Viktor Kassai bereut seine Fehlentscheidung gegen die Ukraine, betont aber auch, dass diese Szene seine sonst gute Leistung überschattet.

Budapest/München. Der ungarische Fußball-Schiedsrichter Viktor Kassai nimmt sich den „Torklau“ von Donezk schwer zu Herzen. „Unser Job ist brutal, denn man kann 199 korrekte Entscheidungen treffen, aber eine falsche kann fatal sein“, sagte der Referee, dem am Dienstag ein gravierender Fauxpas im letzten Vorrundenspiel der Gruppe D zwischen England und der Ukraine (1:0) unterlaufen war. Er gab ein reguläres Tor nicht und avancierte zum weltweiten Buhmann.

Der Treffer von Ukraines Marko Devic war korrekt, die Rettungstat von Englands Innenverteidiger John Terry erfolgte deutlich hinter der Torlinie. Die TV-Bilder bewiesen die Fehleinschätzung der Unparteiischen. Kassai gestand den Fehler denn auch im Nachhinein ohne Wenn und Aber ein. „Nach dem Spiel haben wir die Situation nochmals angeschaut. Wir haben da erkannt, dass wir einen Fehler gemacht haben“, äußerte der Schiri auf der Homepage des ungarischen Fußballverbandes MLSZ.

Der 36-Jährige betonte, er und sein Schiedsrichterteam „sind wirklich enttäuscht“ über die Situation, die ein eigentlich erfolgreiches Turnier überschattet habe. Eigentlich gehörten sie zu den besten Schiedsrichter-Gespannen der Welt, „wir werden aber weiterkämpfen“, äußerte Kassai. Vor allem in der Ukraine schlug dem Referee viel Antipathie entgegen. Es wurde eine „Anti-Kassai“-Facebook-Seite ins Netz gestellt, die regen Zulauf fand.

+++ Die große Wut auf die Schiedsrichter +++

Die ukrainische Zeitung Segodnia titelte: „Kassai - ein neues Schimpfwort.“ Ukraines Nationaltrainer Oleg Blochin war nach dem Abpfiff außer sich vor Wut über den Unparteiischen. „Es hat den Anschein, als ob ein kleiner Verband nicht gegen einen großen gewinnen darf“, wetterte Europas Fußballer des Jahres von 1975 und witterte eine Verschwörung gegen seine Mannschaft, die allerdings gegen das Fußball-Mutterland hätte gewinnen müssen, um ins Viertelfinale zu kommen.

Der Torklau zog Konsequenzen für den Magyaren Kassai nach sich: Die Europäische Fußball-Union (Uefa) hatte den Unparteiischen am Mittwoch - wie auch den deutschen Schiedsrichter Wolfgang Stark (Ergolding) - vorzeitig nach Hause geschickt. Dabei war Kassai in der besagten Szene von Torrichter Istvan Vad abhängig, doch dieser hatte den abgefälschten Schuss von Devic fälschlicherweise nicht hinter der Linie gesehen.

Uefa-Schiedsrichterchef Pierluigi Collina gestand den Fauxpas von Kassai ebenfalls ein. „Ja, es war ein Fehler. Aber Menschen machen nun einmal Fehler“, sagte Collina. Der glatzköpfige ehemalige italienische Weltklasse-Referee verteidigte allerdings den Einsatz der Torrichter, die in Polen und der Ukraine erstmals bei einem großen Turnier zum Einsatz kommen.

„Die Szene am Dienstag war nahezu das einzige Problem, das wir in gut 1000 Spielen mit dem fünften Schiedsrichter hatten.“ Insgesamt hätten die Schiedsrichter-Gespanne in der EM-Vorrunde eine sehr gute Leistung gezeigt, so Collina. „Es gab 296 richtige und 13 falsche Entscheidungen. Das entspricht einer Genauigkeit von 95,7 Prozent.“