Anfang November startet der Deutschland-Cup im Eishockey. Dabei spielen sechs Kanadier aus dem Team der Hamburg Freezers für ihr Land – und stellen damit einen Großteil der Nationalmannschaft.

Duvie Westcott erinnert sich noch ganz genau, wie er in seiner Heimatstadt Winnipeg mit seinen Eltern gebannt auf dem Sofa vor dem alten Röhrenfernseher saß und die kanadische Eishockeynationalmannschaft bestaunte. Egal ob Olympische Winterspiele oder Weltmeisterschaften: Wenn das Team mit dem Ahornblatt auf der Brust spielte, stand ein ganzes Land still.

Kaum war die Übertragung beendet, schnappte sich der Abwehrspieler der Hamburg Freezers seine Schlittschuhe und jagte auf den zugefrorenen Seen der Region Manitoba dem Puck hinterher, spielte Szenen seiner Idole nach, und träumte davon, wie es wohl sein würde, einer dieser auserwählten Spieler zu sein, die von den knapp 35 Millionen Einwohnern des Landes bejubelt werden.

Kanadier sagen scherzhaft über sich selbst, dass sie für Eishockey leben und die Herzen, die in der Brust schlagen, die Form eines Pucks haben. 721.504 aktive Spieler sind beim internatonalen Weltverband IIHF registriert. 2631 Eishallen gibt es über das Land verteilt, weitere 5000 Outdoor-Eisflächen sorgen dafür, dass Kanada ohne jeden Zweifel das Mutterland des Eishockeys ist. Zum Vergleich: In Deutschland spielen bei knapp 83 Millionen Einwohnern lediglich 29.371 Spieler in 202 Hallen und 45 Außenflächen.

„Eishockey ist in Kanada wie Fußball in Deutschland“

„Eishockey ist bei uns wie Fußball hier in Deutschland. Die Nationalmannschaft ist der Stolz unseres Landes. Jedes Kind würde alles dafür geben, einmal sein Land bei einem großen Turnier repräsentieren zu dürfen“, sagt Westcott, der als Kind Mario Lemieux und Wayne Gretzky, den wohl besten Eishockey-Spieler aller Zeiten, zu seinen Idolen zählte.

Am 7. November nun spielt er mal wieder für sein Land. Westcott, 37, feiert beim Deutschland-Cup in München gegen die Slowakei sein Comeback für „Team Canada“. Zuletzt spielte der Routinier 2010 beim Spengler-Cup in der Nationalmannschaft. „Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen. Als die Einladung kam, war ich total perplex. Ich bin ziemlich textsicher, was die Nationalhymne angeht. Aber zur Sicherheit schaue ich noch mal nach“, scherzt Westcott und summt die ersten Noten von „O Canada“.

Zu Schulzeiten, so erinnert sich der Abwehrspieler, wurde die Hymne vor Beginn eines jeden Schultages gespielt. „Es gibt eine Version, die halb in Englisch und halb in Französisch gespielt wird. Ich hoffe, es kommt nur die rein englische zum Einsatz.“

Freezers stellen Großteil der kanadischen Nationalmannschaft

Noch nie stellten die Freezers so viele Spieler für eine kanadische Nationalmannschaft. Neben Westcott wurden auch Torhüter Sébastien Caron, die Abwehrspieler Mathieu Roy und Brett Festerling sowie die Stürmer Matt Pettinger und Kevin Clark nominiert. Der Club aus der Deutschen Eishockey-Liga stellt das größte Kontingent im 22 Mann umfassenden Kader. „Das ist ein ziemlich cooles Turnier. Ich war bereits vor zwei Jahren dabei. Die besten Kanadier, die in Europa spielen, kommen zusammen. Das bringt immer richtig viel Spaß“, sagt Pettinger.

Den Verantwortlichen des kanadischen Verbands ist nicht verborgen geblieben, dass die Freezers auch dank ihrer kanadischen Importspieler den Sprung vom letzten Tabellenplatz ins obere Tabellendrittel geschafft haben. Der überragend haltende Torhüter Caron feierte unlängst beim 5:0 gegen Augsburg seinen ersten Shutout, also einen Sieg ohne Gegentor in der laufenden Saison. Und Neuzugang Kevin Clark vollbrachte vor einer Woche bei der 8:1-Gala gegen Nürnberg das Kunststück, als erster Spieler in der zwölf Jahre andauernden Historie der Freezers, vier Treffer in einem Spiel zu erzielen. Innerhalb kürzester Zeit avancierte der 26 Jahre alte Torjäger zum Publikumsliebling.

„Es ist natürlich eine Auszeichnung für unsere Arbeit. Die nominierten Spieler sind absolute Leistungsträger bei uns im Club. Ich hoffe aber, sie bekommen nicht zu viel Eiszeit, damit sie nicht erschöpft zu uns zurückkehren“, sagt Freezers-Sportchef Stéphane Richer und fügt mit einem Augenzwinkern an: „Ich kenne den Co-Trainer von Team Canada ziemlich gut. Mit dem muss ich noch mal in Ruhe reden“, lacht Richer.

Kanada spielt am 9. November gegen Deutschland

Der vom Frankokanadier angesprochene Assistenztrainer ist Serge Aubin. Der 39-Jährige, der seit dem 27. September Cheftrainer bei den Freezers ist, wurde vom kanadischen Verband nominiert, um Jeff Tomlinson von den Eisbären Berlin beim Coachen zu unterstützen. Auch der dritte Mann im Trainerstab arbeitet im Liga-Alltag in Deutschland. Mike Stewart hat auch eine indirekte Verbindung zu Hamburg. Der 42-Jährige steht bei den Fischtown Pinguins Bremerhaven, dem Kooperationspartner der Freezers, hinter der Bande.

Aubin weiß, wie es sich anfühlt, sein Land zu repräsentieren. Als aktiver Spieler vertrat der ehemalige Stürmer Kanada zweimal beim Spengler-Cup, einem der prestigeträchtigsten Turniere im Welt-Eishockey. „Was in den letzten Wochen in meinem Berufsleben passiert ist, muss ich erst einmal alles verdauen. Dass ich jetzt auch noch Co-Trainer für Kanada beim Deutschland-Cup bin, macht mich stolz, glücklich aber auch demütig“, sagt Aubin, der in Val-d’Or, einem kleinen Ort in Quebec das Licht der Welt erblickte.

Ohne Demut, dafür aber mit viel Ehrgeiz will das kanadische Sextett der Freezers am 9. November gegen die deutsche Nationalmannschaft antreten. Mit den Offensivspielern Jerome Flaake und Thomas Oppenheimer warten zwei Hamburger Teamkollegen als Gegner. „Die beiden werden gegen unser kanadisches Bollwerk nicht treffen. Da bin ich mir schon ziemlich sicher. Ich muss aber zugeben, dass ich lieber mit Jerome und Thomas zusammen spiele, als gegen sie. Die beiden sind absolute Topspieler“, sagt Westcott.