Hamburg. Besitzer Hupe hatte mit Orsello und Santero schon zwei Topgalopper in Horn am Start. Klappt es im dritten Anlauf mit dem Triumph?

In der Stimme von Marvin Schridde klang Begeisterung für die Leistung eines Galopprennpferdes mit, das als kommender Derbysieger gehandelt wird. „Das war eine großartige Vorstellung. Boscaccio startet in Hamburg-Horn als Topfavorit“, sagte der Bahnsprecher des Kölner Rennvereins, nachdem der dreijährige Hengst aus der Hamburger Besitzergemeinschaft Rainer Hupe & Friends die Kölner Union (Gruppe II, 70.000 Euro Dotierung) gewonnen hatte. Es war bei der wichtigsten Derbyvorprüfung der vierte Sieg in Folge des ungeschlagenen Hengstes.

Ein Hamburger Pferd als logischer Derbyfavorit? So etwas hat es lange nicht mehr gegeben. Wenn am Sonntag, 10. Juli, in Horn die Entscheidung im mit 650.000 Euro ausgeschriebenen Gruppe-I-Rennen fällt, gilt Boscaccio als das Maß aller Dinge. Nach mehr als einem Jahrzehnt Unterbrechung – Pik König war 1989 Derbysieger, Schiaparelli 2003 und Kamsin 2005 – könnte wieder einmal ein Hamburger Pferd im „Blauen Band“ triumphieren.

Damit würde sich ein lang gehegter Traum von Rainer Hupe erfüllen. Die Siegprämie von 390.000 Euro ist zwar verlockend, aber sie ist nicht das entscheidende Kriterium für den Pferdesport-Fachmann aus Maschen (Kreis Harburg). Zweimal schon hatte der 69-Jährige den Griff nach den Sternen vor Augen, zumindest einmal verfolgte ihn Pech vor einem möglichen Erfolg im Derby. 2008 hatte er den Hengst Santero im Derby aufgeboten – Platz elf. Ein Jahr später verletzte sich Santero in Horn im „Langen Hamburger“ und musste eingeschläfert werden. Hupe ließ sich nicht entmutigen, strebte nach neuem Glück. Vor drei Jahren erwarb er Orsello, der als Dritter in der Union einkam. Eine Woche vor dem Derby dann der Schock: Wegen eines Haarrisses im Knochen musste der Hengst operiert werden, er überstand den Eingriff nicht.

„Dieser Rückschlag hat mich lange Zeit stark beschäftigt, leider nicht unbedingt positiv“, sagt Besitzer Hupe, der mit seiner Gattin Inge einen 70-prozentigen Anteil am Seriensieger Boscaccio hat. Den Rest teilen sich die Ehepaare Frank und Brigitte Jürgenmeier (Jesteburg), Jörg und Anneli Büchling (Buchholz) sowie Darko Dragicevic und Heike Maier (Blankenese). Hupe selbst spürt knapp eineinhalb Wochen vor dem Derby 2016, wie bei ihm „Adrenalinspiegel und Spannung immer mehr steigen“.

„Es ist toll, wenn man überhaupt im Derby dabei ist“, sagt Hupe, der seinen jüngsten Schützling vom traditionsreichen Stall Fährhof in Sottrum (bei Bremen) erwarb. Der gebürtige Hannoveraner engagierte Christian Sprengel als Trainer. Boscaccios ständiger Reiter ist Dennis Schiergen aus Köln, einst erfolgreicher Amateur. Heute ist der 21-Jährige (er studiert Sportwissenschaften und Eventmanagement) ein erfahrener Mann im Sattel. Trainingsstätte und Stallungen befinden sich auf der Neuen Bult in Hannover-Langenhagen. Hier wird der Derbyfavorit zielbewusst, aber behutsam auf Rennen vorbereitet. Hupe gibt sich zuversichtlich: „Beim dritten Anlauf sollten wir etwas mehr Glück entwickeln.“

Hat Rainer Hupe beim Kauf von Boscaccio, so wie damals bei Santero und Orsello, ein richtiges Näschen bewiesen? Er, der viele Jahre selbst geritten, heute aber eher auf Golfplätzen anzutreffen ist, verdiente sich als kleiner Junge auf der damaligen Alten Bult im Stadtkern von Hannover ein bisschen Geld in den Ställen dazu, bekam damit früh Kontakt zum Pferdesport. Zurzeit fährt er mit Freunden ab und zu nach Hannover und besucht seinen Star Boscaccio. Der steht nach dem täglichen Training relaxt im Stall. So als ginge ihn alles nichts an, er gilt gar als phlegmatisch. Dennis Schiergen: „Wenn ich aufsitze, ist er konzentriert bei der Sache. Ich traue ihm im Derby alles zu.“ Wichtig: Boscaccio ist nicht vom Geläuf abhängig. Auch das könnte ihn von manchen Rivalen unterscheiden.