Tyron Zeuge ist aktuell Deutschlands einziger Profiweltmeister im Boxen. Der 24-Jährige haderte, obwohl er gewann.

Potsdam. Den Profiboxer Tyron Zeuge zeichnet, abseits seiner Fähigkeiten im Ring, die Gabe aus, Wahrheiten offen auszusprechen. Und so war es keine Überraschung, dass der 24-Jährige wenig Mühe darauf verschwendete, gute Miene zum miesen Kampf zu machen. „Es ist ätzend, wenn man sich zwölf Wochen vorbereitet und dann so ein Mist dabei herauskommt. Das kotzt mich ehrlich gesagt ziemlich an“, schimpfte der Berliner am frühen Sonntagmorgen in der MBS-Arena in Potsdam. Man hätte angesichts dieser Klage und der deutlichen Kampfspuren in seinem Gesicht als Unwissender nicht unbedingt darauf geschlossen, dass dieser Mann gerade seinen WBA-WM-Titel im Supermittelgewicht erfolgreich verteidigt hatte.

Wer die vorangegangenen knapp fünf Runden allerdings verfolgt hatte, der konnte Zeuges Verdruss nachfühlen. Zwei Runden lang hatte er seinen nigerianischen Pflichtherausforderer Isaac Ekpo (34) mit seiner linken Führhand durch den Ring gehetzt und dabei in einigen Situationen nachgewiesen, warum er ein Boxer ist, dem man lieber zusieht, als ihm zuzuhören. Dann jedoch hatte es im dritten Durchgang diesen Cut gegeben an Zeuges rechter Augenbraue, über den im Nachgang viel diskutiert wurde. War er durch einen linken Haken entstanden, wie Ekpos Team reklamierte? War es ein Kopfstoß gewesen, und wenn ja, so wie es die meisten gesehen hatten, war er absichtlich ausgeführt worden oder im Eifer des Gefechts passiert?

Halten wir uns an die Fakten. Ringrichter Raul Caiz Senior, ein anerkannter Fachmann aus den USA, der an diesem Abend jedoch seinen Job furchtbar verrichtete, hatte in Runde fünf abgebrochen, nachdem Ringarzt Walter Wagner (Bayreuth) das Blut, das unaufhörlich aus der tiefen Risswunde floss, als zu arge Sichtbehinderung eingestuft hatte. Da Caiz den Kopfstoß als unabsichtlich bewertete und vier Runden vollständig absolviert waren, mussten die Punktrichter entscheiden. Die hatten allesamt Zeuge in Führung gesehen (49:46, 49:47, 48:47), sodass das Urteil absolut zu Recht einstimmig zugunsten des alten und neuen Weltmeisters ausfiel.

Sauerland gerät mit Ekpo-Promoter aneinander

Zum Preisboxen gehört, dass jede Seite auch noch nach dem Schlussgong das Beste für ihren Kämpfer herauszuholen versucht. So entbrannte zwischen Zeuges Promoter Kalle Sauerland und Ekpos Manager Theodore Singleton eine bizarre Diskussion über den von Sauerland geäußerten Vorwurf, Ekpo habe eine dreckige Taktik gewählt. Singleton, der den wegen einer Lungenerkrankung in den USA gebliebenen Starpromoter Don King würdig vertrat, indem er Zeuge vorhielt, wegen Konditionsproblemen aufgegeben zu haben, kündigte an, man werde den Kampf analysieren und danach über weitere Schritte entscheiden. Die Forderung des Herausforderers kleidete dessen Trainer Stacey McKinley in laut vorgetragene Worte: „Wir wollen ein sofortiges Rematch!“

Das jedoch wird es nicht geben, und es gibt auch keinen Grund dafür, denn mit Boxen hatte das, was von der dritten Runde an geboten wurde, nur sehr entfernt zu tun. Ekpo hielt und klammerte, Zeuge ließ sich unter dem Eindruck des Blutstroms in seinem Gesicht von der Unsauberkeit anstecken, suchte mit Einzelschlägen die schnelle Entscheidung und drehte sich ein ums andere Mal ab, ohne auf die Konsequenzen zu achten. Kurz: Es war ein unansehnliches Geschiebe, das Zeuges Coach Jürgen Brähmer passend als „Ringel-Rangel“ beschrieb. „Wir hätten gern einen sauberen Kampf gemacht, leider war der Gegner dazu nicht bereit“, sagte er. Am Ende war es der unzufriedene Sieger, der ein schönes Friedenszeichen sandte, indem er sagte: „Es geht hier um Sport und nicht um Krieg. Ich hasse meinen Gegner nicht, sondern will fair mit ihm umgehen. Deshalb ist das, was im Ring war, abgehakt.“

„Tyron kann von dem Kampf viel lernen“

Letztlich setzte sich also die Zufriedenheit darüber durch, dass Zeuge seinen Status als einziger einheimischer Profiboxweltmeister verteidigt hatte und Deutschland nicht erstmals seit 1993 ohne Champion dasteht. Dass noch viel Arbeit verrichtet werden muss, um diesen Status zu halten, hatte Michael Timm erkannt. Der ehemalige Weltmeistermacher des Hamburger Universum-Stalls, der aktuell den Schweriner Olympiastützpunkt leitet, darf nach der Aufhebung der Trennung von Amateur- und Profiboxen offiziell in beiden Lagern tätig sein und feierte sein Proficomeback als Brähmers Assistent. Seine Erkenntnis: „Tyson hat nach zwei richtig starken Runden seine Linie verloren. Ihm fehlt einfach noch Erfahrung, aber aus solchen Abenden wie dem heutigen kann er viel lernen.“

Das, sagte Zeuge, nachdem man ihn mit einer frischen Currywurst aus seinem Berliner Stammimbiss besänftigt hatte, wolle er gern tun. „Aber erst nach einem Urlaub, in dem ich meine Ruhe genießen will.“ Für Mai oder Juni ist bereits der nächste Kampf geplant. Rivale soll der Brite Paul Smith (34) sein, der 2014/15 zweimal nach Punkten gegen Arthur Abraham verlor und in Potsdam am Ring saß. „Tyron hat zu Recht gewonnen, aber es war nicht gut anzuschauen. Ich kann versprechen, dass wir den Fans einen schöneren und faireren Kampf liefern werden“, sagte er. Es dürfte nicht viel dazugehören, um dieses Versprechen zu halten.