Hamburg. Die Crocodiles haben ein klares Ziel: Bis 2019 will der Eishockeyverein aus Farmsen in die zweite Eishockey-Liga DEL2 aufsteigen.

Die Gewissheit, Teil einer größeren Bewegung zu sein, verfestigte sich bei den Machern der Crocodiles am vergangenen Freitag. 1955 Zuschauer in der ausverkauften Farmsener Eishalle sahen, wie Hamburgs höchstklassiges Eishockeyteam mit einem 2:1-Sieg über die Rostock Piranhas in die Oberligasaison 2016/17 startete. Mehr Fans waren es seit Zweitligazeiten Ende des vergangenen Jahrtausends nicht gewesen. Kein Wunder also, dass die vage Hoffnung, an die erfolgreichste Epoche des 1990 gegründeten Clubs anzuknüpfen, längst einem festen Glauben daran gewichen ist. Die Crocodiles, so die Vision, wollen langfristig Eishockey auf hohem Niveau in der Stadt sichern.

Das Eishockeyteam aus Farmsen hat eine bewegte Vergangenheit

Aber wer sind diese Krokodile, die an diesem Freitag (20 Uhr) bei den Moskitos Essen antreten und am Sonntag (19 Uhr) FASS Berlin empfangen, überhaupt? Nils Abraham arbeitet seit sechs Jahren als Fachmann für Marketing und Pressearbeit für den Verein. Der 62-Jährige, der vor zwei Jahren seine Werbefirma verkaufte und dadurch Zeit für das Ehrenamt gewann, das ihn seit Monaten täglich sechs bis acht Stunden beschäftigt, stört sich daran, dass „in Teilen der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden ist, als seien wir aus dem Weltall nach Hamburg gestürzt“. Tatsächlich haben die Farmsener nicht nur Tradition, sondern auch eine bewegte Vergangenheit.

Als der 1. EHC Hamburg Ende der 80er-Jahre aus finanziellen Gründen den Spielbetrieb einstellen musste, wurde im Farmsener TV (2500 Mitglieder) eine Eishockeysparte gegründet, um den Nachwuchsbereich aufzufangen. Auch eine Landesligamannschaft ging ins Rennen. Mitte der 90er-Jahre übernahm der Unternehmer Klaus-Peter Jebens die Regie. Seinen Plan, eine Multifunktionsarena auf seinem Gewerbegelände am Höltigbaum in Rahlstedt zu bauen, wollte Jebens mit dem Betrieb einer Eishockeymannschaft unterfüttern. Deshalb gliederte er die Crocodiles aus dem FTV aus und übernahm 1996 als Alleingesellschafter die Spielbetriebs-GmbH. Es folgten drei Aufstiege, 1999/2000 trat das Team in der neu gegründeten Bundesliga an, der zweithöchsten Spielklasse nach der Deutschen Eishockey-Liga (DEL).

Christoph Schubert sorgte für einen Sympathieschub

Nachdem im Sommer 2000 der Plan scheiterte, die DEL-Lizenz der Starbulls Rosenheim zu kaufen, und die Stadt sich entschied, mit der Color-Line-Arena im Hamburger Westen eine Multifunktionsarena zu errichten, löste Jebens die Spielbetriebs-GmbH auf. Es folgten der Absturz in die fünftklassige Verbandsliga und die Wiedereingliederung in den FTV, die Rückkehr in die Regionalliga und nach der Ligenreform im Sommer 2010 die Einstufung in die drittklassige Oberliga, in der seitdem in jeder Saison der Klassenerhalt – meist mit großer Mühe – geschafft wurde.

„Für uns war allerdings finanziell jedes Jahr ein Ritt auf der Rasierklinge“, sagt Abraham. Im Januar 2016 war der Abstieg in die Regionalliga fast schon unabwendbar. Erst in einem kaum für möglich gehaltenen Kraftakt setzte sich die Mannschaft in der Abstiegsrunde gegen den Lokalrivalen HSV durch, der stattdessen absteigen musste. „Das war für uns eine Initialzündung. Unsere Sponsoren haben danach ihre Zuwendungen sogar erhöht“, sagt Abraham. Mit den Freezers nahm man nach dem Klassenerhalt Gespräche über eine mögliche Kooperation auf. „Dass nur ein paar Wochen später der große Knall kommen würde, hat niemand geahnt oder gewollt“, sagt er.

Der Etat in dieser Saison beträgt rund 400.000 Euro

Spätestens als Ende Juni der Wechsel von Freezers-Kapitän Christoph Schubert (34) zu den Crocodiles bekannt gegeben wurde, der als Abwehrspieler und auf der Geschäftsstelle eingesetzt wird, überrollte eine Welle der Sympathie den Club. Susann Noll, Leiterin der rund 230 Mitglieder großen Eishockeysparte, hat aber vor allem die Sorgen des rund 300 Personen starken Kerns der Croco-Fans ernst genommen. „Vom Underdog zum gefragten Club, das ist schon ein Einschnitt für uns. Die Identität der Crocodiles darf nicht verloren gehen“, sagt sie. Dennoch steht das Wohl des Eishockeys in Hamburg nicht nur für sie obenan. „Wir wollen, dass unser Sport in der Stadt dauerhaft auf gutem Niveau angeboten wird, um Talenten eine Perspektive zu geben. Wenn das unter dem Namen Crocodiles passieren kann, dann sind wir für alles offen.“

Abraham glaubt, dass das Umfeld stark genug ist, um die gestiegenen Erwartungen zu erfüllen. Aus dem Marketingteam der Freezers konnte Christian Schult gewonnen werden, der sich um die Sponsorenakquise kümmert. Sportdirektor Sven Gösch und Trainer Andris Bartkevics stellten einen 23-Mann-Kader zusammen, in dem mit Schubert sowie den Kanadiern Brad McGowan und Josh Mitchell drei Profis stehen. Der Etat von 400.000 Euro soll zum großen Teil über Zuschauereinnahmen gedeckt werden, die Hälfte davon wurde dank 1000 verkaufter Dauerkarten bereits eingespielt. Sportliches Ziel bleibt es, zum Abschluss des Dreijahresplans den Aufstieg in die DEL2 zu schaffen. „Wir haben keine Angst vor Erfolg“, sagt Nils Abraham, „wir arbeiten Tag und Nacht daran, um besser zu werden. Aber wir wollen Nachhaltigkeit und nicht wieder im Abseits landen.“