Hamburg. Zweiter Teil: Die Stadt unterstützt auch nach dem Olympia-Aus Sportevents. Veranstalter wollen innovative Konzepte entwickeln.

„Das Produkt Olympia ist tot, die Sportstadt Hamburg lebt.“ Das hat kürzlich Frank Bertling gesagt, der Geschäftsführer der neuen Hamburger Vermarktungsagentur Sportport. „Neben dem Bewährten müssen wir mehr ungewöhnliche Ideen entwickeln, auch mal weg von klassischen Formaten.“ Bertling schlägt vor, „dass sich nicht immer dieselben Verdächtigen darüber Gedanken machen: Wir sollten stärker Kreative, Künstler und jene einbinden, die über den Tellerrand schauen“. Hamburg als Sportlabor, das weltweit interessante Akzente setzt bei Veranstaltungen, Kongressen, bei der Integration von Bewegung in den städtischen Alltag, beim Schulsport und der Eingliederung von Flüchtlingen. Auf diese Weise will Bertling den Olympia-Blues bekämpfen, unter dem viele in der Sportszene bis heute leiden.

„Die Ablehnung der Olympiabewerbung haben wir als Absage an ein Stadtentwicklungskonzept in Verbindung mit einer verbandsgesteuert inszenierten Leistungssportshow interpretiert – nicht aber als ein Nein gegen den Sport“, sagt Kai Rapp, Prokurist der Veranstaltungsagentur Agentur Lagardère Unlimited Events mit Sitz am Ottenser Friesenweg. „Die Hamburger haben indirekt ihren Wunsch geäußert, den Sport in ihrer Stadt inhaltlich mehr in der Breite als in der Spitze zu platzieren.“ Ziel sollte es sein, noch mehr Bürger, ob alt oder jung, mit neuen attraktiven Angeboten im Sinne der Allympics, Veranstaltungen für jedermann, zu aktivieren.

Dr. Michael Beckereit, der ehemalige Segelweltmeister und Vorsitzende der vom Senat eingesetzten Zukunftskommission Sport, kann sich mit diesen Gedanken anfreunden. Er hat mit seinen Mitstreitern aus Sport, Stadt und Wirtschaft vor zehn Tagen Ähnliches formuliert: „Wir müssen sehen, mit welchen Wettbewerben sich Hamburg profilieren kann. Das können die üblichen Regelveranstaltungen wie Welt- und Europameisterschaften sein, wir sollten jedoch auch über neue, von Verbänden unabhängige Formen nachdenken. Das hat Hamburg schon in der Vergangenheit stark gemacht.“ Es bleibe zudem beim Dekadenziel, „dass wir bis ins Jahr 2020 in der Lage sein werden, uns um jede Meisterschaft, um jedes Turnier bewerben zu können. Vor 15 Jahren zum Beispiel konnte niemand etwas mit dem Triathlon anfangen, heute ist Hamburg die weltweite Hochburg dieses Dreikampfes.“

Und diese Stellung wird weiter ausgebaut werden. Der Ironman Germany, gleichzeitig Europameisterschaft und in allen Altersklassen Qualifikation für die Ironman-WM auf Hawaii, soll nach Abendblatt-Informationen im nächsten Jahr von Frankfurt am Main nach Hamburg umziehen. 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und ein abschließender Marathon (42,195 km) stünden dann Anfang Juli 2017 an Alster, Elbe und Innenstadt auf dem Programm. Olympiasieger und bekennender Hamburg-Fan Jan Frodeno, 34, aus Saarbrücken siegte im vergangenen Jahr in Frankfurt nach 7:49:48 und in Kailua-Kona (Hawaii) nach 8:14:40 Stunden. Die Letzten kommen gewöhnlich neun bis zehn Stunden später nicht minder glücklich ins Ziel.

Möglich macht diesen Deal der anstehende Verkauf von Lagardère Unlimited Events an die milliardenschwere chinesische Investorengruppe Dalian Wanda Group. Wanda ist direkt oder über Tochterunternehmen im Besitz der Lizenzen für den Ironman auf Hawaii und in Frankfurt (seit August 2015). Die Verträge sollen demnächst unterschrieben werden. In Frankfurt starteten zuletzt rund 3000 Extremsportler aus 57 Nationen. Die Startgebühr betrug bis zu 550 Euro. 350.000 Menschen säumten die Strecke.

Auch ohne die Olympiabewerbung ist der Hamburger Sportkalender in den nächsten zwei Jahren prall gefüllt. Neben den traditionellen Events (siehe Infokasten) kommen – als Erbe der Olympiakampagne – in diesem Jahr Mitte Juni ein Beachvolleyball-Grand-Slam-Turnier und Ende September die Karate German Open hinzu. Hamburg hat sich zudem neben Berlin für Mitte Juli um eines der drei Basketball-Qualifikationsturniere für die Olympischen Spiele in Rio beworben. Der Weltverband entscheidet Ende dieser Woche.

Die Stadt unterstützt Akquise und Durchführung von Großevents weiter mit beträchtlichen Mitteln. Das geht aus den Antworten der Behörde für Inneres und Sport auf eine Anfrage des Abendblattes hervor: „Für 2016 sind rund 500.000 Euro für die Veranstaltungsförderung vorgesehen. Daneben stehen aus der Kultur- und Tourismustaxe für 2016 nach derzeitiger Planung weitere 1,3 Millionen Euro für Sportveranstaltungen bereit. Darüber hinaus besteht im Haushaltsplan eine jährliche Verpflichtungsermächtigung von 18,25 Millionen Euro für die Bewerbungen um Sportgroßveranstaltungen.“ Das heißt, das Geld stünde bereit, falls es die Stadt für Sportevents ausgeben will. Die Kriterien der Akquise sind festgelegt. Die Veranstaltung sollte im Hamburger Format sein, Spitzen-, Breiten-, Nachwuchs- und Schulsport verbinden, sportliche Relevanz haben, der Spitzenförderung dienen, ein möglichst innovatives Konzept haben oder auf gewisser Tradition beruhen. Auch Teilnehmerzahlen, Nachhaltigkeit und Finanzierung spielen eine Rolle.

Ging es während der Olympiakampagne darum, Hamburgs Chancen auf den Zuschlag für die Spiele 2024 zu erhöhen, wird die Stadt künftig wieder verstärkt Veranstaltungsformate aus den Schwerpunktsportarten Beachvolleyball, Hockey, Rudern, Schwimmen und Rollstuhlbasketball fördern.

„Der Senat muss entscheiden, wo er hinwill“, sagt Beachvolleyball-Veranstalter Frank Mackerodt. „Events machen die Stadt attraktiver, für den Tourismus, auch für den Zuzug. Das gilt im klassischen Bereich für die Elbphilharmonie, aber ebenso für den Sport. Der darf nicht hinten anstehen.“ Und das aus gutem Grund. Immer mehr Menschen, die nach Hamburg kommen, das zeigen aktuelle Umfragen, geben das hiesige Sportangebot als Grund für ihren Besuch oder Umzug an.