Teheran. Die für den Hamburger SK spielende Großmeisterin Elisabeth Pähtz ist bei den Weltmeisterschaften gescheitert.

Das erhoffte Minimalziel nicht erreicht, dafür ein bitteres Aus in Runde zwei: Elisabeth Pähtz muss bei der Schach-Weltmeisterschaft der Frauen in Teheran vorzeitig die Koffer packen. Im Stichkampf unterlag die für den Hamburger SK in der Frauen-Bundesliga spielende Großmeisterin der Schwedin Pia Cramling chancenlos mit 0:2. Die beiden regulären Partien waren zuvor mit jeweils kurzzügigen Remisen zu Ende gegangen, nachdem beide Spielerinnen das letzte Risiko gescheut hatten und auf den Tiebreak mit verkürzter Bedenkzeit setzten.

Beide taten es aus durchaus gutem Grund. Cramling, einst selbst ein schachliches Wunderkind, vertraute ihrer großen Erfahrung. Die 53-Jährige stand in den 90er-Jahren an der Spitze der Weltrangliste, gewann später zweimal die Europameisterschaft und schaffte bei der WM 2008 den Sprung ins Halbfinale.

Pähtz, die begnadete Angriffsspielerin, pochte auf jugendliche Kondition und darauf, dass sie in Schnell- und Blitzpartien ihr Nervenkostüm besser im Griff hat. Doch diesmal galt das nicht.

Mit den weißen Steinen glitt der Erfurterin die Partie nach ordentlicher Eröffnung mit einigen ungenauen Zügen peu a peu aus den Händen. Nach 35 Zügen besiegelte der Verlust eines Turmes das weiße Schicksal.

Mit dem Druck des Gewinnenmüssens fand die 32-Jährige dann in der zweiten Partie nicht mehr die Kraft und Kondition zu kontern. Mit den schwarzen Steinen sah sie sich in einer hochkomplizierten Stellung schnell einem verheerenden Angriff gegenüber, in dem es für ihren entblößten König kein Entkommen mehr gab.

„Die noch immer aufblitzende Weltklasse Cramlings hat sich durchgesetzt“, bescheinigte Vater und Heimtrainer Thomas Pähtz der Gegnerin einen starken Auftritt, „auch wenn ein Tiebreak natürlich immer Nervenspiel und Glückssache bleibt, wie ein Elfmeterschießen beim Fußball.“

Zweimal hatte sie das Achtelfinale erreicht

Pähtz hatte sich insgeheim mehr ausgerechnet. Schon zweimal hatte sie bei Weltmeisterschaften das Achtelfinale erreicht – zum ersten Mal 2001 in Moskau. Damals war sie 16. Auch in Teheran meisterte sie die erste Runde souverän. Ein Remis und ein leicht herausgespielter Sieg gegen ihre Vereinskollegin beim HSK, Atousa Pourkashiyan aus dem Iran, weckten Hoffnungen auf mehr. Doch nun sitzt die Deutsche im Flugzeug auf dem Weg zurück in die Heimat.

Unterwegs zu sein ist für sie normal. 30 000 Meilen hat sie im vergangenen Jahr in der Luft gesammelt. Sibirien, Bulgarien, Amerika. China, Südafrika, die Türkei, Georgien, Katar. Zehn Monate im Jahr ist sie in der weiten Welt. Wenn Vater Thomas zu Hause den Computer einschaltet, dann ploppt in der Regel ein kleines Fenster auf: Ellilara ist online.

Ellilara ist ihr Pseudonym. Via Internettelefon Skype diskutieren beide Schachvarianten für eine anstehende Partie. Manchmal schüttet sie ihr Herz aus, manchmal sind es einfach nur ein paar väterliche Ratschläge, die die Tochter dann in einem Hotel in Peking erreichen oder bei einer Freundin in Moskau. Oder unterwegs zu einem Schulschachprojekt in Johannesburg.

Ein Dasein ohne Schach ist nur schwer vorstellbar

Rückblende. 1994, mit gerade einmal neun Jahren, spielt sie schon in der Bundesliga der Frauen. Ein Jahr später holt sie Silber bei Europa- und Weltmeisterschaft. Das German Wunderkind ist geboren. Zweimal wird sie Weltmeisterin. Eine einmalige Leistung im deutschen Schach. Gut zwanzig Jahre später sind die Wunder vorbei. Rückblickend spricht sie von ihrer Blütezeit. Als Mädchen ist man fürs Fernsehen interessant, aber das hört dann auf , sagte sie einmal im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeine .

Damals war sie bei Harald Schmidt und Hape Kerkeling. Heute ist sie noch immer die stärkste deutsche Schachspielerin. Eine Nummer eins auf lange Sicht. Doch Schach ist eine Randsportart. Und Frauenschach liegt am Rand dieses Randes. Vor allem: Sie ist nicht mehr das Wunderkind von einst. Elisabeth Pähtz ist erwachsen geworden, seit anderthalb Jahren verheiratet. Mit Luca, einem Italiener mit albanischen Wurzeln und Doktorand der Gentechnologie in Rom, lebt sie in Heidelberg.

Sie hat die Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin abgeschlossen. Und ja, sie hat darüber nachgedacht, in dem Beruf zu arbeiten. Ein Job, wie gemacht für sie, die fünf Sprachen spricht. Doch dann spürt sie es wieder. Ein Dasein ohne Schach ist für sie nur schwer vorstellbar: „Mein ganzer Freundeskreis, ja, mein ganzes Leben baut darauf auf.“ Sie nennt es eine Ersatzfamilie. Andere haben Freundschaften im Hausaufgang nebenan. Elisabeth Pähtz Nachbarschaft ist die Weltelite.

In der dritten Runde trifft Cramling bei der WM übrigens auf Ex-Weltmeisterin Alexandra Kosteniuk. Die verpasste Gelegenheit, gegen das russische Glamour-Girl anzutreten, kann die Erfurterin immerhin Ende Juli nachholen. Beim 2. Frauen-Schachfestival in ihrer Heimatstadt spielt sie ein Match gegen Kosteniuk. Und schon im Frühjahr will sich Deutschlands Nummer eins für das WM-Aus revanchieren: bei den Europameisterschaften im April in Riga.