Melbourne. Hamburger bezwingt die Nummer eins Andy Murray. Mischa Zverev setzte auf Serve and Volley – und auf seine Mutter.

Sensationssieg für den Hamburger Mischa Zverev bei den Australian Open über den Weltranglistenersten Andy Murray: Die Nummer 50 steht nach einem grandiosen 7:5, 5:7, 6:2, 6:4-Sieg über den Schotten Murray völlig unerwartet im Viertelfinale gegen Roger Federer. Auch Novak Djokovic war ausgeschieden, sodass das erste Grand Slam Turnier des Jahres einige faustdicke Überraschungen birgt.

Zverev hatte Tränen in den Augen. "Dieser Sieg bedeutet die Welt für mich. Ich weiß nicht, wie ich das geschafft habe. Es war schwierig, ruhig zu bleiben", sagte Zverev. In der Box freuten sich Vater Alexander Senior, Mutter Irena und der jüngere Bruder Alexander mit.

Im Viertelfinale am Dienstag geht es nun gegen Roger Federer. Der nur an Position 17 gesetzte Grand-Slam-Rekordsieger aus der Schweiz gewann sein Achtelfinalmatch in Melbourne in 3:24 Stunden mit 6:7 (4:7), 6:4, 6:1, 4:6, 6:3 gegen den ehemaligen US-Open-Finalisten Kei Nishikori (Japan/Nr. 5).

Die deutsche Tennis-Legende Boris Becker war angesichts von Zverevs Leistung baff: "Es ist sogar die größte Sensation der bisherigen Australian Open, größer noch als die Zweitrunden-Niederlage von Novak Djokovic gegen Denis Istomin. Murray ist die Nummer eins der Welt, er spielt seit Monaten ein berauschendes Tennis. Mischa ist dagegen nie über die dritte Runde eines Grand-Slam-Turniers hinausgekommen, hier in Melbourne sogar nie über die zweite Runde", sagte Becker dem sid. Becker sagte weiter, Zverev habe ihn an seine eigene Zeit mit Serve and Volley erinnert. "Ich habe ja genauso offensiv gespielt. Es ist vielleicht eine Art Ruf an die jungen Spieler, nicht immer an der Grundlinie zu kleben, sondern sich daran zu erinnern, dass man auch mit einem starken Aufschlag und einem guten Volley erfolgreich sein und gutes Tennis spielen kann."

Mischa Zverev kam bei einem Major-Turnier noch nie so weit

Mischa Zverev ist der erste deutsche Spieler seit Tommy Haas 2007, der beim ersten Major-Event des Jahres wieder die Runde der letzten Acht erreicht. Mischa Zverev, der zehn Jahre ältere Bruder von Alexander Zverev, war zuvor noch nie über die dritte Runde eines Major-Turniers hinausgekommen.

Die australischen Medien haben aber auch Alexander Zverev in den höchsten Tönen gelobt. Die Tageszeitung "Sunday Age" schwärmte von den "katapultartigen Schlägen" des 19-jährigen Zverev, "der in Sachen Koordination und Qualität etwas Besonderes ist." Die "Herald Sun" staunte über das "faszinierende Power-Tennis" des 1,98 Meter großen Hamburgers und schrieb: "Er steht an der Spitze der nächsten Generation."

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Mischa Zverev entnervte Andy Murray

Der Außenseiter Mischa Zverev lag im ersten Satz gleich zweimal mit einem Break zurück, ließ sich aber nicht entmutigen und stürmte immer wieder ans Netz. Getragen von den 15.000 Zuschauern in der ausverkauften Rod-Laver-Arena, entnervte er den zweimaligen Olympiasieger Murray mit seinem Rückhand-Slice und der ansatzlosen, aber knallhart geschlagenen Vorhand.

Es ist das erste Mal, dass Mischa Zverev in seiner Karriere überhaupt gegen einen Weltranglistenersten gewonnen hat. Am Tag zuvor war sein jüngerer Bruder Alexander nach einem hochklassigen Fünfsatz-Krimi in der dritten Runde knapp an Rafael Nadal (Spanien/Nr. 9) gescheitert.

118 Netzattacken

Mischa machte es besser. Selbst dann, als Murray nach dem gewonnenen zweiten Satz scheinbar Oberwasser bekam, rückte der Hamburger mit russischen Wurzeln und amerikanischem Akzent nicht von seiner Angriffstaktik ab. Insgesamt stürmte Zverev 118-mal ans Netz und machte dabei 65 Punkte.

Selbst den Ärger über einen vermeintlich leichten Überkopfball, der er in kritischer Situation beim Stand von 4:3 im vierten Satz ins Netz schlug, konnte Zverev nicht mehr vom Erfolgsweg abbringen. "Ich habe nach diesem Fehler zu meiner Mutter in die Box geschaut. Sie hat gelacht, das macht sie immer, wenn ich so leichte Bälle verschlage. Dann war alles wieder gut", berichtete der Linkshänder.

Selbst Ivan Lendl schaute ratlos

Topfavorit Murray (29), der in den vergangenen beiden Jahren im Finale von Melbourne gestanden hatte, kassierte seine früheste Niederlage bei den Australien Open seit 2009. In seiner Box schaute Coach Ivan Lendl völlig ratlos drein. Das letzte Mal hatte Murray Down under vor elf Jahren gegen einen Kontrahenten außerhalb der Top 50 verloren. Nach dem Zweitrunden-K.o. von Novak Djokovic (Serbien/Nr. 2) ist Murray das nächste prominente "Opfer", die Nummer eins und zwei der Setzliste sind bereits vor dem Viertelfinale raus. Auch im Frauenfeld sind schon etliche Titelanwärterinnen ausgeschieden.

Mona Barthel ausgeschieden

Zehn Jahre trennen die beiden, viel Erfahrung, etliche Titel – und am Sonntag auch die Konzentration auf das Wesentliche. Mona Barthel (26) aus Bad Segeberg ist bei den Australian Open in Melbourne an der Amerikanerin Venus Williams (36) gescheitert. Immerhin kann sie sich über ein Preisgeld von umgerechnet knapp 156.000 Euro freuen.

Zehn Breakchancen hatte sie, nur zwei davon konnte sie nutzen. Die Niederlage im Achtelfinale mit 3:6 und 5:7 gegen die frühere Weltranglistenerste brachte ihr aber Lob von Williams ein: „Sie hat gut gespielt, so viele Bälle kamen zurück. Ich war gezwungen, mein bestes Tennis zu spielen. Sie hat Erfahrung und musste davor einige harte Matches spielen."

Damit ist bei den Damen aus deutscher Sicht nur noch Titelverteidigerin Angelique Kerber dabei, die Nummer eins der Welt spielt an diesem Sonntag gegen Coco Vandeweghe aus den USA. Bei den Herren musste nach Barthel der Hamburger Mischa Zverev gegen den Weltranglistenersten Andy Murray aus Schottland antreten.

Mona Barthel machte zu viele Fehler

Barthel kam schwer in ihr insgesamt schon siebtes Match nach gelungener Qualifikation in Melbourne. Die im vorigen Jahr lange durch eine rätselhafte Erkrankung geschwächte 26-Jährige lag schnell 0:3 zurück. Bei bestem Sommerwetter fand die auf Rang 181 der Weltrangliste abgerutschte Barthel danach zwar etwas besser in die Partie und verkürzte auf 3:4. Insgesamt jedoch unterliefen der Norddeutschen in der Rod-Laver-Arena zu viele Fehler gegen die Altmeisterin.

Die auf Rang 17 der Weltrangliste stehende ältere Schwester von Rekordsiegerin Serena Williams konnte zumeist mehr Druck ausüben. Trotzdem schaffte es Barthel, den zweiten Satz ausgeglichener zu gestalten, weil Venus Williams auch einige Fehler mehr machte.

Die Gewinnerin von sieben Grand-Slam-Titeln, die 2003 im Endspiel der Australian Open gegen ihre Schwester verlor, schaffte dann mit dem Break zum 6:5 praktisch schon die Entscheidung im zweiten Satz und damit in der gesamten Begegnung. Wenig später nutzte sie ihren ersten Matchball zum dritten Sieg im dritten Vergleich mit Barthel.