Hamburg. Hockey-Bundestrainer Valentin Altenburg über die Chancen der deutschen Herren bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro.

Die Aufregung, sagt Valentin Altenburg, werde kommen, wenn er am Freitagmorgen in Rio de Janeiro landet. „Bislang gab es noch so viele logistische Dinge zu klären, dass ich noch keine Zeit hatte, aufgeregt zu sein“, sagt der 35-Jährige, der in Brasilien seine ersten Olympischen Spiele erleben wird. Als Bundestrainer der Hockeyherren hat der Hamburger, der mit der ebenfalls für Rio nominierten Nationalstürmerin Lisa Altenburg eine Tochter hat, im November vergangenen Jahres das Erbe von Markus Weise angetreten, der die deutschen Herren 2008 in Peking und 2012 in London zu Gold führte. Unter Druck setzt ihn das nicht.

Herr Altenburg, wie schwer wiegt die Bürde, Nachfolger des erfolgreichsten Hockey-Bundestrainers der Geschichte zu sein, vor dem Olympiastart?

Valentin Altenburg: Das ist sicherlich eine besondere Verantwortung, Markus’ erfolgreichen Weg weiterzugehen. Wir wissen, dass es nicht ganz von alleine so weitergehen wird, und haben daher alles getan, um neuen Erfolg wahrscheinlich zu machen. Mir fällt die Loslösung von der Vergangenheit nicht schwer. Wir wollen neuen Erfolg in Rio schaffen.

Haben Sie versucht, sich von Weise abzugrenzen, oder haben Sie eher Dinge von ihm übernommen?

Ich will mich da weder groß abgrenzen noch Markus blind kopieren. Ich habe, im engen Austausch mit meinen Jungs und dem gesamten Staff, alles so gemacht, wie ich es für zielführend halte. Mein Ansatz als Trainer ist, situativ zu entscheiden, was notwendig ist, und andere in Entscheidungen einzubeziehen. So haben wir gemeinsam herausgefunden, was mit diesem neuen Team möglich und was dafür nötig ist.

Nach Platz sechs bei der WM 2014 und der derben 1:6-Pleite gegen die Niederlande im EM-Finale 2015 galt Deutschland nicht als Goldfavorit für Rio. Mittlerweile scheint es aber so, dass Sie das Team wieder an die Weltspitze herangeführt haben. Was war dafür nötig?

Die Mannschaft wurde neu aufgebaut, mehr als die Hälfte der Jungs hat in London 2012 nicht gespielt. Als ich übernommen habe, wollte ich die Ergebnisse von WM und EM nicht überbewerten, aber natürlich braucht jedes Team auch Erfolgserlebnisse. Die haben wir uns erarbeitet. Noch wichtiger aber ist mir, dass wir über unser Spiel hinaus das nötige Vertrauen ineinander entwickelt haben. Wir sind als Team zusammengewachsen, und ich glaube, dass wir selbstbewusst genug sein dürfen zu sagen, dass wir pünktlich zu Olympia wieder jede Mannschaft auf der Welt schlagen können.

Ist es ein Vorteil, nicht als Welt- oder Europameister nach Rio zu fahren und die Favoritenbürde somit anderen zu überlassen?

Ich glaube nicht, dass das so ist, denn wir sind Titelverteidiger, und jeder Gegner wird uns entsprechend begegnen. Ich empfinde diesen Druck als großes Privileg, das sich das Team vor vier Jahren erarbeitet hat. Und wir wollen darauf nun aufbauen.

Wie wollen Sie das dritte Gold in Serie holen? Ist Australien als amtierender Weltmeister nicht zu dominant?

Australien ragt aus der breiten Weltspitze, zu der ich neben uns auch die Niederlande, Belgien, Großbritannien, Neuseeland und Argentinien zähle, sicherlich heraus und ist Topfavorit. Deshalb werden wir uns aber sicherlich nicht in die Hose machen. Topfavorit waren sie 2008 und 2012 auch. Wir wollen in der Lage sein, höheres Tempo zu spielen als alle anderen. Wir haben in der Vorbereitung an unserem Umschaltspiel und der Temposteuerung gearbeitet.

Ist das der Trend im internationalen Hockey, den wir auch in Rio sehen werden? Mehr Tempohockey?

Tempo und Athletik werden sicherlich entscheidend sein. Ich erwarte zusätzlich, dass das Spiel noch individueller wird. Zuletzt wurde sehr viel am Kollektiv ausgerichtet, aber da international kleinlicher gepfiffen wird, werden die Individualisten bevorzugt, die mit normalen Mitteln nicht aufzuhalten sind. Generell werden die Spiele immer enger. Wer da mal eine schlechte Halbzeit spielt, hat kaum noch die Chance auf den Sieg.

Die Modusänderung, dass statt der beiden Gruppenbesten die ersten vier Teams jeder Gruppe weiterkommen und es ein Viertelfinale gibt, halten viele für einen Vorteil für Deutschland, das in Entscheidungsspielen immer top drauf ist. Sie auch?

Das ist eine gute Frage. Ich weiß, dass uns Entscheidungsspiele liegen. Ich weiß auch, dass es andere Teams gibt, die an einem Tag über sich hinauswachsen können. Insofern nehmen wir es ganz sachlich so, wie es ist, als ein zusätzliches K.-o.-Spiel, das wir unbedingt gewinnen müssen.

Ist die Gruppenphase nicht etwas entwertet, weil Platz vier reicht, um die K.-o.-Runde zu erreichen?

Das sehe ich nicht so. Wir brauchen jedes einzelne Gruppenspiel, um uns als Team zu finden, entsprechend ernst nehmen wir die Vorrunde. Da gibt es für uns kein Taktieren mehr, sondern immer nur Vollgas.

Ihr Abkommen mit dem Deutschen Hockey-Bund war zunächst nur als Projekt bis Rio ausgelegt. Starten Sie in Brasilien eine neue Ära, oder was machen Sie im Herbst?

Ich bereite auf jeden Fall den deutschen Nachwuchs auf die U21-WM im Dezember vor. Wer nach Rio Bundestrainer wird, entscheidet der Verband in Ruhe nach den Olympischen Spielen. Ich werde auf jeden Fall zu den Kandidaten zählen und habe große Lust, diese Aufgabe weiterzuführen, aber dass ich jetzt schon eine neue Ära präge, erscheint mir doch etwas verfrüht.