Dortmund. Nach dem Kampf um den WBC-Titel im Cruisergewicht über die vollen zwölf Runden war Marco Huck erstaunlich kleinlaut.

Für einen, der in der Regel keine Götter neben sich duldet, war Marco Huck erstaunlich kleinlaut am frühen Sonntagmorgen in der Westfalenhalle. „Heute war so ein Tag, an dem nichts funktioniert. Ich konnte nicht das umsetzen, was wir geplant hatten. Es sollte einfach nicht sein“, sagte der Cruisergewichts-Boxprofi entwaffnend offen, nachdem er bei seinem Anlauf, den Weltmeistertitel des renommierten World Boxing Councils (WBC) zu gewinnen, dem Letten Mairis Briedis über zwölf Runden unterlegen war.

Die Unterlegenheit des in Serbien geborenen Bielefelders war an den Wertungen der drei Punktrichter abzulesen, die, um die Konzentration zu erhöhen, aufgrund einer vom WBC angeordneten Testphase mit schallisolierenden Gehörschützern am Ring saßen. 116:111, 117:110 und 118:109 wertete das Trio – und war damit fast noch gnädiger als die wichtigsten US-Boxspezialisten, die teilweise alle Runden an Briedis gaben.

Wer es gut meinte mit Huck, konnte ihm maximal drei Runden zuschreiben

Wer es gut meinte mit Huck, konnte ihm maximal drei Runden zuschreiben. Auch wenn er nur zwei Monate älter ist als sein 32 Jahre alter Herausforderer im Duell um den vom Briten Tony Bellew niedergelegten WBC-Gürtel; an diesem Abend, angefeuert von 3500 frenetischen Landsleuten unter den rund 8000 Besuchern, wirkte Briedis zehn Jahre jünger.

Er war stets einen Schlag voraus, war der technisch bessere Boxer, sammelte Pluspunkte in Dynamik und Athletik – und war kurioserweise auch der etwas mutigere von zwei Kriegern, die immerhin für Unterhaltung auf hohem Niveau sorgten. Dass aus Hucks Ecke, wo der vor dem Kampf neu verpflichtete Cheftrainer Oktay Urkal, Athletikcoach Varol Vekiloglu und Bruder Kenan, gleichzeitig auch Geschäftsführer des Familienunternehmens Huck Sports Promotion, auf den von Runde zu Runde hilfloser wirkenden Ex-Weltmeister einbrüllten, mehrfach die Forderung nach mehr Zutrauen in die eigenen Stärken laut wurde, hat es auch noch nicht oft gegeben.

Trainer Oktay Urkal hatte keine Erklärung für Hucks Niederlage

Erklärungen dafür, dass sein Boxer kein einziges Mal eine seiner gefürchteten Schlagserien hatte anbringen können, konnte Urkal keine liefern. „Ich habe auch nicht verstanden, warum er nicht mehr geschlagen hat. Wir wussten, was auf uns zukommt, und waren bestens vorbereitet, aber es hat einfach nichts geklappt“, sagte der ehemalige Halbwelter- und Weltergewichts-Europameister aus Berlin, dessen Zukunft im Team nun ebenso ungewiss ist wie die des Boxers selbst. Denn immerhin hat Marco Huck mit der vierten Niederlage im 45. Profikampf nicht nur seinen WM-Titel des unbedeutenden Weltverbands IBO verloren.

Ebenfalls passé ist die Chance, sich 20 Monate nach dem Verlust des WBO-Titels an den Polen Krzysztof Glowacki wieder nachhaltig in der Weltspitze anzumelden. Auch die Verlängerung der mit dem Briedis-Kampf ausgelaufenen Kooperation mit dem TV-Sender RTL, die bei einem Sieg Formsache gewesen wäre, steht auf der Kippe. „Wir werden uns ganz in Ruhe über die Zukunft unterhalten. Klar ist, dass ich noch jung genug bin, um noch einmal anzugreifen, und das werde ich tun“, sagte Huck.

Huck kann aktuell nicht mit der Weltspitze mithalten

Fragt sich nur, welche Optionen ihm dafür noch bleiben. Um eine erneute WM-Chance zu erhalten, braucht er mindestens zwei Siege gegen ernst zu nehmende Konkurrenz. Solche Kämpfe kosten Geld, das man ohne entsprechende TV-Präsenz nur schwer einspielen kann. Zudem zeigt das Hin und Her seit dem vor zwei Jahren freiwillig gewählten Abschied vom Sauerland-Team und seinem langjährigen Chefcoach Ulli Wegner, dass ein Weltklassemann in der Ecke absolut vonnöten wäre. Urkal ist seit dem Schritt in die Selbstständigkeit bereits der vierte Cheftrainer.

Doch selbst wenn es ihm gelänge, sich noch einmal neu aufzustellen: Der Kampf gegen den gut ausgebildeten und schlagstarken Briedis, der in nun 22 Kämpfen unbesiegt ist und sich als langjähriger Sparringspartner der Klitschko-Brüder zu einem Spitzenboxer entwickelt hat, unterstrich deutlich, dass Marco Huck mit der Weltspitze seines Gewichtslimit aktuell nicht mitzuhalten imstande ist.

Briedis ist ein würdiger Champion – Huck demnächst im Schwergewicht?

Briedis, der wegen einer bei einer Meidbewegung in der letzten Runde ausgerenkten Rippe ins Krankenhaus musste und deshalb auf der Pressekonferenz sein knappes Statement im Ring („Marco war ein sehr harter Gegner“) nicht ergänzen konnte, ist zwar ein würdiger Champion. Gegen die drei anderen Titelträger Denis Lebedev (WBA), Murat Gassiev (IBF/beide Russland) und Oleksandr Usyk (WBO/Ukraine) würde er aber wahrscheinlich verlieren.

Denkbar also, dass Marco Hucks Weg im Herbst seiner Karriere erneut ins Schwergewicht führen wird. Im Februar 2012 hatte er schon einmal einen Ausflug gewagt und dabei seinem damaligen Sauerland-Stallkollegen Alexander Povetkin einen beherzten Kampf geboten. „Das Cruisergewicht ist derzeit die dominierende Gewichtsklasse, deshalb wäre es im Schwergewicht sicherlich leichter“, sagte er. Andererseits wäre Marco Huck nicht der Krieger, der er sein möchte, würde er den leichten Weg nehmen. Insofern sollte man ihm wohl die notwendige Zeit gewähren, die er braucht, um herauszufinden, was wirklich noch in ihm steckt.