Hamburg. Teil vier der Sportserie: Leistungssport. Hamburg ist in der Talentsichtung vorbildlich. Es fehlt aber an Fördermitteln.

Als die Zukunftskommission im September 2011 in ihrer Dekadenstrategie zehn Ziele formulierte, um die gewünschte Entwicklung des Sports in der Stadt bis zum Jahr 2020 zu skizzieren, waren die Reaktionen wohlwollend positiv. Die oft zitierte Sportstadt Hamburg war endlich mit einem Leitbild untermauert, das Entwicklungsschritte nachvollziehbar und nachprüfbar machen sollte. Knapp viereinhalb Jahre und eine vom Volk abgelehnte Olympiabewerbung später fragen sich die im Leistungssport Tätigen allerdings, in welche Richtung sich ihr Berufszweig entwickeln kann. Im vierten Teil der Serie „Bestandsaufnahme des Hamburger Sports“ gibt das Abendblatt einen Überblick über die Leistungssportförderung in der Stadt.

Eine bessere Gesprächspartnerin als Ingrid Unkelbach kann es dafür kaum geben. Die 56-Jährige leitet seit 2001 den Olympiastützpunkt (OSP) Hamburg/Schleswig-Holstein in Dulsberg. Dieser ist zuständig für rund 300 Athleten, die Mitglied in den deutschen A-, B- und C-Kadern sind – und ist damit die wichtigste Einrichtung für die Leistungssportförderung. Finanziert wird der OSP, der 2016 mit einem Gesamtetat von rund 2,4 Millionen Euro plant, zu 52,5 Prozent aus Bundesmitteln. 27 Prozent steuern die Länder bei, 1,2 Prozent die Kommune. 11,3 Prozent kommen von den Landessportbünden, acht Prozent aus eigenen Einnahmen.

„Unsere wichtigste Aufgabe ist die Grund- und Spezialbetreuung unserer Kaderathleten“, sagt Unkelbach. Rund 30 Mitarbeiter kümmern sich in den Internaten in Ratzeburg, Kiel und Hamburg darum. In Hamburg sind derzeit 25 Talente am OSP untergebracht. In Kooperation mit der benachbarten Eliteschule des Sports am Alten Teichweg werden Lern- und Trainingszeiten im Verbundsystem Schule-Leistungssport in Einklang gebracht. Besonders gefördert werden die Schwerpunktsportarten Beachvolleyball, Hockey, Rollstuhlbasketball, Rudern (Ratzeburg), Schwimmen und Segeln (Kiel). Um diesen Status zu erhalten, muss eine Sportart einen Bundes- oder Paralympischen Trainingsstützpunkt in der jeweiligen Stadt haben und die Spitzenförderung von Hamburger Sportbund (HSB) und Deutschem Olympischem Sportbund (DOSB) genießen. Badminton und Leichtathletik haben ebenfalls Bundesstützpunkte in Hamburg, sind aber keine Schwerpunktsportarten. Ein Leistungszentrum für Handball und Judo ist seit Langem angedacht, allerdings dauert die Planungsphase an.

Rund eine halbe Million Euro stehen dem OSP zur Verfügung, um die elf angestellten Landes- und Stützpunkttrainer in den Schwerpunktsportarten zu finanzieren. Alle anderen Verbände müssen ihre Landestrainer mit HSB-Zuschüssen und aus Eigenmitteln bezahlen. „Die finanzielle Ausstattung der Schwerpunktsportarten und die Absicherung unserer Trainer sind auch für dieses Jahr unser wichtigstes Vorhaben“, sagt Unkelbach, die auch Vorsitzende des Teams Hamburg für Rio 2016 ist. Dieses Team, in dem aktuell 65 Athleten, darunter Topsportler wie Moritz Fürste und Tobias Hauke (Hockey), Martyna Trajdos (Judo), Laura Ludwig (Beachvolleyball) und der bereits für Olympia qualifizierte Boxer Artem Harutyunyan, gefördert werden, versteht sich als regionale Sporthilfe. Rund 400.000 Euro stehen jährlich zur Verfügung, getragen vom HSB, der Stadt, Sponsoren sowie der von der Handelskammer 2002 initiierten Stiftung Leistungssport, die bei einem Stiftungsvolumen von 6,7 Millionen Euro jährlich 220.000 Euro in die Förderung des Leistungssports investiert.

Allerdings hat der HSB angekündigt, in diesem Jahr seinen Anteil von 50.000 Euro in die Talentförderung umzulenken. Erklärbar ist dieser Schritt laut Geschäftsführer Ralph Lehnert aus der „gut funktionierenden Aufteilung zwischen dem OSP für Spitzensportförderung und dem HSB für die Förderung des Nachwuchsleistungssports“. Die wichtigste Aufgabe des HSB (578.672 Mitglieder in 817 Vereinen und 54 Fachverbänden) in der Leistungssportförderung sieht Lehnert darin, „sportartenübergreifend Talente zu sichten, diese zielgerichtetem Training zuzuführen und so einen möglichst großen Pool an Nachwuchs mit Perspektive aufzubauen“.

Durch das 2006 entwickelte Talentscreening, das von der Schulbehörde vor vier Jahren verbindlich in den Lehrplan aufgenommen wurde, ist der HSB in Kooperation zwischen seinen vier Talenttrainern und den Sportlehrern in der Lage, in den Klassenstufen 2 und 3 alle Schüler zu testen und die daraus hervorragenden Athleten in Talentgruppen zu fördern. 70 davon gibt es bereits in der Stadt, 100 sollen es werden, um die Förderung als flächendeckend bezeichnen zu können. „Im Nachwuchs-Leistungssportkonzept des DOSB gelten wir mit diesem Modell bundesweit als Vorbild“, sagt Lehnert. 1,2 Millionen Euro kann der Verband jährlich in die Leistungssportförderung investieren. 395.000 Euro stammen aus Eigenmitteln, der Rest aus dem Sportfördervertrag mit der Stadt. „Wir werden den Weg der Talententwicklung weiter fortsetzen, aber auch daran arbeiten, mehr und besser qualifizierte Trainer auszubilden“, sagt Lehnert.

Einig sind sich die Spitzenfunktionäre in der Frage, ob sich die Wirtschaft noch stärker finanziell engagieren könne. „Es darf nicht sein, dass sich Leistungssportler fragen müssen, wovon sie leben sollen. Da sind uns viele andere Nationen voraus. Wenn Leistung erwartet wird, muss diese auch finanziert werden, und da ist in Hamburg noch Potenzial“, sagt Lehnert.

Unkelbach glaubt ebenfalls, „dass der Sport nicht die Beachtung erfährt, die ihm gebührt. Das Geld ist da, es kommt nur darauf an, wie es verteilt wird.“ Sie wünscht sich, dass das dritte Ziel der Dekadenstrategie (Ausbau von Schwerpunktsportarten, leistungsgerechte Bezahlung von Trainern) umgesetzt wird. „Wir brauchen dringend eine bessere Absicherung unserer Trainer, bessere Ausstattung der Schwerpunktsportarten, ein funktionierendes Verbundsystem Schule-Leistungssport und damit einhergehend ein neues Haus der Athleten am OSP“, sagt sie. Was die Olympiabewerbung nicht geschafft habe, müsse nun der Hamburger Sport angehen: „Wir müssen die Bedeutung des Sports für die Gesellschaft klarmachen, damit deutlich wird, warum es sich lohnt, Leistung zu fördern.“