Mülheim. Feldhockeymeister gewinnt in Mülheim das Hamburger Finale gegen einen starken HTHC mit 8:7 im Penaltyschießen.

Claas Henkel hatte sich gerade aus der rotblauen Jubeltraube befreit, als er einen Entschluss fasste. „Ich werde mal mit meiner Krankenkasse reden, ob es nicht besser wäre, wenn wir unseren Spielstil ändern. Zweimal innerhalb von acht Monaten im Penaltyschießen deutscher Meister zu werden, das ist für meine Gesundheit nicht optimal“, sagte der Cheftrainer der Hockeydamen des Uhlenhorster HC. Mit 8:7 hatte sein Team, das im Juni 2016 ebenfalls im Shoot-out deutscher Feldmeister geworden war, bei der Hallenendrunde in Mülheim an der Ruhr das Hamburger Finale gegen den Harvestehuder THC gewonnen und sich damit den zweiten nationalen Meistertitel unterm Hallendach nach 2014 gesichert.

Während die 500 HTHC-Anhänger unter den 2500 Fans in der ausverkauften Innogy-Sporthalle lautstark gegen die zweite Enttäuschung nach dem grotesken Halbfinalaus ihres Herrenteams (Text rechts) ansangen, wurden im 250 Menschen starken UHC-Fanblock Lobeshymnen auf Yvonne Frank angestimmt. Die 36 Jahre alte Torhüterin, die nach Olympia in Rio ihre Karriere im deutschen Auswahlteam beendet hatte, war im dramatischen Shoot-out Sieggarantin geworden. Nachdem Katharina Otte per Flachschuss zum 8:7 getroffen hatte, musste Anne Deupmann für den HTHC antreten – und war nur durch ein Foul von Frank zu stoppen.

Zum daraufhin fälligen Siebenmeter trat – das erlauben die komplizierten Hockeyregeln – Nationalspielerin Franzisca Hauke an, die über die gesamte Hallenserie als Anführerin vorangegangen war. In der regulären Spielzeit hatte sie bereits einen Siebenmeter verwandelt, nun musste sie sich entscheiden, ob sie wieder den erfolgbringenden Flachschuss oder eine Variante wählen würde. „Leider hatte ich zu viel Zeit zum Nachdenken“, sagte sie später, „und wenn du als Schützin damit anfängst, dann hast du schon verloren.“

Großes Lob für die UHC-Torfrau

So war es. Der Schuss flog in Richtung linker Torwinkel, dorthin zuckte jedoch auch Franks Arm – und mit ihrem Schoner rettete die Polizeibeamtin, die zur besten Torhüterin der Endrunde gewählt wurde, ihrer Mannschaft den Triumph. Dass sie ihren Anteil daran kleinzureden versuchte, liegt in ihrem Naturell begründet. „Ich habe mehr als 20 Jahre Erfahrung. Wenn ich die in so einem Moment nicht einbringen würde, wann dann?“ sagte sie. Dass der Titel ihr letzter in der Halle gewesen sein könnte, weil im Sommer das Karriereende eine Option ist, „macht ihn für mich besonders wichtig“. Trainer Henkel, dessen Team die beiden Hauptrundenspiele gegen den HTHC 6:5 und 5:1 gewonnen hatte und entsprechend favorisiert gewesen war, ordnete die Leistung seiner Torfrau realistischer ein. „Sie ist einfach die Beste, die wir in Deutschland haben.“

Franks Fabeltat war indes nicht die einzige Geschichte, die das erste Hamburger Hallenfinale seit 2014 zu bieten hatte. Eine weitere Protagonistin nahm den Trubel wie durch einen Schleier wahr. 1200 Milligramm des Schmerzmittels Ibuprofen hatte Lisa Altenburg gebraucht, um überhaupt spielfähig zu werden, nachdem sie im Halbfinale beim 3:1 gegen den Düsseldorfer HC bei einem Zusammenprall mit einer Gegenspielerin ein Schleudertrauma erlitten hatte. „Mein Schädel dröhnt, aber ich wollte unbedingt spielen und bin umso glücklicher, dass es so gut geklappt hat“, sagte die 27-Jährige, die sich nun eine Woche im Skiurlaub erholen kann.

Umso unglaublicher war die Energieleistung der Torjägerin, die lediglich am 1:0 durch Céline Wilde (3.) nicht beteiligt war. Das 2:0 schoss die Nationalstürmerin per Siebenmeter selbst (4.), das 3:1 durch Janne Müller-Wieland (48.) und das 4:2 durch Marie Mävers (55.) bereitete sie vor, und im Penaltyschießen behielt sie zweimal die Nerven. „Ihre Leistung war sensationell“, lobte Trainer Henkel.

„Der Glaube ist entscheidend“

Nicht vergessen werden darf, dass das auch für den Auftritt des HTHC galt. Cheftrainer Tomek Laskowski, der sein Amt im Sommer 2015 übernommen hatte, hat aus einem oft zaudernden Abstiegskandidaten eine Einheit geformt, die nicht nur athletisch und taktisch überzeugt, sondern auch spielerisch mit der Topteams mithält. Beim 4:3 im Halbfinale gegen Titelverteidiger Mannheimer HC hatten sie ebenso einen Zweitorerückstand aufgeholt wie im Finale. „Der Glaube an die eigene Stärke ist entscheidend. Die Entwicklung des Teams ist unglaublich, ich bin sehr stolz auf die Mädels“, sagte der Pole, für dessen Auswahl neben Hauke (28.) und Deupmann (57.) die zur besten Endrundenspielerin gewählte Friderike Schlenker (51.) und Alina Fischer (57.) trafen.

Die Leistung des Gegners wollte auch Henkel hervorheben. „Der HTHC hat eine großartige Saison gespielt. Wir haben uns den Titel heute nicht erspielt, sondern hart erkämpft. Umso wertvoller schätze ich ihn ein“, sagte der UHC-Coach, bevor er sich anstelle des Gesprächs mit seiner Krankenkasse auf der Zugrückreise lieber einer ausschweifenden Getränkekur unterzog.