Der Torhüter wird für St. Pauli mit seiner Ruhe zum Trumpf im Abstiegskampf. Ein cooler Typ, der aber auch anders kann.

Nimmt man die sportlichen Leistungen von Robin Himmelmann wortwörtlich, ist der Torhüter des FC St. Pauli ein ziemlich cooler Typ. Laut Duden, der Mutter aller Wörterbücher, bedeutet das Wort cool so viel wie „die Ruhe bewahrend“ und „sich nicht aus der Fassung bringen lassend“. Attribute, die Himmelmann kaum treffender beschreiben könnten. Als cool mag sich St. Paulis Nummer eins trotzdem nicht gerne bezeichnen. „Der Begriff kommt manchmal falsch rüber“, sagt Himmelmann, „aber es stimmt schon. Ich bin nicht so ein überschwänglicher Typ.“

Am vergangenen Freitag, 20.16 Uhr Hamburger Ortszeit, sah das ganz anders aus. Der Kopfball von Lasse Sobiech war soeben im Nürnberger Tornetz vor der Südtribüne angekommen, da setzte Himmelmann zu einem Jubellauf an. Im Stile eines Segelfliegers kreiste der Torhüter durch seinen Strafraum. Ein Gefühlsausbruch, wie man ihn in dieser Form von Himmelmann noch nicht gesehen hatte. „Ich habe nicht nachgedacht, es war einfach eine Erlösung, da ist einiges abgefallen“, beschreibt der 26 Jahre alte Keeper diesen Moment.

Wenige Sekunden später, das Spiel war gerade abgepfiffen, eilten Jan-Philipp Kalla und Daniel Buballa direkt zu ihrem Torhüter. „Robin hat drei, vier Dinger richtig stark gehalten“, sagte Buballa. „Wir können uns bei ihm bedanken. Aber wir wollen es mit dem Lob auch nicht übertreiben“, meinte Zimmerpartner Kalla und lachte. Er weiß, dass Himmelmann nicht viel Lob braucht. „Ich halte nicht viel von Lobhudeleien. Wenn die Saison gelaufen ist und wir die Klasse gehalten haben, kann man sich vielleicht mal auf die Schulter klopfen“, sagt Himmelmann.

Dabei gäbe es viele Gründe, dem Torwart auf die Schulter zu klopfen. Das 1:0 gegen Nürnberg hatte Himmelmann mit sechs Paraden fast im Alleingang ermöglicht. Es war bereits das fünfte Mal nach der Winterpause, dass er ohne Gegentor blieb. Schon in den Heimspielen gegen Fürth, Aue und den FSV Frankfurt hatte Himmelmann mit bemerkenswerten Taten dazu beigetragen, dass St. Pauli in diesem Jahr zu den stabilsten Defensivmannschaften der Zweiten Liga gehört. Trainer Ewald Lienen dürfte sich bestätigt fühlen, dass er sich zu Beginn der Restrückrunde für Himmelmann anstelle von Philipp Tschauner als Nummer eins entschied. „Robin behält die Ruhe, das zeichnet ihn aus“, sagt Lienen. Ein cooler Torwart eben. „Risikolos“, „sicher“, „keine Gefahren bergend“, wie der Duden in der zweiten Bedeutung das Wort cool beschreibt.

Auch außerhalb des Platzes ist Himmelmann kein Lautsprecher. Ein Gegenentwurf zum auf dem Feld eher extrovertierten Tschauner, dem er in der Hinrunde den Rang als Nummer eins abgelaufen hatte. Dabei war es durchaus ein Risiko, das Lienens Vorgängertrainer Thomas Meggle Anfang Dezember einging, als er Himmelmann beförderte. Bis dahin hatte der ehemalige Schalker im Profibereich noch keine Erfahrungen als Stammtorhüter gesammelt. „Ich habe mir das zugetraut, aber man weiß nie, wie es läuft“, sagt Himmelmann. Vor einem Jahr hatte er bereits die Chance, sich auszuzeichnen, als er in Cottbus Tschauner ersetzen sollte. Doch beim Aufwärmen zog er sich selbst eine Verletzung an der Hand zu. Eine ähnliche Situation erlebte Himmelmann im Training am vergangenen Mittwoch, als seine Hand bei einer Aktion komplett abknickte.

Himmelmann weiß, dass er mit Rückschlägen umgehen kann. Vor vier Wochen unterlief ihm bei Union Berlin eine spielentscheidende Panne, als sein verunglückter Abschlag bedingt durch einen Platzfehler zum 0:1 in der Schlussminute führte. „Die Aktion war für mich unmittelbar danach wieder abgehakt“, sagt Himmelmann. Es muss schon mehr passieren, um den Torhüter aus seinem Gleichgewicht zu bringen. „Er ist einfach ein gelassener Typ“, sagt Kapitän Sören Gonther.

Für den FC St. Pauli könnte sich Himmelmanns Gelassenheit zu einem echten Trumpf entwickeln. In den verbleibenden fünf Spielen wird der Abstiegskampf auch im Kopf entschieden. Himmelmann selbst spielt dabei auch um seine eigene Zukunft. Spielt St. Pauli keine Relegation, ermöglicht ihm eine Ausstiegsklausel in seinem bis 2016 laufenden Vertrag, am Ende der Saison den Verein zu wechseln, da er dann nicht mehr auf 20 Saisonspiele kommt. Die Klausel wurde zu einem Zeitpunkt vereinbart, als er noch die Nummer zwei war. „Für mich gibt es jetzt keinen Grund, den Verein zu verlassen“, sagt Himmelmann. „Wichtig ist nur, dass wir die Klasse halten.“

Mit Leistungen wie gegen Nürnberg könnte Himmelmann einen entscheidenden Teil dazu beitragen, dass die Mission gelingt. Dann hätte er laut Duden auch die letzte Bedeutung des Wortes cool, „in hohem Maße gefallend“, erfüllt.