Funktionieren die Deeskalationsstrategien bei den Silberpfeilen? Hamilton hat zwar einen Versöhnungsgruß an Rosberg geschickt – der erbitterte Zweikampf wird in Montréal aber eine Neuauflage erleben.

Montréal. Im giftigen WM-Duell zwischen Nico Rosberg und Lewis Hamilton kann auch der ausgerufene Burgfrieden die Frage der Frage nicht verdrängen. Wann kracht es zwischen den beiden Ja-nein-und-doch-wieder-ja-Freunden auf dem Asphalt? „Wir lassen die Jungs mit ihren Spielzeugen spielen, solange sie sie nicht kaputt machen“, lautet die unmissverständliche Ansage von Meredes-Motorsportchef Toto Wolff vor dem Großen Preis von Kanada.

Die Gelassenheit hat ihren Grund. Keiner kann den Silberpfeilen bislang das Wasser reichen, der weiter in diesem Jahr sieglose Titelverteidiger Sebastian Vettel ist noch nicht über eine Statistenrolle hinausgekommen, die WM fast schon in unerreichbarer Ferne. Dafür haben die Mercedes-Piloten Rosberg und Hamilton die Formel 1 zu ihrer privaten Spielwiese gemacht. „Die Fahrer wissen aber, dass wir keinen Zwischenfall tolerieren“, stellte Wolff klar.

Dazu passt, dass Hamilton nach seiner Schmollnummer im Anschluss an den zweiten Platz in Monaco hinter Rosberg via Twitter zumindest öffentlich um Beschwichtigung bemüht war. Nichts soll den ersehnten WM-Triumph in dieser Saison gefährden - erst recht nicht zwei knallhart gegeneinander fahrende Silberpfeile. Die Konkurrenz jedenfalls kann nur zuschauen. Fünf Doppel-Erfolge holten sich die Monaco-Nachbarn in den ersten sechs Saisonrennen. Mit 122 Punkten liegt Rosberg vier Punkte vor Hamilton. Ferrari-Star Fernando Alonso hat als Dritter nur halb so viele Zähler wie der WM-Spitzenreiter.

„Mercedes macht einen besseren Job als alle anderen“, zollte der Spanier den Silberpfeilen Respekt. Vettel kann sich da fast nur noch in Fatalismus flüchten. „Wir haben schon viele Probleme gelöst, aber da sind offenbar noch immer einige in der Kiste“, stellte der Red-Bull-Pilot nach seinem zweiten Ausfall der Saison in Monaco fest. Mit 45 Zählern ist Vettel, der 2013 beim Großen Preis von Kanada noch ganz oben auf dem Treppchen stand, nur WM-Sechster. Vor ihm liegen noch Force-India-Überraschungsmann Nico Hülkenberg (47 Punkte) und sein eigener Teamkollege Daniel Ricciardo (54).

„Auf dieser Strecke musst du aggressiv fahren“

„Wir sind ziemlich auf Renault angewiesen“, wies Teamchef Christian Horner auf die immense Bedeutung des Antriebsstrangs hin, der Vettel so viele Probleme bereitet. Besserung in Montréal? Wohl Kaum. Der Kurs mit seinen langen Geraden und zahlreichen Überholmöglichkeiten dürfte wieder den Mercedes-Motor beim Rennen am Sonntag (20 Uhr / Liveticker auf abendblatt.de) zur Geltung bringen.

„Auf dieser Strecke musst du aggressiv fahren, deshalb kam sie meinem Fahrstil schon immer entgegen“, erläuterte Hamilton, der hier 2007 seinen ersten Grand-Prix-Erfolg feierte. „Man könnte sagen, dass Kanada auf dem Papier die Strecke ist, die unserem Paket liegen sollte“, sagte Wolff. „Wir haben aber keine Kristallkugel und eine solche Denkweise hat sich in der Vergangenheit schon gerächt.“ Von irgendwelchen Prophezeiungen will bei Mercedes niemand was wissen.

„Eine wirklich knisternde Atmosphäre“

Der Faszination des hochbrisanten Wettstreits zwischen Rosberg und Hamilton kann sich auch Daimler-Boss Dieter Zetsche nicht entziehen. „Es knistert heftig, es kann auch nicht anders sein. Auch in der Box ist eine wirklich knisternde Atmosphäre“, beschrieb der Konzernboss nach dem Monaco-Lauf die Rivalität seines Duos. „Das ist die Spannung, die auch mich manchmal in den Wahnsinn treibt.“

Das Verhältnis zwischen Rosberg und Hamilton ist merklich abgekühlt. Im packenden WM-Kampf aber auch kein Wunder. „Das Verhältnis ist intensiver, ganz klar. Aber wir kennen das schon aus der Vergangenheit“, räumte Rosberg ein. „Es kann einen nicht so viel überraschen, wenn man sich schon kennt, seit man 13 ist.“