Der kanadische Freezers-Trainer und -Sportdirektor Stéphane Richer über sein Ziel, Hamburg wieder zu einer Eishockey-Hochburg zu machen.

Hamburg. Seit Montag leitet Stéphane Richer, 44, das Training der Hamburg Freezers . An diesem Sonnabend um 18 Uhr steht der Kanadier gegen die Malmö Redhawks das erste Mal bei einem Spiel des Hamburger Klubs aus der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) hinter der Bande. Am Sonntag wartet mit Rögle BK (17 Uhr) ein weiterer Prüfstein auf seine neue Freezers-Mannschaft . Vorher spricht der Kanadier im Abendblatt über seine Arbeitsweise, die Zusammenstellung der Mannschaft und dem Traum von einem Freezers-Block im deutschen Nationalteam.

Abendblatt:

Herr Richer, sind Sie ein Magier?

Stéphane Richer:

Nein, wieso? ( lacht)

Weil es Ihnen gelingen muss, in fünf Wochen aus 18 Neuzugängen eine homogene Mannschaft zu formen.

Das ist sicher eine große Herausforderung. Aber es ist im Eishockey leichter, so etwas zu bewältigen als beispielsweise im Fußball. Natürlich müssen wir auch Automatismen einstudieren, aber unser System ist einfach zu erlernen, und in der Vorbereitung werden wir auch teambildende Maßnahmen machen. Da sehe ich kein Problem.

Was reizt Sie an der Aufgabe?

Es gibt kaum einen Klub in der DEL, der über ein derart großes Potenzial verfügt. Die Stadt, die Arena, die Fans. Ich möchte, dass Eishockey in Hamburg wieder Spaß bringt. Außerdem ist es für mich nach der Erfahrung Kassel der nächste Schritt in meiner Trainerlaufbahn. Natürlich habe ich die Geschichte der Freezers verfolgt. Aber wichtig ist, dass ich nach vorne schaue und aus der Vergangenheit lerne.

Sie haben in der Vorbereitung den Zehn-Stunden-Tag eingeführt. Den gab es noch nie in der Freezers-Historie. Haben Sie Beschwerden erhalten?

Bisher nicht. Für uns ist eine gute Vorbereitung wichtig, da wir schnelles, offensives Eishockey spielen wollen. Von nichts kommt nichts. Während der Saison werden wir von unserer Fitness profitieren.

Sie lassen in der Vorbereitung täglich zweimal anderthalb Stunden auf dem Eis trainieren. Zudem bitten Sie zu Krafteinheiten in den Fitnessraum. Sind Sie ein Schleifer?

Ich würde mich nicht als harten Hund beschreiben. Von meinen Spielern erwarte ich, dass sie in jedem Spiel, in jedem Training vollen Einsatz zeigen. Jeder kann Fehler machen, aber ich will eine Mannschaft sehen, die um jeden Zentimeter Eisfläche kämpft.

Sie gelten als großer Motivator. Mitarbeiter der Geschäftsstelle erzählten, dass sie eine Gänsehaut hatten, als Sie ihre Visionen dargelegt haben.

War das so? (lacht) Die heutige Spielergeneration tickt anders als meine. Ich nutze die modernen Medien. Mit Musik, kleinen Filmen kriegt man die Aufmerksamkeit der "Internet-Generation", wie ich sie nenne. Ansonsten setze ich auf kurze, prägnante Ansprachen.

Sie haben bereits die Kabinen umgestalten lassen. In der Trainerkabine hängen beispielsweise ihre Zehn Gebote. Sie fordern unter anderem Aufrichtigkeit, Disziplin und Respekt.

In einer Gruppe gibt es gewisse Regeln. Ich bringe den Spielern Vertrauen und Respekt entgegen, und das Gleiche fordere ich ein. Wir wollen ein echtes Team sein. Der Star soll die Mannschaft sein. Ich behandle jeden Spieler gleich, egal ob er NHL-Profi war oder ein deutscher Nachwuchsspieler ist. Meine Tür ist immer offen. Aber wer mein Vertrauen missbraucht, bekommt ein Problem.

Sie sind der erste Trainer in der Freezers-Historie, der sich seinen eigenen Kader zusammenstellen durfte, ohne dass jemand reinredete. Nach welchen Kriterien haben Sie die Spieler im Sommer ausgesucht?

In erster Linie sollen sie gutes Eishockey spielen können. Für mich ist die menschliche Komponente aber mindestens genauso wichtig. Was bringt mir der tollste Torjäger, wenn er nicht teamfähig ist? Ich möchte klarstellen, dass dies nicht bedeutet, dass ich keine verrückten Spieler und nur angepasste Profis um mich haben will. Im Gegenteil: Ich will positiv verrückte Jungs haben.

Wie finden Sie heraus, ob ein Profi den richtigen Charakter hat, und wie definieren Sie diesen?

Die Eishockeywelt ist klein. Da bleibt wenig verborgen. Ich möchte Spieler sehen, die sich der Aufgabe hingeben, Leidenschaft an den Tag legen und keine "Null-Bock-Einstellung" haben. Und zwar jeden Tag, im Training und im Spiel.

Es ist auffällig, dass Sie, anders als Ihre Vorgänger, vermehrt auf junge deutsche Profis setzten.

Das ist der Weg, den wir gehen wollen. Ich möchte, dass die jungen Deutschen bei uns den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung machen. In der Vergangenheit war das leider nicht so. Da haben Talente häufig einen Bogen um Hamburg gemacht haben.

Weil sie wussten, dass in Hamburg eher auf Ausländer gesetzt wurde.

Genau, das ist der Punkt. Ich will, dass Talente wie Thomas Oppenheimer, Jerome Flaake oder Thomas Holzmann Verantwortung übernehmen. Mein Ziel ist es, dass künftig auch solche Spieler die Rollen von Importspielern übernehmen. Wenn ich meine Meetings mit den Führungsspielern habe, will ich auch immer junge Profis dabeihaben, damit sie lernen können, was es bedeutet, als Leader aufzutreten. Es bringt mir einfach riesigen Spaß, mit jungen Leute zu arbeiten, sie zu formen, weiterzuentwickeln. Außerdem ist es für das deutsche Eishockey wichtig, dass die Schlüsselpositionen auch von einheimischen Profis besetzt sind. Davon profitiert die Nationalmannschaft.

Beim Thema Nachwuchsförderung blühen Sie ja richtig auf.

Wissen Sie was? Ich lebe seit 15 Jahren hier und habe sehr vom deutschen Eishockey profitiert. Nun will ich etwas zurückgeben. Bislang haben wir mit Alexander Barta nur einen aktuellen A-Nationalspieler im Kader. Das möchte ich ändern. Die Freezers müssen mehr Spieler in die Nationalmannschaft bekommen.

Und dennoch haben Sie vier Frankokanadier im Team, zudem die Trainer Boris Rousson, Mathieu Gravel und Vincent Riendeau. Man bekommt den Eindruck, dass dies kein Zufall ist, bei Ihrer Herkunft. (Richer kommt aus Québec, die Red. )

Tja, wir Frankos sind halt gute Typen (lacht). Nein, im Ernst. Das ist Zufall. Ich möchte einfach, dass unsere jungen Wilden von erfahrenen Profis geführt werden. Die Mischung muss im Kader stimmen. Nur mit 18-Jährigen gewinnt man nichts. Genauso wenig holt man Titel mit einer Rentner-Truppe. Wir haben bewusst Spieler wie Marc Lamothe oder Patrick Traverse dazugeholt, damit sie Führungsrollen einnehmen. Sie sollen Vorbilder sein.

Sie sprechen hervorragendes Deutsch. Werden Sie es auch von ihren ausländischen Profis einfordern?

Ich kann es jedem nur nahelegen, Deutsch zu lernen. Als ich nach Deutschland kam, habe ich kein Wort verstanden. Wir waren damals nur drei Ausländer im Team. Also musste ich irgendwie die Sprache lernen. Man fühlt sich doch viel wohler, wenn man sich auch im Alltag verständigen kann. Okay, meine Töchter sagen immer, dass ich in TV-Interviews besser Deutsch reden soll (lacht) .

Sie wirken sehr ausgeglichen, obwohl Sie sich als eishockeyverrückt bezeichnen. Wie schaffen Sie den Spagat?

Ich bin ein Workaholic. Abschalten kann ich, wenn überhaupt, zu Hause bei meiner Familie. Obwohl bei mir zu Hause meine Frau Josee und meine Mädels Adreanne (16) und Beatrice (8) die Hosen anhaben. Meine älteste Tochter Gabriella ist 19 und studiert in Heidelberg Kommunikationswissenschaft. Zudem bin ich ein Gourmet. Ich liebe die französische und italienische Küche. Und zu einem guten Wein zum Essen sag ich auch nicht Nein. In Kanada habe ich eine kleine Sammlung mit 60 Flaschen.

Hoffentlich müssen Sie die nicht aus Frust nach der Saison austrinken.

Das glaube ich nicht. Ich kann keine Meisterschaft versprechen. Die Gegner sollen aber endlich wieder denken: Verdammt, wir müssen gegen die Freezers spielen. Das wird hart. Als Spieler war ich 2004 im Halbfinale mit Frankfurt hier in Hamburg. Mann, das war ein packendes Duell mit einer atemberaubenden Stimmung in der damaligen Color-Line-Arena. Das will ich wieder erreichen.