Die Deutsche Achter-Ruderin Nadja Drygalla hat das olympische Dorf verlassen. Die Rostockerin soll mit einem NPD-Funktionär liiert sein.

London. Nach einem Gespräch mit Michael Vesper, dem Chef de Mission der deutschen Olympiamannschaft, und Mario Woldt, dem Sportdirektor des Deutschen Ruderverbandes, gab es für Nadja Drygalla keine Wahl mehr. Die 23 Jahre alte Achter-Ruderin aus Rostock verließ das olympische Dorf in London. Das Motiv dieser offiziell gemeinsam getroffenen Entscheidung war klar: Das deutsche Team sollte nicht in den Dunstkreis der rechten Szene geraten.

+++ Innenminister wusste von Drygallas Kontakten nach Rechts +++

Drygallas Lebensgefährte Michael F., 24, ist ein führendes Mitglied der rechtsextremen Gruppierung Nationale Sozialisten Rostock und Funktionär der NPD. Davon wollen die Funktionäre erst durch einen Bericht auf einer Internetplattform und Nachfragen von Journalisten am Donnerstag erfahren haben. Nach dem Gespräch sagte Woldt: "Nadja Drygalla hat starkes Bedauern ausgedrückt und auch Entsetzen darüber, dass das solche Dimensionen annimmt." Vesper sagte, die Ruderin habe selbst erklärt abzureisen, "um keine Belastung für die deutsche Olympiamannschaft entstehen zu lassen". Der Verband habe keinerlei Druck ausgeübt, befürworte den Schritt aber.

"Der Deutsche Ruderverband begrüßt die Entscheidung", sagte Vesper, der sich am Freitag bemühte, der Athletin Rückendeckung zu geben. "Ich denke, dass es in Deutschland den Grundsatz gibt, dass jeder für seine eigenen Haltungen verantwortlich ist und nicht für die seines Umfelds", sagte er. "Wenn wir nur den leisesten Hinweis darauf hätten, dass ein Mitglied unserer Mannschaft fremdenfeindlich wäre, wäre diese Person nicht länger Mitglied unserer Mannschaft."

Drygalla habe in dem Gespräch keinen Zweifel daran gelassen, "dass sie hinter den Werten der olympischen Charta" stehe. In der Athletenvereinbarung, die der DOSB mit jedem nominierten Sportler trifft, steht unter Punkt 3 b) die Verpflichtung: "Er/Sie erkennt die olympische Charta und die sich daraus ergebenden Verpflichtungen (...) als verbindlich an." Zudem heißt es in der Präambel: "Er tritt rassistischen, verfassungs- und fremdenfeindlichen Bestrebungen sowie jeder Form von Gewalt entschieden entgegen." Es ist zumindest zweifelhaft, ob Drygalla dieser Spagat zwischen den Werten ihres Lebengefährten und denen der Olympiacharta gelingen kann. Michael F., der ebenfalls Ruderer war und 2006 bei den Junioren-Weltmeisterschaften als Schlagmann Silber mit dem Deutschland-Achter geholt hatte, und Drygalla waren bereits 2010 mit dem Vorstand des Olympischen Ruder-Clubs Rostock zusammengekommen. Der Verein hatte erfahren, dass sich F. in der rechtsextremen Szene engagiert. Und der soll keinen Hehl aus seiner Gesinnung gemacht haben, der ORC schloss ihn daraufhin aus. Drygalla dagegen durfte bleiben - weil sie zwar die Beziehung zu F. bestätigte, sich vom rechten Gedankengut aber distanzierte.

Beim Deutschen Ruderverband (DRV) und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) wussten sie von all dem angeblich nichts. F. soll zu den Betreibern eines Nazi-Blogs gehören und im Februar in Rostock eine Gedenkkundgebung für die Opfer der NSU-Mordserie gestört haben. Ist es wirklich möglich, mit solch einem Mann zusammenzuleben und gleichzeitig sein Gedankengut abzulehnen?

Der Ruderverband will nach den Spielen mit der Sportlerin sprechen. Der DRV-Vorsitzende Siegfried Kaidel sagte: "Wenn sich bestätigt, dass sie nichts damit zu tun hat, warum soll sie nicht weitermachen? Wir dürfen sie nicht vorverurteilen." Drygalla stecke in einem tiefen Zwiespalt, sagte Walter Arnold, Vorstandsvorsitzender des Olympischen Ruder-Clubs Rostock. "Sie will ihr Glück finden, sich aber nicht von rechten Gedanken anziehen lassen." Immer wieder würde im Verein über Drygallas Verhältnis zu Michael F. diskutiert, "aber sie will diese Beziehung aufrechterhalten." Ein Vereinsausschluss komme nicht infrage.

Besonders brisant ist die Verbindung allerdings, weil die Olympiateilnehmerin eine Ausbildung als Polizeianwärterin absolvierte und der Sportfördergruppe des Landes Mecklenburg-Vorpommern angehörte. Ende September 2011 quittierte sie ihren Dienst. Auch davon wollen DOSB und DRV nichts gehört haben.

Die Bundestagsabgeordnete Petra Pau von der Linken sagte der "taz": "Frau Drygalla wird ein strammer Hang ins Nazimilieu nachgesagt. Das ist nicht neu, und das war nicht unbekannt. Dennoch wurde sie sportlich von Behörden und Organisationen zur Olympiareife gefördert." Und auch eine Teamkollegin gab an, dass die Debatte schon lange geführt werde. "Wir haben das Thema in der Mannschaft öfter diskutiert - was wir über diese Einstellung denken und dass das nicht geht", erklärte Carina Bär, die in London im Doppelvierer Silber gewann.