Freezers-Verteidiger Sam Klassen macht fehlendes Talent mit Willen wett - auch am Freitagabend in Iserlohn? Der 25-Jährige spielte zuletzt in der drittklassigen East Coast Hockey League.

Hamburg. Das konnte doch wieder nur einer dieser Scherze für Neuzugänge sein. Dachte Sam Klassen, als die Teamkollegen ihn vor zwei Wochen nach dem 3:1-Sieg gegen Wolfsburg drängten, die Schlittschuhe wieder anzuziehen. Man müsse zurück aufs Eis, um mit den Fans den ersten Saisonerfolg zu feiern, sagten sie. „Ich hatte so etwas noch nie erlebt, deshalb wollte ich es zunächst nicht glauben,“ sagt er.

Sam Klassen hat viele neue Dinge gelernt, seit er Anfang August zu den Hamburg Freezers gewechselt ist. Der 25-Jährige, der zuletzt in der drittklassigen East Coast Hockey League für die Greenville Road Warriors aufgelaufen war, hatte es satt, innerhalb einer Saison mehrfach von einem Team zum nächsten gereicht zu werden.

Er wollte mehr Planungssicherheit und nicht mehr mindestens 60 Prozent eines Jahres von Ehefrau Jaylin, 22, und Töchterchen Avalie,viereinhalb Monate getrennt zu sein. „Es ist nicht schön, wenn man nicht weiß, wo man in der nächsten Woche sein wird. Familienleben stelle ich mir anders vor“, sagt der Kanadier. Und so lehnte er einen neuen Kontrakt bei Hartford Wolf Pack in der zweitklassigen American Hockey League (AHL) ab – und stürzte sich in sein persönliches Europa-Abenteuer, das ihn an diesem Wochenende erstmals nach Iserlohn (Fr., 19.30 Uhr) und Straubing (So., 16.30 Uhr) führt.

Dass er Deutschland und die Hamburg Freezers als Ziel wählte, basiert auf zwei Zufällen. Freezers-Torwarttrainer Vincent Riendeau entdeckte den 185 cm großen Abwehrspieler quasi nebenbei, als er in der AHL auf Scoutingtour war. Als die Freezers dann ihre Offerte vorlegten, erinnerte sich Klassen seiner deutschen Wurzeln väterlicherseits – und konnte erfolgreich einen deutschen Pass beantragen, der ihn für die Hamburger noch interessanter machte, weil er so keine der elf Ausländerkontingentstellen beanspruchte.

In jedem Training an die Grenze


„Die Freezers dachten, sie kriegen einen Verteidiger aus einer unteren Liga. Das hat mir geholfen, um positiv aufzufallen. Außerdem hat mir, so blöd das klingt, auch geholfen, dass wir so viele Verletzte hatten. Dadurch habe ich viel Eiszeit bekommen und konnte mich schnell einfinden und beweisen“, sagt er. Tatsächlich kürte der damalige Cheftrainer Benoît Laporte Klassen zur größten Überraschung der Vorbereitung. Aber auch Nachfolger Serge Aubin hält große Stücke auf den Mann mit der Rückennummer drei.

Der ist längst überzeugt davon,dass der Schritt nach Hamburg richtig war. Mit seiner Arbeitsmoral, in jedem Training an seine Grenzen zu gehen und auch die Gegenspieler nie zu schonen, hat er sich Respekt verschafft. Gelehrt habe ihn das sein Vater, der in Watrous in der Provinz Sasketchewan eine Vieh- und Getreidefarm betreibt. „Schon als Kind habe ich gelernt, dass man mit harter Arbeit alles schaffen kann“, sagt Klassen, der fehlendes Talent durch enormen Einsatzwillen wettmacht.

In Hamburg gehen seine Ehefrau und er mit offenen Augen und großem Interesse für deutsche Kultur und Sprache durch ihr neues Leben. Sie genießen den Kontrast der Millionenstadt zu der 2000-Seelen-Gemeinde, aus der Klassen stammt. Im Auswanderermuseum BallinStadt verfolgten sie die Spuren des Urgroßvaters, der einst von Hamburg aus nach Nordamerika auswanderte. Bei den Freezers hat Klassen einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Einerseits, weil er noch nie einen so langfristig angelegten Kontrakt besessen hat; andererseits, weil er es satt hat, immer nur der Neue zu sein, mit dem man Scherze treibt.