Hamburg/Frankfurt. DFB und DFL stoßen Debatte über umfassende Änderungen im Spielbetrieb an. Trainer von Guardiola bis Schaaf melden sich deshalb zu Wort.

Videobeweis, Umverteilung der TV-Gelder, ein neuer Pokal-Modus und Strukturreformen beim DFB unter dem designierten Präsidenten Reinhard Grindel: Der deutsche Fußball steht vor tiefgreifenden Veränderungen - alles mit dem großen Ziel, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Bundesliga zu steigern.

Nachdem die Deutsche Fußball Liga (DFL) bereits am Donnerstag ihre Unterstützung für die Einführung des Videobeweises bekundet hatte, wurden nun weitere Reformvorschläge bekannt. Peter Peters hat als Vorstandsmitglied des FC Schalke 04 und Vize-Präsident des Ligaverbandes ein Strategiepapier der Bundesligisten auf den Weg gebracht. Dabei handele es sich laut DFL zunächst nur um einen „unverbindlichen Gedankenaustausch“ von 16 Clubs, über den die „Bild“-Zeitung am Freitag berichtet hatte.

Weniger TV-Gelder für Zweitligisten?

Bei dem Treffen der Vereine ging es insbesondere um die Verteilung der zukünftigen TV-Gelder. Dabei könnte die Zweite Liga zukünftig weniger partizipieren als bisher. Bisher streichen die Clubs aus dem Unterhaus 20 Prozent der Einnahmen ein. Der Anteil könnte bis auf 14 Prozent schrumpfen. Insgesamt erhofft sich die Liga Einnahmen von mindestens einer Milliarde Euro pro Spielzeit.

Nach Aussage von Peters sei es aber nicht darum gegangen, „die Solidarität mit der Zweiten Liga grundsätzlich in Frage zu stellen“. Vielmehr hätten die Vereinsvertreter darüber diskutiert, welche anderen Kriterien bei der Aufteilung der Erlöse noch berücksichtigt werden sollen. So wollen einige Clubs nun Vorschläge erarbeiten, „wie zum Beispiel Fanbasis, Pay-TV-Abonnenten o.ä. berücksichtigt werden könnten“.

Guardiola gegen DFB-Pokalreform

In Sachen DFB-Pokal wird in dem Strategiepapier ein späteres Einsteigen der Bundesligisten und speziell der Europacup-Teilnehmer in den Wettbewerb angeregt. In den europäischen Topligen in Spanien, England und Italien ist dies bereits gängige Praxis. Für die nächsten drei Spielzeiten ist ein neuer Modus aber noch kein Thema.

Und der scheidende Bayern-Trainer Pep Guardiola rät der Bundesliga auch davon ab, den Wettbewerb zu reformieren. „Es ist richtig perfekt. In Spanien ist es mit zwei Spielen sehr kompliziert, aber hier ist es mit einem Spiel sehr attraktiv und sehr interessant“, sagte der Katalane am Freitag auf der Pressekonferenz.

DFB soll professionalisiert werden

Deutlich konkreter sind bereits die angedachten Strukturveränderungen beim Deutschen Fußball-Bund. Der DFB soll grundsätzlich professionalisiert werden, dafür erklärte die Liga im Gegenzug ihre Unterstützung für den DFB-Präsidentschaftskandidaten Grindel. Dieser soll nun am 15. April auf einem Außerordentlichen DFB-Bundestag als Nachfolger des im November zurückgetretenen Wolfgang Niersbach gekürt werden. Derzeit wird der DFB interimsmäßig von der Doppelspitze Reinhard Rauball/Rainer Koch geführt.

„Der Ligavorstand begrüßt die Bereitschaft des DFB, seine wirtschaftlichen Aktivitäten zu bündeln und die Kontrollfunktion neu zu ordnen“, teilte die DFL mit. Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb soll in einer DFB GmbH gebündelt werden. Diese erhält einen Aufsichtsrat und kümmert sich um Bereiche wie Marketing, Sponsoring und Rechtevermarktung für den DFB-Pokal. Zudem soll es einen hauptamtlichen Geschäftsführer mit Direktoren für die einzelnen Bereiche geben.

Mögliche Kandidaten fürs DFB-Präsidentenamt

Rainer Koch

Der Vize-Präsident des DFB hat Ambitionen auf die Niersbach-Nachfolge - und als Chef des Süddeutschen Fußball-Verbandes eine starke Hausmacht im Rücken. Der Jurist hat seit Jahren großen Einfluss im Verband, wäre ein starker Kandidat der Amateurbasis und brachte sich am Montag mit starken Aussagen in Richtung Franz Beckenbauer bereits in Position.

Reinhard Rauball

Der Ligapräsident und Chef von Borussia Dortmund genießt einen exzellenten Ruf und ist vom Führungsstil durch und durch präsidiabel. Er wäre - Stand jetzt - aber nur ein Übergangskandidat für eine Amtszeit, da er mit 68 Jahren kurz vor der DFB-Altersgrenze (70) steht.

Reinhard Grindel

Der CDU-Bundestagsabgeordnete gehört seit zwei Jahren als Schatzmeister zum DFB-Führungszirkel. Als Nachfolger von Horst R. Schmidt hat er sich in der DFB-Zentrale schnell etabliert. Wie Niersbach arbeitete er früher als Journalist. Zu klären wäre, ob er wegen der FIFA-Statuten seinen Politiker-Job aufgeben müsste.

Helmut Sandrock

Der frühere Junioren-Nationalspieler und Vorstandschef des MSV Duisburg rückte als Nachfolger von Niersbach auf den Posten des DFB-Generalsekretärs. Den Job verrichtet er eher im Hintergrund als im Scheinwerferlicht. Eher unwahrscheinlich.

Heribert Bruchhagen

Außenseiterkandidat. Früher Manager des FC Schalke 04 und Hamburger SV, aktuell seit fast zwölf Jahren Vorstandschef von Eintracht Frankfurt: Der Ex-Geschäftsführer der DFL ist bestens vernetzt. Wird nach dieser Saison bei der Eintracht aufhören und wäre damit zumindest als Übergangslösung frei. Hat eine Kandidatur zuletzt aber ausgeschlossen.

Oliver Bierhoff

Der prominenteste Name. Seit über elf Jahren Teammanager der Nationalmannschaft und wichtigster Mitarbeiter von Weltmeister-Trainer Joachim Löw. Der Europameister von 1996 ist sehr gut vernetzt im Profibereich und bei Sponsoren. Und der 47-Jährige ist ein Medienprofi. Für die einflussreiche Amateurbasis ist er aber nur schwer vermittelbar. Zudem wiegelt er selbst (noch) ab.

Wolfgang Niersbach

Der Gedanke klingt im Lichte des Rücktritts absurd. Aber auszuschließen ist nichts. Sollte der Ex-Präsident bei allen Ermittlungen reingewaschen werden, ist ein Comeback nicht grundsätzlich auszuschließen. Mit seiner Demission hat er nicht an Kredit verspielt und von vielen Wegbegleitern sogar Respekt gewonnen. Bedingung wäre aber ein Freibrief durch die Staatsanwaltschaft.

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Labbadia ist "hin und hergerissen"

Positiv aufgenommen wurde in der Liga, dass die DFL den Videobeweis auf den Weg bringen will. Früher oder später werde der Videobeweis kommen, sagte etwa Guardiola. Einzelne Momente könnten entscheiden und da könnte Video dem Schiedsrichter helfen. Ähnlich sieht es Manager Alexander Rosen von 1899 Hoffenheim. „Alles, was das Spiel besser und fairer macht, sollte man prüfen und umsetzen. Die Bedenken der Traditionalisten sind längst weggewischt.“ Auch für Trainer Thomas Schaaf von Schlusslicht Hannover 96 gebe es „bestimmte Situationen, in denen ich den Videobeweis befürworte“. Er sei aber nicht in jeder Szene sinnvoll.

Beim HSV fühlt sich Trainer Bruno Labbadia trotz zahlreicher Fehler der Schiedsrichter in dieser Angelegenheit noch „hin und hergerissen“. „Die Frage ist immer wieder, ob der Spielfluss nicht zu sehr gestört wird“, sagte der 50-Jährige dem Abendblatt und verwies dabei auf die teilweise langen Entscheidungszeiten beim Hockey. Darüber habe er sich mit Bernhard Peters, Direktor Sport beim HSV und ehemaliger Hockey-Bundestrainer, unterhalten. „Die Unterbrechung beträgt bis zu drei Minuten. Wenn es so ausarten würde, wäre ich dagegen“, betonte Labbadia, der andererseits sagt: "Wenn es aber eine schnelle und klare Entscheidung gibt, befürworte ich das.“

St. Pauli für Videobeweis-Testphase

Zweitligist FC St. Pauli begrüßt derweil eine mögliche Testphase für den Videobeweis in der Bundesliga. „Wir sollten das ausführlich testen, um Erfahrungen zu sammeln. Wir müssen herausfinden, wo die Stärken und Schwächen des Systems liegen, bevor wir eine Einführung beschließen“, sagte Oke Göttlich, Präsident des FC St. Pauli, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

Bis zu einer möglichen Einführung ist es aber noch ein weiter Weg. Voraussetzung dafür ist, dass die Regelhüter vom International Football Association Board (IFAB) dafür auf ihrer Sitzung vom 4. bis 6. März grünes Licht geben. Danach könnte der Video-Schiedsrichter eventuell zur Saison 2016/17 seinen Testbetrieb aufnehmen.