Hamburg. Erstmalig ist beim Nachwuchsrennen des legendären Rennens ein deutsches Boot dabei. Mit an Bord: ein junger Hamburger Segler.

Es war im Spätsommer 2016, daran erinnert sich Magnus Simon noch genau. Ihn erreichte eine Anfrage. Ob er Lust habe, sich für ein Sichtungstraining im Olympiazentrum Schilksee zu bewerben? Es würden vier Neue für das SVB Team Germany gesucht. Ein Casting sozusagen. Die 20 besten Nachwuchssegler würden eingeladen. „Wir wollen erstmals beim Red Bull Youth America’s Cup mitsegeln. Willst du dabei sein?“ Der America’s Cup! Das berühmteste Segelrennen der Welt. Und mittendrin die Regatta der Jungen, der Youth America’s Cup. Mitmachen, um in die Eliteliga des professionellen Segelsports aufzusteigen. Das Ziel aller Hochleistungssegler zwischen 18 und 24. „Natürlich wollte ich“, sagt Magnus Simon (21) aus Hamburg.

In diesem Jahr wird der Kampf um die legendäre „Silberkanne“, wie die Trophäe heißt, im Sund von Bermuda in den Gewässern des Nordatlantiks ausgetragen. Die Profis ermitteln schon seit dem 26. Mai in zum Teil dramatischen Regatten den Herausforderer für den amtierenden Cup-Verteidiger, das Oracle-Team aus den Vereinigten Staaten. Am 15. Juni steigt das Team Germany als eines von zwölf Nachwuchsbooten in den Wettbewerb um die Qualifikation ein. „Wir wollen ins Finale“, sagt Simon. „Und dann schauen wir mal, wie weit wir kommen.“

Nun zählt nur noch eines: Fit sein

Der Hamburger, der in Altona aufwuchs, kennt drei der Segelpartner, die Kohlhoff-Brüder Paul, Max und Johann, ziemlich gut. Sie sind sich in ihrer Jugendkarriere immer wieder begegnet, im Olympiastützpunkt in Kiel, bei Wettkämpfen, auf Lehrgängen. Auch die Wege der weiteren Crewmitglieder Philip Kasüske, Moritz Burmester und Frederick Eichhorst hat er einige Male gekreuzt. Doch nun zählt nur noch eines: Fit sein, bereit sein für die wichtigste Regatta. Um dann vielleicht Karriere zu machen wie Peter Burling. Der Skipper der siegreichen neuseeländischen Youth-Cup-Mannschaft 2013 in San Francisco gewann danach nicht nur olympisches Gold in Rio 2016 im 49er, als Steuermann führt er jetzt auch das mitfavorisierte neuseeländische Team in die Schlacht um den America’s Cup.

„Meine Eltern haben mich zum Segeln gebracht“, erzählt Simon. Die Familie hatte ein Boot an der Schlei. Er mochte es, auf dem Wasser zu sein, nahm Probestunden beim Mühlenberger Segelclub an der Elbe. Rasch wurden aus den Familienfahrten umkämpfte Regatten. Er schaffte es in den „Hamburger Kader“, qualifizierte sich in der Saison 2012/13 bei einem Ausscheidungsturnier für die Nordamerikameisterschaft in der Dominikanischen Republik – Motivation und Bestärkung, Abitur am Sportinternat in Kiel zu machen. Danach schrieb er sich an der Universität Kiel für Schiffbau und maritime Technik ein.

Im Hightech-Bootsbau hat sich viel verändert

Gerade im Hightech-Bootsbau hat sich in den vergangenen Jahren viel verändert. Eine neue Bootsklasse hat die Segelwelt revolutioniert. Hochtechnisierte Katamarane, die auf kleinen Tragflächen Geschwindigkeiten bis zu 70 Kilometer pro Stunde erreichen, schneiden die Wellen nicht mehr, sondern überfliegen sie. „Ab zehn Knoten, also einer Windgeschwindigkeit von 18,5 Kilometern pro Stunde, fliegt das Boot oder wie wir sagen, es foilt“, erklärt Simon. Der „Bowman“ oder „Trimmer“ muss den richtigen Moment erahnen, um die Kufen, die den Katamaran auf dem Wasser tragen, so einzustellen, dass das Boot abhebt und dadurch im Flug die maximale Geschwindigkeit erreicht. „Das ist mein Job“, sagt Simon.

Der elitäre Sport, früher hauptsächlich von Milliardären betrieben, hat sich zum absoluten Hochleistungssport entwickelt. „Vor einiger Zeit hatten die Steuermänner sogar noch richtige Plauzen, heute sind das alles Athleten“, sagt Till Behrend, zuständig für die Außendarstellung des Teams. Um den ungeheuren Kräften standhalten zu können, die auf den Katamaranen wirken, verlangt das Segeln heute viel mehr Kraft und Ausdauer sowie Koordinationsvermögen als früher. Gleichzeitig dürfen die Segler nicht zu schwer und zu groß sein. Die Vorgaben des Youth America’s Cups für das Maximalgewicht der gesamten Crew liegen bei 480 Kilogramm.

Neue Hochgeschwindigkeit birgt Gefahren

Wenn die deutsche Mannschaft zum ersten von sechs Qualifikationsrennen ins Turnier startet, wird sie flankiert von den Kamerabooten zahlreicher internationaler Fernsehanbieter, die das Event in die Welt hinaustragen. Übersteht Team Germany die Qualifikation, müssen am 21. und 22. Juni für das Finale weitere sechs Rennen gefahren werden. Dann sind die Nachwuchssegler sogar im deutschen ServusTV zu sehen. All das passiert vor den Augen Tausender Fans, die sich von absurden Hotelpreisen auf Bermuda nicht abhalten lassen, den Hype um die Flugsegler vor Ort zu begleiten.

Doch die neue Hochgeschwindigkeit birgt auch Gefahren. Seit der erste Flugkatamaran seine Schwerter ins Wasser tauchte, ist die Anzahl der Unfälle stark gestiegen. In der Vorbereitung auf den Cup 2013 starb der Brite Andrew Simpson. Beim Training in der Bucht von San Francisco überschlug sich sein Boot. Simpson wurde unter Wasser gedrückt und konnte nicht rechtzeitig geborgen werden. Seither sind Helme und Schutzkleidung Pflicht an Bord. Die Extremisierung des Sports ist im Sinne der Sponsoren, an deren Tropf die Sportart nach wie vor hängt. Mehr Geld bedeutet leichtere, schnellere Katamarane sowie bessere Trainingsmöglichkeiten.

250.000 Euro kostet das exklusive Abenteuer

Bevor sich Magnus Simon als Crewmitglied bewähren durfte, musste die Finanzierung für das Team Germany und das exklusive Segelabenteuer erst einmal sichergestellt werden. Um die Startgebühr beim Cup, das Gehalt von Trainer Mark Bulkeley, den Sicherheits- und Technikchef sowie Begleitbootfahrer und Fotografen bezahlen zu können, sammelten, angeführt von Paul Kohlhoff, Freunde, Bekannte und Gönner eine knappe Viertelmillion Euro ein.

Im Unterschied zu den großen Segelnationen Australien, Neuseeland oder USA, wo die Aktiven Nationalhelden sind und ihr Sport entsprechend gefördert wird, musste die deutsche Crew persönlich bei Unternehmen vorstellig werden. „Diese Zeit hätten wir natürlich auch gern in die sportliche Vorbereitung gesteckt“, sagt Paul Kohlhoff, mit 23 Jahren der älteste der drei Brüder. „Wir hatten nur 20 bis 30 Segeltage zusammen. Das ist nicht optimal, aber wir kennen uns schon sehr lange. Das könnte ein Vorteil sein.“ So mancher Underdog hat den Windschatten der Favoriten schon für sich nutzen können.