Hamburg. Nach Jahren als Assistenzcoach gibt Slava Schmidt beim Zweitligateam VT Hamburg am Sonnabend sein Heimdebüt als Cheftrainer.

Nicht selten sind es Zufälle, die über Weichenstellungen im Leben entscheiden. Als die Zweitligafrauen des Volleyball-Teams Hamburg am 17. Dezember gegen den VfL Oythe antreten mussten, war Physiotherapeutin Lena Schmunck verhindert. Ersatz musste her, also brachte Interims-Cheftrainer Vaceslav Schmidt seine Ehefrau Natalie mit, die gelernte Physiotherapeutin ist. Seit 2011 arbeitet der 34-Jährige, den alle nur Slava nennen, im Verein, er war zunächst Jugendtrainer, dann Assistent der Chefcoaches in der Reserve und der ersten Mannschaft. Aber nie zuvor hatte seine Frau neben ihm auf der Bank gesessen.

3:0 siegten die Hamburgerinnen nach der von ihnen vor der Partie mitinitiierten Trennung von Cheftrainer Ali Hobst gegen Oythe. Und nachdem Schmidts Ehefrau die Atmosphäre in der Halle und bei der anschließenden Weihnachtsfeier aufgesogen hatte, nachdem sie erlebt hatte, wie viele Sympathien ihrem Mann aus der Mannschaft und deren Umfeld zuflogen, gab sie ihr Okay, den Zusatz Interim für den Rest der Saison 2016/17 zu tilgen.

Avancen zweimal zurückgewiesen

„Ihre Zustimmung war für mich entscheidend, schließlich geht für den neuen Posten fast das gesamte Privatleben drauf“, sagt Slava Schmidt, der nur deshalb an diesem Sonnabend (17 Uhr, CU-Arena), wenn der Tabellenneunte VTH den -siebten TV Gladbeck zum ersten Heimspiel des Jahres empfängt, erstmals offiziell als Cheftrainer fungiert.

Zuvor hatte er die Avancen von Clubpräsident Volker Stuhrmann bereits zweimal zurückgewiesen. Erstmals im Frühling 2016, als nach dem durch den Rückzug von Hauptsponsor Aurubis nötig gewordenen Abstieg aus der Bundesliga ein neuer Chef gesucht wurde. Und dann erneut vor Saisonstart, als der neu verpflichtete Fabio Bartolone wegen einer schweren Erkrankung seinen Posten nicht antreten konnte.

Stärken liegen in Verlässlichkeit

„Slava war immer mein Wunschkandidat“, sagt Stuhrmann, „insofern bin ich sehr froh, dass er diesmal zugesagt hat.“ Die Strafzahlung an die Liga, die fällig wird, weil Schmidt die für Cheftrainer notwendige A-Lizenz noch nicht besitzt, übernimmt der Präsident deshalb klaglos.

Die größten Stärken des gebürtigen Kirgisen, der 2003 mit seiner Frau und dem heute 14 Jahre alten Sohn Igor aus seiner Heimat Bischkek nach Hamburg kam, sieht Stuhrmann in der Verlässlichkeit des früheren kirgisischen Erstligaspielers, der schon vor zwei Jahren, als der damalige Cheftrainer Dirk Sauermann über Monate erkrankt ausfiel, als Interimscoach einsprang.

Gutes Standing bei den Spielerinnen

„Außerdem hat er ein sehr gutes Standing bei den Spielerinnen, und er kennt das Team und den Verein genau. Das wird uns in den verbleibenden Partien sehr helfen.“ Spielführerin Karine Muijlwijk bestätigt das. „Slava ist mit viel Emotion und Passion bei der Sache und weiß genau, was wir brauchen und wie wir ticken“, sagt die niederländische Außenangreiferin.

„Die Resonanz aus dem Team war sehr wichtig für meine Entscheidung“, sagt Schmidt. Er weiß, dass ihm der Ruf vorauseilt, zu nett zu sein und dem Team zu viel Mitsprache zu gewähren. Außerdem halten ihn einige Experten fachlich für nicht ausreichend ausgebildet, sehen auch Schmidts Weigerung, auf seinen Hauptberuf als Müllwagenfahrer zu verzichten, kritisch.

Jede Spielerin gleich behandeln

Sein wichtigstes Credo, jede Spielerin gleich zu behandeln und jeder ein Maximum an Vertrauen entgegenzubringen, will der neue Chefcoach aber ebenso nicht aufgeben wie die 40-Stunden-Woche bei der Stadtreinigung. „Das ist ein sicherer Job, außerdem kann ich so besser nachvollziehen, wie es vielen meiner Spielerinnen geht, die ebenfalls arbeiten müssen, weil sie vom Volleyball nicht leben können“, sagt er.

Ob er über die Saison hinaus Cheftrainer bleiben wird, wie Clubchef Stuhrmann es wünscht, lässt Slava Schmidt offen. Seine A-Lizenz will er aber in Angriff nehmen. „Und dann schauen wir, was kommt.“