Im Viertelfinale der Handball-WM muss sich die deutsche Mannschaft heute gegen die Gastgeber und die Schiedsrichter durchsetzen. Asienmeister will als drittes nichteuropäisches Team überhaupt in die Medaillenrunde.

Doha. Einst wurden sie als Punktelieferant belächelt, inzwischen sind sie als Favoritenschreck gefürchtet: Katars Handballer haben bei ihrer Heim-Weltmeisterschaft den Sprung zum Top-acht-Team vollzogen. Im Viertelfinale an diesem Mittwoch (16.30 Uhr MEZ/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) gegen die wiedererstarkte deutsche Mannschaft will der Asienmeister als drittes nicht europäisches Team nach Ägypten 2001 und Tunesien 2005 in die Medaillenrunde einer WM einziehen. „Wir werden auch im nächsten Spiel wieder 100 Prozent geben“, sagt Katars Rückraumschütze Zarko Markovic, 28, ein ehemaliger HSV-Profi. Er spielte schon für Montenegro.

Vor zwei Jahren in Spanien stand Platz 20 zu Buche, 2011 in Schweden und 2009 in Kroatien war Katar gar nicht dabei, und als Deutschland 2007 Weltmeister wurde, reichte es nur zum 23. und vorletzten Platz. Angesichts des kometenhaften Aufstiegs reiben sich einige verwundert die Augen und fragen sich: Wie kann das sein?

Das Rezept scheint auf den ersten Blick einfach. In Valero Rivera wurde der spanische Trainer verpflichtet, der 2013 seine Landsleute zum WM-Titel führte. Mit einer offensiven Einbürgerungskampagne wurden zudem geeignete Spieler aus zahlreichen Ländern für die Nationalmannschaft rekrutiert. Nach dem 29:27-Erfolg im Achtelfinale gegen Österreich ätzte die Tageszeitung „Kurier“: „Am Ende tanzten die Gastgeber. Und die Montenegriner. Und die Bosnier. Und die Franzosen. Und die Ägypter. Und die Spanier. Team Katar eben.“ Damit hatte sich die Vorhersage von Spaniens Weltmeister Joan Cañellas nach dem Vorrundenerfolg der Iberer über den Gastgeber erfüllt. „Ich glaube, sie kommen ins Viertelfinale, vielleicht ins Halbfinale“, sagte der Kieler Rückraumspieler, „sie sind eine gute Mannschaft mit sehr guten Spielern, auch wenn nicht alle so bekannt sind.“

Die Nationalmannschaft Katars ist inzwischen eine Weltauswahl. Nur vier gebürtige Kataris stehen im 16er-Kader. Bertrand Roine spielte einst für Frankreich bei der EM, Schlussmann Goran Stojanovic kommt wie Markovic aus Montenegro, sein Torhüterkollege Danijel Saric aus Bosnien, die Wurzeln von Borja Vidal liegen in Spanien, Hassan Mabrouk war Ägypter und Rafael Capote stammt aus Kuba. „Wenn sie das machen können, warum nicht“, sagte Cañellas. Nach den Statuten der Internationalen Handballföderation können Spieler nach drei Jahren ohne Länderspiel den Verband wechseln.

Auch im Umfeld wurde alles für den Aufstieg getan. Rivera brachte nicht nur sein Know-how vom WM-Sieg mit, sondern auch das Funktionsteam. „Er ist einer der besten Trainer der Welt und hat ein tolles Team aufgebaut, taktische Disziplin eingeführt und die individuellen Stärken der Spieler verbessert“, sagte Frankreichs Olympiasieger-Trainer Claude Onesta. Die Mannschaft trainiert bereits seit August zusammen – ein Vorteil, den es für die Turnierfavoriten aus Europa nicht gibt. „Sie haben sich fast acht Monate vorbereiten können“, sagt Cañellas.

Mithilfe der Aspetar-Klinik ist eine erstklassige medizinische Versorgung gewährleistet. Und nicht zuletzt ist das Geld ein nicht zu verachtender Faktor. Wie Goran Stojanovic sind alle Profis mit gut dotierten Verträgen bei einheimischen Clubs ausgestattet. Nach unbestätigten Angaben sollen die WM-Erfolge zudem mit Prämien in sechsstelliger Höhe belohnt werden.

Schon der Viertelfinaleinzug war für Katar ein Überraschungscoup. „Das ist ein riesiges Resultat für den Handball in Katar. Ich bin wirklich stolz darauf. Wir haben Geschichte in Katars Handball geschrieben“, sagt Markovic.

Weil aber der Erfolg im Achtelfinale gegen Österreich auch aufgrund fragwürdiger Schiedsrichterentscheidungen in der Schlussphase zustande kam, spottete Österreichs isländischer Trainer Patrekur Johannesson: „Katar kann Weltmeister werden. Das Turnier läuft gut für sie. Für mich sind sie der Favorit auf den Titel.“ Die Deutschen werden etwas dagegen haben.