Hamburg. Erstmals spricht Freezers-Kapitän Christoph Schubert über sein Retterprojekt, das Aus des Eishockeyclubs und seine Zukunftspläne.

Für Lenni Schubert war der Freitagmorgen wie eine Reise ins Schlaraffenland. Auf dem Tisch des Restaurants „Die Pampi“ in Eimsbüttel standen frische Croissants, Vanilletörtchen, Spiegeleier und Nutella, der Spielplatz auf der gegenüberliegenden Straßenseite wurde mit Onkel Lasse unsicher gemacht, und wenn es doch mal langweilig wurde, hatte der plietsche Knirps ja noch seinen Spielzeugkran. Nur dass sein Papa Christoph von Journalisten und Kamerateams umringt wurde, war Lenni nicht ganz geheuer. „Es ist unglaublich, wie ein fast Dreijähriger spürt, dass etwas nicht stimmt. Für ihn tut es mir so leid. Es war das Größte für ihn, wenn er nach den Spielen auf das Eis durfte. Ihm zu sagen, dass es vorbei ist, wird noch einmal richtig hart. Für den Kurzen waren die Hamburg Freezers alles“, sagte der sichtlich bewegte Freezers-Kapitän.

Tage voller Enttäuschung, Wut und Tränen liegen hinter dem 34-Jährigen. In einer beispiellosen Retter-Aktion versuchte der langjährige Nationalspieler seinen Club vor dem Aus zu bewahren, generierte mit seinem Helferteam um Hockey-Nationalspieler Moritz Fürste 1,2 Millionen Euro. Vergebens: Als am Dienstagabend um kurz nach 23 Uhr die SMS von Geschäftsführer Uwe Frommhold auf Schuberts Handy aufleuchtete, in der dieser mitteilte, dass Freezers-Eigner Anschutz Entertainment Group (AEG) definitiv keine Lizenz für die Saison 2016/17 in der Deutschen Eishockey-Liga beantragen würde, brach für Schubert eine Welt zusammen. „Das Warten war der absolute Horror“, sagte er: „Als ich hörte, dass es zu Ende ist, war ich am Boden zerstört und habe mich erst mal zurückgezogen. Wenn ich vor Wut ein Zimmer zerlegt hätte, hätte ich Ärger mit meiner Frau bekommen, und auch mein kleiner Mann hätte gefragt, ob ich noch alle habe“, sagte Schubert, der drei Tage nach der Entscheidung noch emotional, aber auch aufgeräumt und klar in seinen Gedanken wirkt.

Wut auf den US-Konzern, der offensichtlich nie vorhatte, die Freezers zu retten, verspürt er nicht. „Es ist mehr Enttäuschung. Ich kenne die Leute von AEG nicht, hatte nie direkten Kontakt zu ihnen. Daher ist Wut das falsche Wort“, sagte Schubert, der schon wieder ab und an sein schelmisches Grinsen aufblitzen ließ. „Wir haben alles richtig gemacht und für die Stadt und unsere Fans sechs Tage lang rund um die Uhr gekämpft. Das macht uns stolz.“

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Vor allem der Rückblick auf die ungewöhnliche Investorensuche sorgt bei Schubert noch immer für Kopfschütteln. „Am Anfang wurde ich schon komisch angeschaut, als ich meinte: Ich bin Schuby von den Freezers, ich brauche Geld und muss den Chef sprechen“, sagte Schubert: „Ich war nervös und habe gehofft, dass mich der Sicherheitsdienst nicht rauswirft. Aber am Ende war es eher so, dass die Antwort auf meine Ansprache war: ,Ach, Herr Schubert, es ist eine Ehre, dass Sie mich auch anrufen.’ Ich fragte dann, woher man mich kenne, und es hieß: ,Wer kennt Sie nicht?’ Das war abgefahren“, sagte Schubert, der in den vergangenen Tagen zu einem der bekanntesten Menschen dieser Stadt wurde.

Dabei ist er jemand, der selten aktiv das Rampenlicht gesucht hat; einer, der sich ungern in der Öffentlichkeit inszeniert. Dass er für die Freezers-Fans zur lebenden Legende geworden ist und nun Kultstatus hat, ist ihm ein wenig unangenehm. „Das löst in mir nix aus. Ich bleibe der Christoph Schubert, Ehemann, Vater und Eishockeyspieler. Vielleicht kennen mich zwei, drei Menschen mehr, aber es verändert mich nicht“, sagte Schubert, der in den vergangenen sieben Tagen eine noch intensivere Bindung zu Hamburg aufgebaut hat. Stolzer Bayer wird er zwar immer bleiben, aber „ich fühle mich der Stadt näher als je zuvor. Es ist ein stolzes Gefühl, wenn man in sechs Tagen so viel erreicht hat. Hamburg ist meine Heimat, die Beziehung ist viel enger geworden“, sagte Schubert nach der „schwersten Niederlage meiner Laufbahn“.

Nun ist der charismatische Abwehrspieler bekannt dafür, wieder aufzustehen, wenn er am Boden liegt. Aufgeben war seine Sache nie. Ab Montag will sich Schubert um seine persönliche Zukunft kümmern. Fest steht, dass der Lebensmittelpunkt der Familie in Hamburg bleiben wird. Ehefrau Janina hat gerade einen neuen Job angenommen, Schwiegereltern und Freundeskreis kommen aus der Hansestadt und Umgebung. Dass der nächste berufliche Schritt hier erfolgen kann, ist zumindest nicht undenkbar. Die Crocodiles Hamburg wollen dem ehemaligen NHL-Profi ein Angebot machen. Ein Modell könnte sein, dass Schubert in dem Oberligateam seine Karriere ausklingen lässt und daran mitarbeitet, langfristig wieder Profi-Eishockey in Hamburg zu etablieren.

Es gibt Unternehmen und Unterstützer, die an einem Neuaufbau mitwirken würden. Die Retteraktion des Freezers-Kapitäns hat in der Stadt die Sinne für das Eishockey neu geschärft. Und Schubert könnte der Leuchtturm sein, der all das mit seiner Popularität und seiner Identifikationskraft vorantreibt. Auch wenn die Pläne noch in den Kinderschuhen stecken, so wäre die Motivation für einen Neustart klar: Die AEG darf nicht dafür sorgen, dass der Sport, den sie in Hamburg mit 50 Millionen Euro subventioniert hat, nun vor die Hunde geht. „Ich wollte mir noch gar keine Gedanken über meine Zukunft machen. Dafür sitzt der Schmerz noch tief. Es gibt Anfragen, und ich stehe mit meinem Agenten in Kontakt. Meine Frau und ich werden zeitnah klären, wie es weitergeht“, sagte Schubert. Und dann müssen sie das noch ihrem Sohn erklären.