Berlin . Dennis Schröder trägt nicht nur bei der EM die Hoffnungen der deutschen Basketballer – er soll die Rolle von Nowitzki übernehmen.

Für einen kurzen Moment vergisst Dennis Schröder einmal alle Professionalität. Ausgerechnet, als es um das Basketball-Videospiel geht, das er hier auf der Internationalen Funkausstellung bewerben soll. Mit Maodo Lo, seinem Zimmerkollegen bei der Basketball-Nationalmannschaft, spiele er es in den Pausen sehr gern, erzählt er. Aber dann rutscht ihm raus: „Meistens spielen wir Fifa.“ Konsolen-Fußball also. Alle lachen, Schröder auch. Kann ja mal passieren. Der junge Mann ist doch erst 21 Jahre alt.

Trotz seiner Jugend ruhen große Hoffnungen auf den Schultern des gebürtigen Braunschweigers, dessen früh verstorbener Vater Deutscher war und dessen Mutter aus Gambia stammt. Er soll die Mannschaft von Bundestrainer Chris Fleming bei der Europameisterschaft in Berlin nicht nur an diesem Sonnabend (15 Uhr, Mercedes-Benz Arena, ZDF) zum Auftaktsieg über Island führen. Sondern am besten gleich zu den Olympischen Spielen in Rio im nächsten Jahr.

Wieso er und nicht Superstar Dirk Nowitzki? Der lobt ihn als den „besten Spielmacher, den wir je hatten“. Schröder dankt: „Dirk hat gesagt, dass ich das Team führen soll.“ Er lässt keinen Zweifel daran, dass er sich das zutraut: „Das motiviert mich. Der Coach, Dirk und das Team vertrauen mir. Ich nehme das gerne an. Ich will, dass wir eine erfolgreiche EM spielen.“

Bilder vom Basketball Supercup

Beim Supercup mit dabei: Dirk Nowitzki
Beim Supercup mit dabei: Dirk Nowitzki © dpa | Axel Heimken
Toptalent Dennis Schröder (m.) war mit 22 Punkten bester deutscher Werfer
Toptalent Dennis Schröder (m.) war mit 22 Punkten bester deutscher Werfer © dpa | Axel Heimken
Dirk Nowitzki (l.) und Niels Giffey (m.) blocken einen Ball von Janis Timma
Dirk Nowitzki (l.) und Niels Giffey (m.) blocken einen Ball von Janis Timma © dpa | Axel Heimken
Dairis Bertans (l.)und Dirk Nowitzki im Duell
Dairis Bertans (l.)und Dirk Nowitzki im Duell © dpa | Axel Heimken
Das Team von Bundestrainer Chris Fleming gewann am Freitag in Hamburg gegen Lettland mit 85:80
Das Team von Bundestrainer Chris Fleming gewann am Freitag in Hamburg gegen Lettland mit 85:80 © WITTERS | TimGroothuis
Deutschlands Maik Zirbes (l.) knickte im ersten Viertel um und kehrte nicht mehr aufs Parkett zurück. Ob Zirbes ausfallen wird, steht noch nicht fest
Deutschlands Maik Zirbes (l.) knickte im ersten Viertel um und kehrte nicht mehr aufs Parkett zurück. Ob Zirbes ausfallen wird, steht noch nicht fest © WITTERS | TimGroothuis
Anton Gavel (r.) im Duell mit Janis Strelnieks
Anton Gavel (r.) im Duell mit Janis Strelnieks © dpa | Axel Heimken
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Vor zwei Jahren wären ihm solche Sätze noch als Überheblichkeit ausgelegt worden. Schröder war zwar von den Atlanta Hawks für ihr NBA-Team ausgewählt worden. Doch wer ahnte schon, welche Entwicklung er nehmen würde? Gut, er war ein großes Talent im Braunschweiger Bundesligateam. Aber er war auch als Rebell verschrien, als einer, der sich nicht unterordnet und immer mit dem Kopf durch die Wand will. Der wird sich die Hörner schnell abstoßen, dachten die einen. Der geht unter, die anderen. Falsch gedacht, beide.

Bei den Atlanta Hawks fand Schröder das richtige Umfeld

Wie er sich in den zwei Jahren verändert habe, wird Schröder jetzt gefragt. „In vielen Sachen“, kommt als Antwort, aber zuerst: „Die Veteranen im Team haben mir gesagt, wie man sich zu verhalten hat.“ Freundlich, sachlich erklärt er das. Lektion gelernt. Die Kritik der Älteren? Kein Problem für ihn. So wie einst Nowitzki in Dallas ein für ihn gutes Umfeld fand, scheint das nun mit ihm in Atlanta zu sein.

Es ging allerdings nicht nur aufwärts. Für ein paar Spiele wurde er in seinem ersten Jahr ins Farmteam abgeschoben. Doch er hat um seine Chance gekämpft. Die zweite Spielzeit brachte den Durchbruch: In 77 von 82 Partien der regulären Saison wurde Schröder eingesetzt, kam auf zehn Punkte, vier Assists und zwei Rebounds im Schnitt. Beachtlich. Zufrieden? „Nächstes Jahr will ich besser werden, mich weiterentwickeln.“

Erfolg kommt nicht von allein. In der Sommerpause bekam Schröder ein Angebot von Mitspieler Kyle Korver, an seinem Wurf zu arbeiten. Da hat er noch Schwächen. Der NBA-Star hatte gesagt: „Wenn du deinen Wurf verbesserst, bist du schwer zu stoppen.“ Schröder ließ sich nicht zweimal bitten, trainierte in Los Angeles mit Korver. Typisch, findet Bundestrainer Chris Fleming: „Dennis ist ein unheimlich harter Arbeiter.“ Dazu so fix auf den Beinen, dass er für seine Mitspieler manchmal zu schnell ist. Das Gute daran: für die Gegner auch. Schröder ist im deutschen Team der einzige Spieler, der in der EM-Vorbereitung in jedem Testspiel zweistellig gepunktet hat.

Berater Ademola Okulaja ist wie ein großer Bruder für Schröder

Dazu kommt ein schier unerschütterlicher Glaube an seine Stärken. Selten, sagt Fleming, habe er einen Menschen mit so viel Selbstbewusstsein kennengelernt, egal, ob mit 21 oder 35 Jahren. Aber ob es an den älteren Kollegen in Atlanta liegt oder an seinem Agenten, dem einstigen Nationalspieler Ademola Okulaja („Er ist wie ein großer Bruder für mich“) – von Arroganz keine Spur. Er freue sich auf Gegner wie den Serben Milos Teodosic, sehr abgezockt sei der, „da muss ich mich erst dran gewöhnen“. Und dass er mit seiner Mannschaft die Isländer keineswegs unterschätze. „Ich finde sie gefährlich“, sagt er stattdessen, „wenn sie den Rebound bekommen, laufen sie alle wie die Verrückten. Sie haben nichts zu verlieren. Aber wenn wir unser Spiel spielen, wie wir es in der Vorbereitung getan haben, dann gewinnen wir auch.“ So spricht ein Profi.

Seit fast zwei Jahrzehnten gehört Nowitzki zur Auswahl des DBB, in den kommenden Tagen spielt er seine letzte EuroBasket. Die Zeit für einen Führungswechsel scheint reif – und der pfeilschnelle Schröder genau der richtige Nachfolger. „Wir hatten in Deutschland noch nie so einen Aufbauspieler wie den Dennis, der so extrem athletisch ist und das Spiel so an sich reißen kann“, sagte Nowitzki, „das müssen wir für uns nutzen.“