt heute indirekt zu, dass er an Hrubesch als einen der Ersten dachte, als er 2005 das Amt antrat und glaubte, die jeweiligen Verantwortlichen wechseln zu müssen. Alle Trainer im Juniorenbereich tauschte Sammer dann aus - bis auf Hrubesch.

"Ich habe erst seinen Charakter und seine Methoden kennenlernen müssen", sagt Sammer. Ihm ging es wie den meisten, die Hrubesch begegnen. Zunächst ist man überrascht, dann begeistert. Seine Leidenschaft für dieses Spiel ist einnehmend. Er ist lebendig, unverstellt, und ein begabter Erzähler. Nie sagt er einfach: "Gestern hatten wir ein schlechtes Spiel." Sondern er fing etwa nach dem 2:0 gegen Finnland in der Vorrunde an: "Ich habe mir noch mal das Video angeschaut. In unserem Spiel ging nach vorne ja gar nichts. Ich habe mit meinen Assistenten darüber diskutiert, aber das Spiel wurde nicht besser. Dann war es halb drei und ich habe gesagt: 'Jetzt haben wir das schlechte Spiel hinter uns - und gute Nacht.'"

Mit Humor schuf er in Schweden ein Teamgefühl, mit Härte ein intensives Arbeitsklima. Es entstand eine Elf, die ihre Jugend nie ablegte, die Fehler machte, aber mit Vehemenz über die Mängel hinwegspielte. "Er war nicht nur ein Trainer, sondern ein Freund", sagt Torwart Manuel Neuer, "der uns anschnauzte und dann sofort wieder aus dem Dreck zog." Wobei er es mit Sandro Wagner, dem Stürmer aus Duisburg, wohl etwas übertrieb. Angreifern verzeiht ein früherer Weltklassestürmer wenig. Wagner hatte im Finale zwei Tore gemacht, und Hrubesch langte ihm danach ins Gesicht, dass es einer Ohrfeige nahe kam. "Der Wagner!", konnte sich Hrubesch, gerade Europameister geworden, über eine vermasselte Chance aufregen.

Es gibt geschicktere taktische Händchen als die von Hrubesch, ältere Profis würden seine ehrlichen Ausbrüche vielleicht schwer ertragen; über eine Vereinssaison könnten ihm diese Mankos die Arbeitsbasis rauben. Es spielt keine Rolle. Horst Hrubesch hat seine Berufung gefunden - und der deutsche Fußball seinen erstaunlichsten Trainerhelden. "Der Hrubesch ist rustikal, heißt es immer", sagt er, "und da sage ich Ihnen: Na klar! Das werde ich auch immer bleiben. Ich bin der Hrubesch. So ist das."