Wien/Hamburg. Fünf Tage nach seinem größten Triumph verkündet Weltmeister Nico Rosberg den Rückzug aus dem Rennzirkus.

Das ist ein echter Motorsport-Hammer: Weltmeister Nico Rosberg beendet mit sofortiger Wirkung seine Formel-1-Karriere. Das teilte der 31-jährige Mercedes-Pilot am Freitag und damit nur fünf Tage nach seinem Triumph von Abu Dhabi mit. "Ich habe den Berg erklommen, ich bin an der Spitze angekommen und es fühlt sich richtig an“, erklärte der gebürtige Wiesbadener.

Am Sonntag hatte Rosberg mit einem zweiten Platz beim letzten Saisonrennen hinter Teamkollege Lewis Hamilton den ersten WM-Titel seiner Karriere gewonnen. Es war gleichzeitig der dritte Weltmeisterschaftsieg für einen deutschen Fahrer nach Michael Schumacher und Sebastian Vettel. Sein erstes Rennen in der Formel 1 hatte Rosberg am 12. März 2006 in Bahrain absolviert.

Rosberg sprach noch von Titel-Ehrgeiz

Noch unmittelbar nach seinem WM-Sieg hatte Rosberg weitere Großtaten angekündigt. "Wer einen Titel hat, der will mehr", sagte der Champion. Sein Vater, selbst Weltmeister von 1982, fügte an: "Ein glücklicher Mann kann mehr leisten als ein unglücklicher Mann."

Und auch Formel-1-Legende Niki Lauda, Aufsichtsratschef des Mercedes-Teams und dreimaliger Weltmeister, rechnete weiter mit Rosberg: "Die erste Weltmeisterschaft ist die schwierigste. Die nächste kommt einfacher. Nico ist aus Weltmeisterholz geschnitzt."

Hamilton bedauert Rosbergs Schritt

Nico Rosberg (l.) und Lewis Hamilton nach dem Rennen in Abu Dhabi
Nico Rosberg (l.) und Lewis Hamilton nach dem Rennen in Abu Dhabi © Witters

Lewis Hamilton regierte indes mit Bedauern auf den Rücktritt seines Stallrivalen. "Es wird sehr, sehr merkwürdig und es wird traurig, ihn nächstes Jahr nicht im Team zu haben“, sagte der dreimalige Weltmeister dem Fachmagazin „Autosport“ am Freitag in Wien bei der Saisonabschluss-Gala des Motorsport-Weltverbands FIA. "Der Sport wird ihn vermissen und ich wünsche ihm nur das Beste.“

Hamilton und Rosberg waren in ihrer Kindheit Kart-Kumpel, seit 2013 fuhren sie gemeinsam in der Formel 1 für Mercedes. Zuletzt wurde ihr Verhältnis immer angespannter.

"Nico ist ein wahrer Champion"

Fia-Präsident Jean Todt hebt den Mut Rosbergs hervor. „Ich war sehr überrascht so wie jeder, aber Nico hat über das gesamte Jahr bewiesen, dass er ungeheuer mutig ist. Ich denke, er hat fünf oder sechs der härtesten Runden seines Lebens im letzten Rennen der Weltmeisterschaft absolviert. Ich bin sehr stolz auf Nico, er ist ein wahrer Champion.“

So ausgelassen feiert Rosberg seinen ersten WM-Titel:

Unterdessen laufen die Spekulationen heiß, wer Rosbergs Nachfolger werden könnte. Der Rücktritt des Champions hat selbst Lauda, der "sonst immer alle Optionen durchdenkt", völlig auf dem falschen Fuß erwischt. "Nicos Lücke zu schließen, ist unmöglich. Eine Katastrophe ist das aber nicht. Wir werden nun einen Neubeginn mit einem neuen Fahrer starten", sagte er bei Sky. "Wer es wird, müssen wir vor Weihnachten entscheiden."

Wehrlein hat beste Chancen auf Rosberg-Nachfolge

Kursierende Namen wollte der Aufsichtsratsvorsitzende des Rennstalls noch nicht kommentieren. Es gebe "keinen Plan B" - doch es gibt einige Optionen. Pascal Wehrlein, 22, ein Mercedes-Zögling von Jugendtagen an und zuletzt bei Manor, hat noch kein Cockpit für die kommende Saison. Er wäre die logische Wahl: Jung, talentiert, dem schwierigen Lewis Hamilton dennoch (zunächst) klar untergeordnet.

Wehrlein wurde zuletzt im Kampf um ein Force-India-Cockpit für 2017 von seinem französischen Manor-Kollegen Esteban Ocon (Frankreich) ausgestochen. Das könnte sich nachträglich als Glücksfall erweisen. Andererseits wäre der noch mal zwei Jahre jüngere Ocon auch bei Mercedes denkbar, sofern eine Lösung mit Force India gefunden wird.

Wehrlein zeigte sich zuletzt optimistisch. Er sei in Sachen Arbeitgebersuche "ziemlich entspannt", sagte er vor dem Saisonfinale in Abu Dhabi. Da sah es noch danach aus, als seien nur Plätze bei Manor (2) und Sauber (1) vakant. Nun könnte Rosbergs Rücktritt das gesamte System in Schwung bringen.

Hamilton setzt auf "den Richtigen"

"Für das Team ist es unerwartet, aber auch aufregend", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. "Wir stehen vor der Herausforderung, dass vor uns nun die neuen technischen Regularien liegen und wir vor der Saison ein freies Cockpit haben." Mercedes werde sich "die notwendige Zeit nehmen und alle Varianten prüfen, um den richtigen Weg für die Zukunft einzuschlagen".

Mit wem? Valtteri Bottas (27/Finnland) vom Williams-Rennstall wurde zuletzt eigentlich immer genannt, wenn es um die Besetzung der Top-Cockpits ging. Sergio Perez (26/Mexiko) fährt für Force India – und dort mit Mercedes-Motoren. Bisher ist der Plan, dass er bleibt.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von X, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Fernando Alonso, Champion von 2005 und 2006, besitzt bei McLaren einen Vertrag für die kommende Saison. Das ließe sich vielleicht regeln, aber der Spanier und der dreimalige Weltmeister Lewis Hamilton können sich seit ihrer gemeinsamen Zeit bei McLaren nicht riechen. Auch Sebastian Vettel (Ferrari) und Shootingstar Max Verstappen (Red Bull) sind vertraglich gebunden. "Wir haben gute Teamchefs, ich bin sicher sie werden den Richtigen auswählen", sagte Hamilton.

In Ruhe. "Das kann man jetzt nicht über Nacht entscheiden", sagte Lauda bei n-tv: "Wir müssen jetzt prüfen, was die beste Fahrerkombination ist." Gemeinsam mit Wolff geht er in den nächsten Tagen in Klausur. Es gibt viel zu besprechen – und die Weihnachtsgeschenke müssen warten.

Erster Weltmeister-Rücktritt seit Prost

Nico Rosberg beendet als erster amtierender Formel-1-Weltmeister seit Alain Prost 1993 seine Karriere. Der Franzose hatte damals der Königsklasse nach seinem vierten Titelgewinn den Rücken gekehrt. Der heute 61 Jahre alte Prost teilte seinen Entschluss im Gegensatz zu Rosberg aber schon drei Rennen vor dem Saisonende mit.

Michael Schumacher (47), mit sieben Titeln Rekordweltmeister, machte 2012 Schluss – acht Jahre nach seinem letzten WM-Sieg. Sebastian Vettel (29), Champion von 2010 bis 2013, ist noch heute unterwegs.

"Ich bin nicht mehr bereit, auf diese Art und Weise zu attackieren – tagein, tagaus. Ich möchte hiermit stoppen und folge meinem Herzen. Es fühlt sich total richtig an", erklärte Rosberg.

Hier ist Rosbergs komplette Rücktritts-Erklärung, die der Rennfahrer auf Facebook veröffentlichte:

"Seit 25 Jahren im Rennsport war es immer mein Traum, mein einziges, großes Ziel, Formel-1-Weltmeister zu werden. Ich musste viel dafür opfern, aber trotz all dieser harten Arbeit, dieser Schmerzen, und dem ganzen Verzicht war dies immer mein Ziel geblieben. Und jetzt ist es soweit, ich habe den Berg erklommen, ich bin an der Spitze angekommen, und es fühlt sich richtig an. Ich fühle eine tiefe Dankbarkeit für alle, die mich auf dem Weg zu diesem Titel unterstützt haben und es somit möglich gemacht haben.

Ich kann euch sagen, diese Saison war verdammt hart. Nach den großen Enttäuschungen der letzten zwei Jahre habe ich wie verrückt alles gegeben, habe jeden Stein umgedreht und nichts unversucht gelassen; diese Enttäuschungen waren der Antriebe auf ein neues Level. Ein Level, was ich bisher noch nicht erreicht hatte. Und natürlich hatte dies auch einen Einfluss auf meine Familie, die ich sehr liebe – es war ein riesiger Aufwand für uns.

Wir haben auf viele Dinge verzichtet für das eine große Ziel, alles wurde ihm untergeordnet. Ich kann meiner Frau Vivian nicht genug dafür danken. Sie war unglaublich. Sie hat verstanden, dass dieses Jahr unsere große Chance war, endlich zuzuschlagen. Sie hat mir darum alles wegorganisiert, und hat mir zwischen den Rennen möglichst viel Raum zur Erholung gegeben. Sie hat z.B. all die Nächte mit unserer kleinen Tochter übernommen. Überall stand die Weltmeisterschaft an erster Stelle in meinem Leben.

Als ich in Suzuka das Rennen gewann, war der Titel von da ab in meinen Händen. Der Druck war gestiegen und ich habe begonnen, darüber nachzudenken, den Rennsport als Weltmeister aufzugeben. Am Sonntagmorgen in Abu Dhabi, da wusste ich, dies hier könnte dein letztes Rennen sein. Und es fühlte sich alles plötzlich so klar und richtig an vor dem Start. Ich wollte jede Sekunde genießen vor dem Hintergrund, dass dieses Rennen mein letztes sein könnte ... und dann sind die Lichter der Start-Ampel ausgegangen und es wurde das intensivste Rennen meiner Karriere. Am Montagabend habe ich mich dann endgültig zu diesem Schritt entschieden. Nachdem ich den Tag über erneut abgewägt hatte, waren die ersten Menschen, denen ich meine Entscheidung mitgeteilt hatte Vivian und Georg (Nolte, von Nicos Management-Team), danach dann Toto (Wolff, Mercedes-Motorsportchef).

Das einzige, das diese Entscheidung sehr schwierig macht, ist, dass ich meine Racing-Familie jetzt in eine schwierige Position bringe. Aber Toto hat mich verstanden. Er hat sofort erkannt, dass ich total überzeugt bin von meiner Entscheidung und hat dies auch anerkannt. Ich werde auf alle Zeit sehr stolz sein, dass ich es geschafft habe, die Weltmeisterschaft im Silberpfeil mit diesem unglaublich tollen Team gewonnen zu haben.

Jetzt bin ich im Hier und Jetzt, werde den Moment noch voll genießen. Ich spüre eine große Erleichterung. In den nächsten Wochen werde ich bestimmt noch mehr verstehen, was und wie dieses Jahr alles passiert ist. Danach werde ich das nächste Kapitel in meinem Leben aufschlagen. Ich bin gespannt, was es bereit hält für mich ..."