London. Verliert Rosberg auf den letzten Metern den WM-Titel? Abseits des Asphalts wird über die Nachfolge von Bernie Ecclestone diskutiert.

Für die vorzeitige Erfüllung seines Kindheitstraums muss WM-Thronanwärter Nico Rosberg in der Heimat von Ayrton Senna wohl seine Fähigkeiten als "Regengott" beweisen. Der Mercedes-Pilot, der beim Großen Preis von Brasilien mit einem Sieg aus eigener Kraft erstmals Formel-1-Weltmeister werden kann, wurde im Qualifying für das Rennen am Sonntag in Sao Paulo (17 Uhr/MEZ, RTL und Sky) Zweiter hinter seinem Teamkollegen und einzig verbliebenen WM-Rivalen Lewis Hamilton (England). Allerdings könnten die Karten angesichts eines prognostizierten Regenrisikos aber komplett neu gemischt werden.

Um 0,102 Sekunden war Rosberg (1:10,838 Minuten) langsamer als der bärenstark fahrende Hamilton, der sich in 1:10,736 Minuten die 60. Pole seiner Karriere sicherte und damit gute Chancen hat, auch Rosbergs zweiten WM-Matchball abzuwehren. Allerdings schwächelte der 51-malige Grand-Prix-Sieger, der in Brasilien noch ohne Erfolg ist, in dieser Saison häufiger beim Start als Rosberg.

Rosberg: "Ich habe noch alle Chancen"

"Ich habe natürlich mein Bestes gegeben, das hat nicht gereicht. Die Pole ist nicht alles, ich habe für morgen noch alle Chancen", sagte Rosberg, der sich über die Wetteraussichten keine Gedanken machen will: "Im Nassen und im Trockenen ist mein Auto superschnell." Hamilton erklärte: "Nico ist immer schneller geworden, aber ich konnte es immer abwehren. Das ist hier erst meine zweite Pole. Umso glücklicher bin ich, ganz vorne zu stehen."

Der viermalige Weltmeister Sebastian Vettel (Ferrari/Heppenheim), der nach seinen Boxenfunk-Pöbeleien aus dem vorherigen Rennen in Mexiko unter Beobachtung steht, startet von Platz fünf (1:11,495). Vor ihn setzten sich sein finnischer Teamkollege Kimi Räikkönen (1:11,404), der seinen 250. Grand Prix bestreitet, und der Niederländer Max Verstappen (Red Bull/1:11,485).

Formel 1 diskutiert Ecclestone-Nachfolge

Indes gibt es auch abseits des Asphalts heiße Diskussionen. Der britische Star-Ingenieur Ross Brawn schließt die Übernahme der Nachfolge von Formel-1-Chefpromoter Bernie Ecclestone weiter nicht aus. „Es ist nicht so, dass dies auf keinen Fall infrage kommt. Aber es ist auch nichts, was definitiv passieren wird“, sagte der 61-Jährige im Interview mit der Zeitung Daily Express. Gespräche mit dem designierten neuen Formel-1-Eigner Liberty Media würden „in drei bis sechs Monaten“ ein klareres Bild bringen, führte Brawn aus.

Die Ablösung des 86-jährigen Ecclestone als starker Mann der Königsklasse sei mittelfristig jedenfalls unumgänglich, erklärte der Brite weiter. „Bernie ist nicht unsterblich, also muss er irgendwann einmal den Stab weitergeben“, begründete der einstige Weltmeistermacher von Rekordchampion Michael Schumacher bei Benetton und Ferrari.

Nach seinem Abgang als Teamchef bei Mercedes Ende 2013 übt Brawn derzeit eine Beratertätigkeit für Liberty Media aus. Diese sei aber „keine große Sache“, versicherte Brawn, der zudem kürzlich das viel beachtete Buch „Total Competition: Lessons in Strategy from Formula One“ veröffentlicht hat.

Steht der Deutschland-Grand-Prix vor dem Aus?

Indes äußert sich Ecclestone zum Zustand des Großen Preises von Deutschland – er sieht nicht nur für 2017 schwarz. "Ich weiß nicht, wie wir dieses Rennen überhaupt retten können", sagte der 86 Jahre alte Brite motorsport.com am Rande des Großen Preises von Brasilien.

Der Hockenheimring war als Gastgeber des Deutschland-Grand-Prix am 30. Juli 2017 im Ende September veröffentlichten vorläufigen Rennkalender mit der Anmerkung "noch zu bestätigen" aufgeführt. Laut Ecclestone soll eine endgültige Entscheidung in Kürze bei der Generalversammlung des Automobil-Weltverbandes FIA in Wien (28. November bis 2. Dezember) fallen.

"Ich würde mein Geld wetten, dass er nicht stattfindet", sagte Ecclestone. Hockenheimring-Geschäftsführer Georg Seiler hatte dem SID Ende September erklärt, dass "kein Minus" herauskommen dürfe. Ecclestone stellte jedoch nun klar: "Sie wollen zu den gleichen Konditionen wie in den letzten Jahren weitermachen. Diese sind aber nicht gut für uns. Wir haben versucht, sie am Leben zu halten, aber ihnen geht die Medizin aus."

WM-Lauf in Brasilien steht auch in Frage

Schlimmer noch sei es am Nürburgring gewesen, der turnusmäßig eigentlich 2017 an der Reihe gewesen wäre. "Als die aktuellen Eigner die Strecke gekauft haben, hatten sie keine Ahnung, was dort vorging. Und als sie es herausgefunden haben, hat es ihnen überhaupt nicht gefallen. So waren sie raus aus dem Spiel", sagte Ecclestone. Bereits 2015 war der Große Preis von Deutschland ausgefallen.

Während der ebenfalls in Frage gestellte Grand Prix von Kanada in Montréal (11. Juni 2017) nach Erfüllung der geforderten Zugeständnisse laut Ecclestone "wohl grünes Licht" bekommt, steht neben dem Deutschland-Rennen auch der WM-Lauf in Brasilien vor dem zumindest vorläufigen Aus. Die lokalen Organisatoren der Interlagos-Strecke in Sao Paulo erwarten allein für dieses Jahr ein Minus in Höhe von 30 Millionen US-Dollar. Die Tribünen am Freitag und Sonnabend waren gähnend leer.

"Am Ende sind wir diejenigen, die verlieren, denn sie können uns nicht bezahlen", kommentierte Ecclestone. Interlagos-Chef Tamas Rohonyi hatte am Sonnabend in der Estado de S.Paulo mitgeteilt, dass der mit Formula One Management (FOM) ausgehandelte Vertrag vorsieht, dass die FOM die finanzielle Lücke schließen muss. Die Problematik brachte Ecclestone in dieser Woche auch bei einem Treffen mit Brasiliens Staatspräsidenten Michel Temer zur Sprache.