Die Niederländer waren gegen die Dänen der klare Favorit. Doch die Skandinavier gewannen überraschend durch das Tor von Krohn-Dehli mit 1:0.

Am Ende berannten sie alle gemeinsam das Tor des überragenden Stephan Andersen: Robin van Persie, Arjen Robben, Wesley Sneijder, Dirk Kuyt, Rafael van der Vaart und Klaas-Jan Huntelaar. Doch nicht einmal ihre geballte, gewaltige Offensivkraft half der niederländischen Nationalmannschaft weiter. Den einzigen Treffer in einem sehr einseitigen Spiel erzielte Dänemark durch Michael Krohn-Dehli (24.), der Vizeweltmeister und Titelanwärter unterlag bei seinem EM-Auftakt sensationell mit 0:1 (0:1). Holland ist vor dem Klassiker gegen Deutschland am Mittwoch in Charkow (20.45 Uhr/ZDF) in Not.

Robben sank nach dem Abpfiff erst einmal wie vom Blitz getroffen auf den Rasen am dänischen Strafraum, fassungslos wie seine Mitspieler, fassungslos wie der verstummte holländische Anhang. „Wir haben alles probiert, wir hatten sehr viele Chancen“, sagte der ratlose Bondscoach Bert van Marwijk und stellte fest: „Wir müssen jetzt die Wunden lecken.“ Sein nicht minder konsternierter Kapitän und Schwiegersohn Mark van Bommel sagte: „Ich bin ein wenig sprachlos, aber es kommen noch zwei Spiele, wir müssen jetzt zweimal gewinnen.“ Das bedeutet: Erst muss ein Sieg gegen Deutschland her, dann gegen Portugal.

Die Niederländer hatten Chancen im Überfluss, scheiterten aber an ihrem eigenen Unvermögen oder am überragenden Andersen, der nur im Tor stand, weil sich Stammkeeper Thomas Sörensen beim letzten Testspiel vor der EM in Hamburg gegen Brasilien (1:3) am Rücken verletzt hatte. Robben kam einem Treffer für Oranje noch am nächsten, scheiterte aber am Pfosten (36.). Der eingewechselte Huntelaar hatte eine „Hundertprozentige“ zum Ausgleich (74.), aber Teufelskerl Andersen parierte prächtig.

„Ich bin sehr glücklich und stolz, es war eine fantastische Leistung. Natürlich hatten die Holländer ihre Chancen, aber auch wir hatten welche“, sagte Dänemarks Trainer Morten Olsen. Für die Niederländer war es kein Trost, dass zumindest der erste Rekord der EM auf ihr Konto ging. Van Marwijk vertraute im Metalist-Stadion von Charkow auf Jetro Willems. Der Linksverteidiger von der PSV Eindhoven löste mit 18 Jahren und 71 Tagen den Belgier Enzo Scifo (18/115) als jüngsten Spieler der EM-Historie ab. Willems zeigte keine Scheu, feuerte gleich einen gewaltigen Fernschuss ab (3.) - knapp drüber.

Im Fokus stand vor 35.923 Zuschauern jedoch ein anderer. Für Robben, der fast überall im offensiven Mittelfeld zu finden war, sollte es Teil eins der Trauma-Bewältigung nach dem Champions-League-Drama mit Bayern München werden. Wie gewohnt, genoss der 28-Jährige, der bei den Bayern an die rechte Außenbahn „gefesselt“ ist, in der Nationalmannschaft mehr Freiheiten, die er selten nutzte - aber wenn, dann brannte es bei „Danish Dynamite“ lichterloh. So beispielsweise in der 7. Minute, als er Robin van Persie bediente.

Van Persie, Torjäger des FC Arsenal, hatte wie erwartet den Vorzug vor Bundesliga-Torschützenkönig Huntelaar (Schalke 04) erhalten, tat sich aber wie auch in weiteren Szenen (47. und 49.) schwer, das Vertrauen zurückzuzahlen. Mit Robbens „Spieltherapie“ war es auch nicht weit her: Außer bei seinem Schuss an den Pfosten scheiterte er einige weitere Male knapp - oder brachte den Ball in bester Position nicht an den Mann.

Und die Dänen? Taten anfangs nicht mehr, als Räume zuzulaufen, fühlten sich allerdings sichtlich wohl dabei - es stand ja 0:0; und dann ja sogar 1:0, als der bei Ajax Amsterdam gescheiterte Krohn-Dehli den niederländischen Torhüter Maarten Stekelenburg von halblinks aus kurzer Distanz getunnelt hatte. Die gut gefüllte Kurve ganz in Orange schwieg bis in die zweite Halbzeit hinein.

Auf dem tiefen Rasen, über den sich van Marwijk vorab beschwert hatte, reagierte Holland wütend. Allerdings spielte Oranje bei seinen zahlreichen Angriffen, die vor allem gleich nach der Halbzeitpause auf das dänische Tor zurollten, weiter zu ungenau. Der Favorit ging mit seinen Chancen fahrlässig um - was die limitierten, aber eiskalten Dänen clever ausnutzten. Sie befreiten sich nach knapp einer Stunde, hielten auch mal den Ball in den eigenen Reihen und hätten selbst frühzeitig den entscheidenden Schlag setzen können. Das aber war an diesem Tag gar nicht nötig.

Die Aufstellungen

Niederlande: Stekelenburg - van der Wiel (85. Kuyt), Heitinga, Vlaar, Willems - van Bommel, de Jong (71. van der Vaart) - Robben, Sneijder, Afellay (71. Huntelaar) - van Persie. - Trainer: van Marwijk

Dänemark: Andersen - Jacobsen, Kjaer, Agger, Busk Poulsen - Kvist, Zimling - Rommedahl (84. Mikkelsen), Eriksen (74. Schöne), Krohn-Dehli - Bendtner. - Trainer: Olsen

Schiedsrichter: Damir Skomina (Slowenien)

Tor: 0:1 Krohn-Dehli (24.)

Zuschauer: 30.000

Beste Spieler: Sneijder - Kjaer, Krohn-Dehli

Gelbe Karten: van Bommel - Busk Poulsen, Kvist