Bundestrainer Löw sucht nach einem Konzept, um gegen die Türken zu bestehen. Özil steht nach Schweinsteigers Ausfall im Zentrum.

Berlin. Zwischen der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes und ersten Trainingseinheiten sucht Joachim Löw nach einem Konzept, um den Härtetest im Quali-Knaller gegen die Türkei zu bestehen. Nach dem Ausfall seines emotionalen Anführers Bastian Schweinsteiger muss der Fußball- Bundestrainer ausgerechnet für das brisante wie wegweisende EM-Qualifikationsspiel eine Schlüsselposition neu besetzen und Verantwortung neu verteilen. Mesut Özil wird im Spiel gegen das Land seiner Vorfahren zur Schlüsselfigur.

„Das sind halt Dinge, die nach einer WM passieren. Die Spieler hatten nur eine kurze Pause und eine kurze Vorbereitungszeit. Das erhöht natürlich die Verletzungsgefahr“, sagte Löw zur bitteren Absage von Schweinsteiger. Zeit, die Fußblessur der Führungsfigur zu betrauern, bleibt bis zum Anpfiff am Freitag (20.45 Uhr/ZDF) im Berliner Olympiastadion nicht. „Es ist das Spitzenspiel in der Gruppe. Man kann da ein Zeichen setzen“, machte Kapitän Philipp Lahm die Einstellung des gesamten Teams deutlich.

Vor der feierlichen Ordens-Verleihung im Schloss Bellevue durch Bundespräsident Christian Wulff wurde am Dienstagmorgen das erste Training kurzfristig abgesagt. Stattdessen versammelte Löw seinen nach den Ausfällen von Schweinsteiger und dem Hamburger Marcell Jansen (Infekt) sowie der endgültigen Absage von Kevin Großkreutz (Grippe) auf 19 Akteure geschrumpften Kader zu einer Regenerationseinheit im Teamhotel am Potsdamer Platz. Im Herzen der Hauptstadt waren Entspannung und Gespräche angesichts der neuen Situation wichtiger als Ballkontakte.

Auch fast drei Monate nach der WM sieht Löw noch Auswirkungen des südafrikanischen Turnier-Marathons für seine Auswahlakteure. „Es war eine unglaubliche Intensität acht Wochen lang. Dann war für sie eine kurze Pause. Und vor allem haben sie eine kurze Vorbereitungsphase gehabt. Drei Wochen Vorbereitung und dann wieder in den Spielrhythmus eingreifen, wo die Nationalspieler Mittwoch, Samstag immer gebraucht werden. Sie können sich keine Pause erlauben.“

Toni Kroos ist wie schon bei der WM erster Ersatzkandidat für die Position als Nummer sechs. Im Mittelfeld sind aber nun noch mehr die aufsteigenden Real-Sterne Sami Khedira und Özil gefordert. Für Özil wird die Partie zum emotional vielleicht wichtigsten Spiel seiner noch jungen Karriere. Pfiffe und Beschimpfungen aus dem großen Lager der Türken drohen dem gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln. Etwa 30.000 Halbmond-Fans werden am Freitag unter den 74.244 Besuchern im ausverkauften Olympiastadion erwartet.

Löw ist von Özils Charakterreife genau eine Woche vor dessen 22. Geburtstag aber überzeugt. „Ich kenne Mesut als Spieler, der mental gut ist. Er kann sich auf verschiedene Situationen einstellen. Schon bei seinen ersten Länderspielen war er dem Druck gewachsen. Er wird sich dadurch nicht aus dem Rhythmus bringen lassen oder bedrückt fühlen“, erklärte der 50 Jahre alte DFB-Chefcoach.

Löw hat eine entscheidende Rolle gespielt, dass sich Özil für das DFB-Team und nicht wie Dortmunds Jungstar Nuri Sahin für eine Karriere im Türken-Dress entschied. „Herr Löw gab mir Zeit und hat mich sehr überzeugt“, sagte er nach seinem Debüt im DFB-Trikot im Februar 2009 gegen Norwegen (0:1).

„Das ist auch keine Entscheidung gegen meine türkischen Wurzeln. Doch meine Familie lebt jetzt in der dritten Generation in Deutschland, und ich bin hier aufgewachsen, habe mich immer wohl gefühlt, hier habe ich meine Chancen in den Junioren-Auswahlteams bekommen“, beschrieb Özil seine geglückte Integration.

Nach seiner Ankunft aus Madrid wurde der Ballzauberer vom DFB aber auch in Watte gepackt. Ein offizieller Auftritt bei der Pressekonferenz sowie ein Interview für die Verbandshomepage sind geplant. Ansonsten soll sich Özil ganz auf die Partie am Freitag konzentrieren.