Aus nach 800 Metern: Zum ersten Mal nach 19 Rennen erreicht der Formel-1-Weltmeister nicht das Ziel. Hamilton gewinnt in Abu Dhabi.

Abu Dhabi. Knapp zwei Stunden dauerte es, dann fand Sebastian Vettel endlich ein paar Worte. Zwischendurch sah er so verzweifelt aus wie seit über einem Jahr nicht mehr. Seit ihm damals in Südkorea der Renault-Motor in seinem Red Bull geplatzt war, also seit 385 Tagen oder 19 Rennen, war der jüngste Weltmeister der Formel-1-Geschichte nicht mehr ausgeschieden. Und jetzt, während die 23 anderen Rennfahrer beim Großen Preis von Abu Dhabi ihre Runden drehten, saß Vettel mit halb geöffneten Visier in der Garage, trommelte auf sein Lenkrad, kauerte sich mit rundem Rücken vor einen Datenmonitor und raufte sich die Haare. Sogar dem gern unterkühlt auftretenden Formel-1-Chefvermarkter Bernie Ecclestone schienen die Posen des Weltmeisters unter die Haut zu gehen. Er begab sich zum Champion, flüsterte ihm etwas ins Ohr und tätschelte den deutschen Starfahrer. Vor einem Jahr war Vettel am Persischen Golf zum Champion gekürt worden, am Sonntag dauerte seine Dienstfahrt nur eine Runde lang.

Schon nach 800 Metern hatte Vettel ein Rad ab. Und das ohne jede Feindberührung, nachdem er wie so oft vom ersten Startplatz aus der Konkurrenz davongefahren war. Der Weltmeister und sein Red-Bull-Rennstall machten aus der Ursache für den dubiosen Defekt, der Vettel aus der zweiten Kurve katapultiert hatte, ein Geheimnis. RTL-Experte Niki Lauda recherchierte im Motorhome von Red Bull nur, ihm sei "halt das Rad eingegangen".

Vor der Fernsehkamera sagte Vettel, schon wieder etwas entspannter: "Viel mehr als das, was jeder sieht, wissen wir auch nicht." Er hatte zuvor vergeblich versucht, seinen Wagen noch bis zum Reifenwechsel zu retten, aber selbst die Schleichfahrt war nicht schonend genug. "Es ist ein bisschen schwer, sich den Reifen anzuschauen, weil der überall verteilt ist. Auf der Hälfte der Strecke ist er auseinandergerissen, und die Aufhängung hat es auch zerlegt." Auch die Mechaniker konnten nichts mehr für den demolierten Red Bull tun.

Es herrschte Grabesstimmung im sieggewohnten Weltmeisterteam, dabei war ein Ausfall für Vettel verschmerzbar. Schon seit dem Rennen in Suzuka steht Vettel als Weltmeister fest, ein Rennen später war dem Team der Konstrukteurstitel nicht mehr zu nehmen. Was genau schiefgelaufen war im Hause des Reifenlieferanten Pirelli oder sogar im eigenen Team, war gestern Abend nicht mehr zu ergründen.

In jedem Fall muss Vettel die Jagd nach Michael Schumachers Rekorden vorerst einstellen. In der Qualifikation hatte er die Bestmarke des Briten Nigel Mansell von 14 besten Trainingszeiten eingestellt. 13 Saisonsiege, wie sie Schumacher im Jahr 2004 im Ferrari gelangen, kann Vettel (derzeit elf Siege) nicht mehr erreichen. Weil er eben immer gewinnen möchte, grummelte er: "So etwas ärgert einen schon. Das Auto war schnell genug, um vorn mitzufahren."

2009 hatte Vettel in Abu Dhabi zum ersten Mal gewonnen, 2010 wurde er an gleicher Stelle zum Weltmeister gekrönt. "Es ist eine Ironie, dass es ausgerechnet hier passiert", sagte Teamchef Christian Horner. Immerhin gewann sein Pilot beim Gastauftritt am Kommandostand neue Eindrücke. "Ich wollte nur fünf Runden bleiben", sagte er. "Aber es war für mich interessant, weil ich mal einen Einblick von außen in die Strategie des Teams hatte." Vettels Teamkollege Mark Webber verpasste als Vierter das Podest.

Dort standen die sonst zu Statisten der Vettel-Show degradierten Konkurrenten Lewis Hamilton im McLaren vor Ferrari-Mann Fernando Alonso und Jenson Button im zweiten McLaren.

Die anderen deutschen Piloten schlugen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten ordentlich. Nico Rosberg und Michael Schumacher in den Mercedes-Silberpfeilen sowie Force-India-Fahrer Adrian Sutil belegten die Plätze sechs bis acht. Der siebenmalige Champion Schumacher hatte sich kurz nach dem Start in einer haarsträubenden Aktion an Rosberg vorbeigequetscht, fiel jedoch später zurück und konnte sich erst beim letzten Reifenwechsel den siebten Platz von Sutil zurückholen.