Hamburg. Am Wochenende geht der America’s Cup in die entscheidende Phase – ohne deutsche Segler. Stattdessen überzeugte der Nachwuchs.

Die Ehrung nahm Leonard Beyer norddeutsch zurückhaltend entgegen. Artig ging nach er nach vorn, schüttelte freundlich lächelnd Hände und reihte sich wieder ein ins Glied auf dem Podium, den Pokal vor den Körper haltend. Zumindest äußerlich war dem 13 Jahre alten Schüler aus Hamburg in diesem Moment nicht anzusehen, dass er gerade für einen sensationellen zweiten Platz im Finale des America’s Cup En­deavour O’Pen, ausgezeichnet worden war. Nach zehn Wettfahrten musste sich Beyer unter 32 Jungen und Mädchen aus aller Welt nur dem US-Amerikaner Bryce Tone geschlagen geben.

Die Nachwuchsregatten der Einhandsegler fanden als Rahmenprogramm zum großen America’s Cup im berühmten Sund von Bermuda statt – dort, wo von diesem Sonnabend an mit Titelverteidiger Oracle Team USA und dem neuseeländischen Herausforderer Peter Burling die beiden besten Hightech-Katamarane in den Finalrennen um die Krone des internationalen Segelsports kämpfen werden. Die Entscheidung fällt spätestens am 28. Juni mit den Rennen 13 und 14. Derzeit steht es 3:0 für das Emirates Team New Zealand.

Einziger Deutscher mit Pokal

Nach der Siegerehrung waren die Beyers zurück ins Messinahaus gegangen, wo die Segelkinder aus elf Nationen mit ihren Eltern, Betreuern oder Trainern jugendherbergsmäßig in zwei großen Schlafräumen eine Woche untergebracht waren. Oder wie es Mutter Martina angesichts der Stockbetten für je acht Erwachsene in einem Raum fröhlich formulierte: „Camping inhouse.“ Mehr Komfort wäre sowieso nicht ihr Ding gewesen. Der Sport ist teuer und die Sponsorensuche schwierig. Außer dem deutschen Ranglistenersten Beyer vom Hamburger SegelClub war als bestes Mädchen Carolina Horlbeck (14) aus Lübeck für ihr Land am Start. Sie belegte am Ende Rang 18.

Zweiter beim Nachwuchsrennen unter 15 Jahren des America's Cup: Leonard Beyer aus Hamburg
Zweiter beim Nachwuchsrennen unter 15 Jahren des America's Cup: Leonard Beyer aus Hamburg © Ulrich Beyer | Ulrich Beyer

Seit Dienstag sind Mutter und Sohn wieder zurück in der Hansestadt. Ab Mittwoch war mit Schule, Hausaufgaben und Training wieder Business as usual für den Gymnasiasten angesagt, der Silvester vor einem Jahr im australischen Melbourne bei der Jugend-WM schon Bronze gewonnen hatte. Und der im Knabenteam der Eishockey Crocodiles von Farmsen ebenfalls wenig Aufhebens um von ihm geschossene Tore macht. „Das ist sein Naturell“, sagt Vater Ulrich Beyer. „Zu Hause redet er jedenfalls nicht besonders viel.“

Doch Beyer Junior, Leo genannt, ist nicht nur weltweit der Zweitbeste in der modernen und sportlichen O’Pen Bic-Klasse für Kinder, er ist sogar der einzige deutsche Teilnehmer, der vom berühmtesten Segelrennen der Welt mit einem Pokal zurückkehrt. Die Hauptregatta um die legendäre Trophäe „The Auld Mug“, eine Silberkanne, findet schon seit 2007 ohne deutsche Beteiligung statt. Und das SVB-Team Germany mit dem Hamburger Magnus Simon (21) an Bord war zwar ebenfalls in das britische Überseegebiet gereist, um auf der Weltbühne der besten Segler zu glänzen.

Doch am Ende des Youth America’s Cup, der Rennen der 18- bis 24-jährigen Jungmänner, reichte es im Finale der besten acht Boote für die Deutschen nur zu Platz sieben. Letzter nach insgesamt sechs Rennen wurde die einheimische Crew des TeamBDA, wenn auch inbrünstig bejubelt von zum Teil 4000 Zuschauern an der Regattastrecke.

Spektakuläre Szene am letzten Wettkampftag

Nachdem sich allerdings der erste Frust über die wenig zufriedenstellende Platzierung und das unglücklich verlaufene letzte Finalrennen gelegt hatte, plante die Crew um Steuermann Paul Kohlhoff und seine beiden Brüder schon für die Zukunft. „Sicherlich wäre ein weiterer Youth America’s Cup eine coole Sache“, sagt Kohlhoff. „Langfristig wollen wir alle aber in den echten Cup.“

Vor allem am letzten Wettkampftag hatte das SVB-Team einen besseren Abschluss durch eine spektakuläre Szene verloren. An der letzten Wendemarke vor dem Zielsprint behinderte das schwedische Boot die in dieser Regatta auf Platz drei liegenden Deutschen derart, dass die nicht mehr ausweichen konnten, mit ihrer Yacht die schwere Tonne rammten und danach auf Platz fünf zurück fiel. Das Chaos der Situation nutzten die Briten für sich und verdrängten die bis dahin führenden Neuseeländer noch auf Rang zwei. Klar war danach: Die anvisierte Titelverteidigung des inzwischen beim America’s Cup erneut auf Siegkurs segelnden Peter Burling, der vor vier Jahren noch das Red Bull Youth Race für sein Land gewonnen hatte, blieb für die Nachwuchs-„Kiwis“ zumindest 2017 ein Traum.

Der angestrebte Wechsel zu den Profis in die höchste Segelklasse dürfte für die deutschen Segler allerdings schwierig werden. Schon die Teilnahme am Nachwuchsrennen war nur unter großen finanziellen Kraftanstrengungen und einem Crowdfunding möglich. Die Entwicklung der Hightech-Katamarane erfordert ein Millionen-Budget, und genau daran scheitern seit zehn Jahren die Bemühungen in Deutschland.

„Pistolen-Pete“ lässt Provokation kalt

Zudem profitieren die Athleten aus Segelnationen wie Neuseeland oder auch die des britischen Siegers Landrover BAR Academy vom direkten Draht zu ihren America’s-Cup-Teams und deren professionellen Bedingungen. Dennoch ist Paul Kohlhoff zuversichtlich. Seine Vision für „Made in Germany“: „Wenn sich die besten deutschen Segler mit potenten Sponsoren zusammentun, dann ist eine zukünftige Teilnahme auch für ein deutsches Boot möglich.“

Doch erst einmal wird er sich das Finish der Weltbesten von diesem Sonnabend (19 Uhr/Servus TV und Sky Sport News HD) an ansehen. Ballyhoo gab es im Vorfeld genug. So hatte Jimmy Spithill (35), der „Pitbull“ genannte Skipper von Titelverteidiger Oracle USA, kurz vor dem Final-Duell einen bezeichnenden Cartoon bei Facebook gepostet: Ein grimmig dreinblickender Adler drängt einen kleinen, erschrockenen Kiwi in die Ecke, droht ihn zu packen. Typisch Spithill. Der Australier gilt auch als Meister der Psychospielchen. Vor vier Jahren gelang es den Amerikanern in einem dramatischen Schlussspurt, einen 1:8-Rückstand in einen 9:8-Sieg umzuwandeln. Gegner damals: Neuseeland, natürlich.

Kontrahent Peter Burling (26), Spitzname „Pistolen-Pete“, lässt die Provokation zumindest äußerlich kalt. Der Olympiasieger von Rio 2016 bewies in den bisherigen Rennen Lernfähigkeit, indem er vor allem seine Starts verbesserte. Schneller als die Konkurrenz ist sein 15 Meter langer Katamaran bislang sowieso. „Spithill ist cleverer“, urteilt der dreimalige Olympiasieger Jochen Schümann (63), Deutschlands erfolgreichster Segler. „Es ist allerdings die Frage, ob er dazu kommt, seine Tricks anzuwenden.“ Pistolen-Pete wird auf jeden Fall dagegen halten.