Hamburg. Beim Haspa-Marathon teilen sich in dem neuen Format „Women’s Race“ zwei Läuferinnen die Strecke.

Sabine Middeke hat in ihrem Leben schon fünf Marathons absolviert. Drei in Hamburg, einen in Ulm und einen auf Mallorca. „Ich habe an etlichen weiteren Wettkämpfen teilgenommen, aber die anderen kriege ich nicht mehr alle zusammen“, erzählt die 52-Jährige. Sie versucht sich zu erinnern. Amsterdam. Am Rennsteig. Sie nimmt noch einen Schluck Espresso.

Ihr gegenüber im Alstercliff sitzt Jasmin Rose. Die 25 Jahre alte Finanzberaterin der Hamburger Sparkasse muss nicht lange überlegen, um von ihrer Wettkampferfahrung zu berichten. „Ich habe bisher an zwei Staffelläufen beim Hamburg Marathon teilgenommen. Im vergangenen Jahr bin ich sogar die längste Distanz über 16,3 Kilometer gelaufen“, sagt Rose. Während Middeke noch ihren Gedanken nachhängt, träumt Rose schon von ihrem nächsten großen Highlight, dem Haspa-Marathon am 23. April.

Zahlen und Fakten

In diesem Jahr wird zum ersten Mal der „Women’s Race“ ausgetragen. Dabei starten zwei Frauen als Team und absolvieren je einen Halbmarathon (21,8 und 20,4 km). 999 Plätze (à zwei Teilnehmerinnen) stehen zur Verfügung. Rose startet mit einer Freundin, Middekes Partnerin hat sich am Knie verletzt. Sie sucht noch nach Ersatz. „Notfalls laufe ich die Strecke alleine“, scherzt Middeke. In jedem Witz steckt auch ein Fünkchen Wahrheit.

Frauen waren beim Marathon lange Zeit unerwünscht. Ihnen trauten Ärzte und Sportmediziner, vor allem aber männliche Funktionäre nicht zu, die Strapazen der Strecke körperlich zu bewältigen. Noch 1967 wurde Katherine Switzer, die sich als K. V. Switzer angemeldet hatte, um keinen Hinweis auf ihr Geschlecht zu liefern, in Boston vom Veranstalter mit Polizeigewalt von der Straße geholt. 1972 durften in Boston die ersten Frauen offiziell mitlaufen, 1984 in Los Angeles das erste Mal bei Olympia.

Heute beträgt bei den großen Stadtmarathons in den USA der Frauenanteil um die 50 Prozent. Deutschland und Europa hinken da deutlich hinterher. In Hamburg werden in diesem Jahr immerhin rund 34 Prozent weibliche Teilnehmer am Start erwartet. „Je kürzer die Strecke ist, desto mehr Frauen machen mit“, sagt Hamburgs Marathon-Chef Frank Thaleiser.

Frauenläufe über sechs, acht oder zehn Kilometer seien regelmäßig im Nu ausgebucht, bei der Hamburger Marathon-Staffel, die in vier Abschnitte über 16,3, 11,2, 5,4 und 9,4 Kilometer unterteilt ist, sind etwa 50 Prozent der Teilnehmer Läuferinnen.

Männer „gucken einen ganz böse an“

„Staffeln locken Frauen an. Männer mögen sich oft nicht unterhalten. Die gucken einen ganz böse an, wenn man noch Zeit zum Quatschen hat“, verrät Middeke. „Wenn man sie dann auch noch überholt, dann sind sie richtig sauer.“ Die IT-Anwendungsbetreuerin der Haspa lacht.

Ein zusätzlicher Vorteil des Frauenlaufs: Er bringt den Alltag nicht so durcheinander wie ein kompletter Marathon. Das Training für die 42,195 Kilometer kostet über Wochen und Monate viel Zeit. „Ich trainiere Dienstagabend in einer Laufgruppe und einmal am Wochenende. Das ist für einen Marathon zu wenig“, erklärt Middeke. Deshalb habe sie sich nur für die halbe Distanz angemeldet. Sie wolle sich schließlich auch noch mit Freunden treffen oder Yoga machen. Und einen Job habe sie ja auch noch.

Noch ein anderes zeitintensives Hobby

Rose trainiert ebenfalls zweimal in der Woche. Neben dem Laufen hat die gebürtige Hamburgerin noch ein anderes zeitintensives Hobby: das Reiten. „Bevor ich an kleinen Laufwettkämpfen teilgenommen habe, bin ich Marathon mit Pferden geritten“, erzählt Rose. Wie bitte?! Marathon mit Pferden?

Ja, richtig gehört. Distanzreiten nennt sich das. Bis zu 160 Kilometer lang sind die Strecken, die häufig durch Wälder führen. Zehn Stunden hat Rose bei den Rennen dafür benötigt. „Mein Pferd ist dann irgendwann zu alt gewesen, und ich konnte nicht mehr an den Wettkämpfen teilnehmen.“ Deswegen läuft sie jetzt selbst und reitet nur noch hobbymäßig.

„Die Stimmung ist einzigartig“

Middeke und Rose legen beim Frauenlauf den ersten Teil der Strecke zurück, vorbei an Elbe und Alster. „Die Stimmung ist einzigartig. Wenn die Zuschauer einen Vornamen lesen und ihn rufen, motiviert das unheimlich. Man denkt nicht mehr nach, sondern läuft einfach“, sagt Rose. Die beiden Frauen sind natürlich am Start verabredet. Zum Quatschen für Zwischendurch.