Spa. Weltmeister war beim Rosberg-Sieg in Spa für viele der eigentliche Held. Tadel gibt es für Verstappen - allerdings nicht von Vettel.

Kurz vor der Abreise aus Spa erzählte Lewis Hamilton noch einmal, warum sich dieser dritte Rang anfühlte wie ein Sieg. Vom 21. Startplatz sei er ohne jede Erwartung in den Großen Preis von Belgien gestartet, sagte der bestens gelaunte Weltmeister. Das sei eine bewährte Taktik, "an Weihnachten mache ich es genau so. Sonst kriegt man am Ende Schnürsenkel geschenkt statt eines neuen Autos. Und dann ist man enttäuscht."

Hamilton war zu einigen Späßen aufgelegt nach dem 13. Saisonlauf, trotz des Sieges für seinen Mercedes-Teamrivalen Nico Rosberg. Dieser sei nun mal zu erwarten gewesen, sagte der Engländer gelassen, "das Rennen war ein Geschenk für Nico". Nach dem mehrfachen Wechsel von Motorenteilen war Hamilton fast ans Ende der Startaufstellung versetzt worden, doch der befürchtete Rückschlag blieb aus. Stattdessen legte der 31-Jährige eine Aufholjagd hin, die es so auf der Traditionsstrecke noch nicht gegeben hatte. Und der Vorsprung des Titelverteidigers auf Rosberg im WM-Klassement beträgt immerhin noch neun Punkte.

"Was vorher wie ein Riesennachteil aussah, war am Ende überhaupt nicht schlimm für Lewis", sagte Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff. Im Gegenteil: Hamilton ging nicht nur als gefühlter Sieger aus dem Wochenende - er nimmt auch einen ganz konkreten Vorteil mit in die verbleibenden acht Saisonrennen.

Hamilton hat noch drei frische Motoren

Mit dem grotesk wirkenden dreimaligen Einbau neuer Motorenteile an nur drei Tagen setzte Mercedes eine clevere Taktik um. Für jeden einzelnen neuen Antrieb kassierte Hamilton Strafen, doch der Großteil fiel in Spa nicht mehr ins Gewicht: Der Engländer stand ja ohnehin schon ganz hinten in der Startaufstellung.

Das Ergebnis: Hamilton hat nun bis zum Ende der Saison diese drei frischen Motoren zur Verfügung - Rosberg hat dagegen nur noch zwei Aggregate übrig, die er straffrei nutzen kann. Eine Sanktion für den Deutschen in diesem Jahr ist damit deutlich wahrscheinlicher als eine für den Briten.

"Im Vergleich zu Nico hat Lewis jetzt einen Extra-Motor in der Tasche", sagte Wolff, "den hat er sich verdient, er hat ja die Strafe in Kauf genommen." Und auch Hamilton sieht einen guten Deal, der im WM-Kampf noch wichtig werden könnte: "Ich habe hier zehn Punkte auf Nico verloren, aber drei Motoren gewonnen."

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Der Trend spricht für Hamilton

Auch angesichts dessen fällt es immer schwerer, noch Argumente zu finden, die in diesem Jahr gegen Hamilton sprechen könnten. Das WM-Klassement sieht recht ausgeglichen aus, doch der Trend der vergangenen acht Rennen ist eindeutig: 6:2 Siege für Hamilton seit Mitte Mai.

Außerdem scheint der Brite mit den vielen technischen Schäden im Frühjahr, die Rosberg zu vier Siegen in Folge nutzte, sein Pech aufgebraucht zu haben. Das Rennen in Spa jedenfalls nahm einige für den 31-Jährigen sehr glückliche Wendungen.

"In der ersten Kurve haben sich drei direkte Gegner rausgeschossen. Das war sehr wichtig für Lewis", sagte Wolff mit Blick auf die Kollision von Max Verstappen (Red Bull) mit dem Ferrari-Duo Sebastian Vettel und Kimi Räikkönen.

Das allgemeine Chaos, die vielen Boxenstopps der Konkurrenz und die Rennunterbrechung nach einem heftigen Crash von Kevin Magnussen (Renault) halfen Hamilton ganz gewaltig. "Es gab schon Rennen, wo ich so etwas gebraucht habe und es einfach nicht kam", sagte Hamilton nachher grinsend: "Dieses Mal lief es besser."

Pressestimmen zum Spa-Rennen

Le Figaro (Frankreich)

Ruhig wie Nico Rosberg. Der Deutsche war in Belgien dank eines exzellenten Starts nie in Bedrängnis.

L'Équipe (Frankreich)

Nico Rosberg hätte nur schwer auf eine bessere Rückkehr nach der Sommerpause hoffen können. Unantastbar bei der Qualifikation am Samstag, hat er am Sonntag unangefochten den Grand Prix von Belgien beherrscht.

Le Parisien (Frankreich)

Eine bemerkenswerte Leistung des amtierenden Champions (Lewis Hamilton), der wegen technischer Probleme bei der Qualifikation aus der letzten Reihe startete.

Neue Zürcher Zeitung (Schweiz)

"Max-Mania" – aber ohne Punkte“, „Unflätige Rufe für die drei Schnellsten des turbulenten Tages hat der Formel-1-GP von Belgien nicht verdient."

Tages-Anzeiger (Schweiz)

„Ungeliebter Sieger“, „Nico Rosberg gewinnt erstmals in Belgien, verkürzt den Rückstand auf Lewis Hamilton auf neun Punkte - und steht doch in dessen Schatten. Publikumsliebling Max Verstappen macht sich derweil keine neuen Freunde."

Basler Zeitung (Schweiz)

Rosberg feiert Jubiläumssieg

Blick (Schweiz)

Crashes, Dreher, Fights – der Große Preis von Belgien bietet alles, was ein Formel-1-Rennen braucht“, „Das wollen die Fans sehen: In Spa gibts kein langweiliges Rundendrehen, kein Taktieren. Vollgas ab der ersten Renn-Sekunde und ganz viel Action!“

Kronen Zeitung (Österreich)

Crash und Chaos in Spa

Die Presse (Österreich)

Turbulenter Grand Prix in Spa: Rote Flagge, ein furioser Lewis Hamilton und ein übereifriger Jungstar Max Verstappen. Davon unbeirrt fuhr Nico Rosberg zum Sieg.

Kurier (Österreich)

Heißes Rennen, cooler Rosberg. Zahlreiche Unfälle und ein Neustart beim souveränen Start-Ziel-Sieg des Deutschen.

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Für Verstappen hagelt es Kritik

Indessen muss sich Verstappen nach seinem Auftritt in Spa nicht nur von den internationalen Medien Kritik gefallen lassen. Niki Lauda echauffierte sich derart über den niederländischen Formel-1-Teenager, dass er ihn schon zurück in die Fahrschule schicken wollte. Und Räikkönen regte sich auch im klimatisierten Motorhome von Ferrari nach einigen hitzigen Duellen mit Verstappen immer noch auf. „Hätte ich nicht gebremst, hätten wir einen massiven Unfall gehabt“, kommentierte der ehemalige Weltmeister aus Finnland den Zweikampf mit dem erst 18 Jahre Piloten. Einen heftigen Crash konnte der sonst so coole, aber diesmal spürbar erhitzte „Iceman“ verhindern. Er prophezeite aber: „Früher oder später wird es passieren.“

Statt des Jubels seiner angereisten Landsleute für den erhofften Podiumsplatz oder gar Sieg erntete der in Belgien geborene Niederländer Verstappen vor allem eines: Kopfschütteln und Kritik. Verstappen gehöre noch mal in die Schule, schimpfte RTL-Experte Niki Lauda. „Ein junger Mann, der ein Jahrhunderttalent ist, muss seinen Kopf einschalten und darf andere nicht gefährden“, forderte der dreimalige Weltmeister.

Verstappen aber verstand die Formel-1-Welt nicht mehr. Bestraft wurden seine Aktionen auf dem Kurs in Spa-Francorchamps von den Rennkommissaren nicht, nicht einmal untersucht. Daher fühlte sich der Teenager, der nicht zum ersten Mal mit einer kompromisslosen Fahrweise auffällt, auch unschuldig. „Ich verteidige nur meine Position. Wenn das jemandem nicht passt, dann ist das dessen Problem“, betonte Verstappen.

Verstappen gibt Schuld seinen Gegnern

Räikkönen, der schon während des Rennens ungewohnt redselig via Funk gewesen war und Verstappens Fahrweise als „verdammt lächerlich“ bezeichnet hatte, vermutete auch, der Youngster habe ihn in Kurve eins abdrängen wollen. Dort hatte der Niederländer nach einem schwachen Start von Rang zwei aus innen die beiden besser losgefahrenen Ferraris von Räikkönen und Vettel attackiert.

Die Schuld dafür, dass er selbst seinen Wagen demolierte und beide Ferraris mit Schäden nach wenigen Metern den Rest des Rennens bestreiten mussten, gab Verstappen seinen Gegnern. „Sie haben mich weiter zerquetscht“, befand er, ein 32-maliger Grand-Prix-Pilot. Vettel, der außen gefahren war, habe einfach versucht, in die Kurve zu fahren, wo schon zwei Autos gewesen seien. Und überhaupt: „Es ist mir egal, was andere sagen. Wenn es falsch gewesen wäre, hätten die Stewards eine Strafe ausgesprochen.“

Vettel schützt Verstappen

Vettel, der viermalige Weltmeister, mahnte, man solle nun auch keinen Hype aus der Angelegenheit machen. „Ich mag ihn, er ist aggressiv.“ Allerdings seien einige seiner Manöver auch nicht so korrekt, meinte der 29-Jährige. Sein Rennen war durch die erste Kurvenkollision mit Kollege Räikkönen, der seinerseits Verstappen ausweichen musste, zerstört. Mehr als Platz sechs war nicht mehr drin. Räikkönen, 36 Jahre alter Ex-Weltmeister, schaffte es nur noch auf Rang neun und musste dabei auch noch weitere Zweikämpfe mit Verstappen hinter sich bringen.

Der Shootingstar aus den Niederlanden wurde Elfter, verpasste somit sogar die Punkteränge. Und das war beim Rennen, nur 100 Kilometer von seiner belgischen Geburtsstadt Hasselt entfernt und vor zehntausenden holländischen Fans, wohl erstmal die härteste Strafe für Verstappen, der in Spanien im Mai zum jüngsten Grand-Prix-Gewinner der Formel-1-Historie avanciert war.