Hamburg. Das erste Großevent in einem olympischen Sport seit 2007 soll als Referenzveranstaltung für die Olympiabewerbung genutzt werden.

Dass vor dem Vergnügen die Arbeit kommt, bekam die deutsche Delegation, die am Rande der Amateurbox-WM in Katars Hauptstadt Doha um die Vergabe der Titelkämpfe 2017 nach Hamburg kämpfen wollte, in den vergangenen Tagen vor Augen geführt. Am Sonntagabend erfuhr das Team um Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein und Michael Müller, Sportdirektor des Deutschen Boxsport-Verbands (DBV), dass die 30-minütige Präsentation des Konzepts vor dem Exekutivkomitee des Boxweltverbands Aiba, die man am Dienstagmorgen halten wollte, auf 15 Minuten zusammengestrichen werden musste. „Wir haben die ganze Nacht über gekürzt, am Montag dreimal geprobt, bis wir sicher waren, dass wir überzeugen werden“, sagte Holstein am Dienstagmittag, als er Gewissheit darüber hatte, sich nicht getäuscht zu haben.

Tatsächlich war das Konzept der kurzen Wege und der Fokussierung auf den Sport und seine Athleten dermaßen überzeugend, dass die Konkurrenten aus Sotschi (Russland) und Taschkent (Usbekistan) ihre Bewerbungen vor der Abstimmung zurückzogen. Damit ist Deutschland erstmals seit 1995 (damals Berlin) wieder Schauplatz einer Amateurbox-WM. Viel wichtiger aber war allen Beteiligten der Fakt, dass Hamburg erstmals seit der Triathlon-WM 2007 wieder auf die Weltkarte des olympischen Sports zurückkehrt und damit die Chance hat, nachhaltig für seine Bewerbung um die Ausrichtung Olympischer und Paralympischer Sommerspiele 2024 zu werben – sofern die Bevölkerung im Referendum am 29. November dafür stimmt.

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„Die Entscheidung der Aiba ist ein großer Erfolg für den Hamburger Sport“, sagte Sportsenator Michael Neumann (SPD), der nicht persönlich in Doha sein konnte. „Wir haben jetzt die große Chance, der Welt 2017 zu zeigen, was wir können.“ Die auf rund zehn Tage angesetzte Veranstaltung soll im August 2017 – und damit wenige Wochen, bevor in Perus Hauptstadt Lima der Olympiagastgeber für 2024 ausgerufen wird – ausgetragen werden. Das gibt Hamburg die Möglichkeit, sein Konzept einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Da die für die Olympiavergabe zuständigen Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) Kandidatenstädte nicht auf Einladung, sondern nur zu Großveranstaltungen besuchen dürfen, ist die Box-WM die beste Möglichkeit zum Marketing in eigener Sache.

Wie wichtig das ist, zeigte sich am Beispiel von Aiba-Präsident Ching-kuo Wu. Das taiwanesische IOC-Mitglied war Ende September im Rahmen des Finales der Aiba-Profiserie APB erstmals in Hamburg – und von der Stadt und ihren sportlichen Konzepten derart begeistert, dass er die Vergabe der WM 2017 in höchsten Tönen lobte. „Hamburg hat seinen Hunger auf Boxen bewiesen. Dass es die Fähigkeiten hat, Großevents zu organisieren, wird niemand bezweifeln“, sagte er.

Inwieweit allerdings die Aiba-Entscheidung als positives Signal für die Olympiaambitionen Hamburgs gewertet werden kann, ist diskutabel. Die Aiba, die in diesem Jahrtausend fünf von acht Weltmeisterschaften nach Asien vergeben hatte, wollte vor allem wieder einmal im wichtigen zentraleuropäischen Markt Fuß fassen.

Nachdem Hamburg Anfang September in seinem Vorhaben gescheitert war, die Ruder-WM 2019 in die Stadt zu holen, war das Aufatmen bei den Olympiaunterstützern groß. „Wir sind im Wettbewerb um die Austragung sportlicher Großevents international konkurrenzfähig“, sagte Juliane Timmermann, Fachsprecherin Sport der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Finanziert wird die WM von der Stadt in Kooperation mit dem DBV. Der Etat beläuft sich auf rund 3,6 Millionen Euro, zusätzlich verlangt die Aiba eine Ausrichtungsgebühr in Höhe von 2,1 Millionen Schweizer Franken (1,92 Millionen Euro).

Als Austragungsort sind die Messehallen vorgesehen. Die Wilhelmsburger Inselparkhalle, in der das APB-Finale mit dem Hamburger Halbweltergewichtschampion Artem Harutyunyan stattgefunden hatte, ist für die Titelkämpfe mit rund 600 Athleten und 400 Betreuern zu klein. Die für Finalkämpfe angedachte Barclaycard-Arena ist aus dem Rennen, „weil die Messehallen ausreichend sind“, sagte Holstein. Die Unterbringung der Teilnehmer sollen vier Hotels übernehmen, die allesamt innerhalb von zehn Minuten erreichbar sind. „Das ist ein Vorteil gegenüber Doha, wo die Entfernungen groß sind und der Verkehr zäh“, sagte Holstein.

In der Boxszene löste die Nachricht wenig überraschend große Begeisterung aus. „Wir versprechen uns mehr Zulauf für unseren Sport“, sagte Peter Hamel, Präsident des Hamburger Amateurbox-Verbands, der rund 6000 Mitglieder in 33 Vereinen hat. „Wir werden eine moderne WM bieten, die höchsten Qualitätsansprüchen genügt, um für Olympia in Hamburg zu werben“, sagte DBV-Präsident Jürgen Kyas. Sport­direktor Müller erhofft sich von den Titelkämpfen, „dass wir mit dem olympischen Boxen in die Mitte der Gesellschaft rücken können“. Alle drei Monate sollen in Hamburg hochkarätige Boxveranstaltungen stattfinden, um das Interesse zu wecken.

Dass vor dem Vergnügen viel sportliche Arbeit wartet, war in Doha indes auch zu besichtigen. Von den nur drei gestarteten deutschen Athleten kam keiner über das Viertelfinale hinaus.