Zum ersten Mal steht Katar im Viertelfinale einer WM. Dort trifft das Team auf Deutschland. Doch die bizarren Begleitumstände des „historischen“ Erfolges bei der Handball-WM sorgen für Entrüstung.

Doha. Gekaufte Fans, umstrittene Pfiffe und eine höchst fragwürdige Einbürgerungspraxis: Trotz seines historisch erfolgreichen Abschneidens steht Gastgeber Katar bei seiner Heim-WM im Kreuzfeuer der Kritik. Ausgerechnet vor dem Viertelfinale gegen die deutsche Mannschaft am Mittwoch (16.30 Uhr/Sky) kocht die Debatte um die skurrile „Einkaufspolitik“ der mit zahlreichen internationalen Stars gespickten katarischen Mannschaft hoch. Experten und Spieler fordern eine Änderung des Reglements.

„Wenn man ein A-Länderspiel für eine Nation absolviert hat, sollte man den Verband nicht mehr wechseln dürfen“, sagte der frühere Welthandballer Daniel Stephan dem SID: „Die bestehende Regel muss vom Weltverband geändert werden. Da wäre der Fußball ein gutes Vorbild.“

Die aktuellen Statuten der Internationalen Handballföderation IHF, nach denen jeder Spieler nach drei Jahren ohne Länderspiel den Verband wechseln kann, hält der Europameister von 2004 für „mehr als grenzwertig“. Deswegen hätten die Erfolge der mit zahlreichen internationalen Stars gespickten katarischen Nationalmannschaft einen „faden Beigeschmack“.

Gerade mal vier Spieler im Kader des Asienmeisters sind echte Einheimische, der Rest wurde in den vergangenen Jahren aus Frankreich, den Balkanländern oder Nordafrika zusammengekauft. „Es tut mir im Handballherzen weh, dass so etwas möglich ist“, sagte Schwedens Kapitän Tobias Karlsson im schwedischen Fernsehen.

Spaniens EM-Torschützenkönig Joan Cañellas vom THW Kiel pflichtete ihm bei: „Das Problem ist, dass es keine Regel gibt, die so etwas verbietet.“ Und während sich der Deutsche Handballbund (DHB) vor der brisanten Partie am Mittwoch mit einer öffentlichen Stellungnahme zurückhielt, würde es auch Österreichs langjähriger Bundesliga-Profi Viktor Szilagyi „gut heißen, wenn es dort eine Änderung gäbe. Da könnte der Fußball ein großes Vorbild sein.“

Im Fußball gilt die Regel, dass ein Spieler A-Länderspiele nur für eine Nationalmannschaft absolvieren darf. Sofern er schon in einem Junioren-Länderspiel eingesetzt worden ist, muss er sich laut FIFA-Statuten bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres für ein Land entscheiden.

Geschlagene Österreicher wittern Verschwörung

Der Sieg der Kataris über Österreich hatte für Entrüstung gesorgt - und für die ein oder andere Verschwörungstheorie. „Ich glaube, Katar wird Weltmeister“, sagte Patrekur Johanesson, Teamchef der unterlegenen Österreicher, mit ernstem Gesichtsausdruck und voller Sarkasmus – und brachte die allgemeine Stimmungslage damit auf den Punkt.

Die zusammengekaufte Multi-Kulti-Truppe des Gastgebers hatte beim hart erkämpften 29:27 gegen das ÖHB-Team zwar spielerisch keineswegs überzeugt, doch die bizarren Begleitumstände des geschichtsträchtigen Erfolges sorgten für einen faden Beigeschmack. Die Österreicher witterten eine Verschwörung und übten scharfe Kritik an der Schiedsrichterleistung.

„Ich habe noch nie in meinem Leben eine Halbzeit erlebt, in der es so viele Offensivfouls gegeben hat“, monierte Kapitän Viktor Szilagyi vom Bundesligisten Bergischen HC. Nach der österreichischen Halbzeitführung habe das kroatische Schiedsrichtergespann plötzlich seine Linie geändert. „Vielleicht muss man das erwarten. Ich kann das schwer akzeptieren“, sagte Szilagyi und nährte damit den Verdacht, das katarische Team werde bei der WM im eigenen Land bevorteilt. Das Viertelfinale der Gastgeber am Mittwoch gegen Deutschland dürfte damit unter strengster Beobachtung stehen.

Die Hausherren feierten unterdessen den größten Erfolg in der Geschichte des katarischen Handballs. „Die Menschen hier und die Regierung von Katar haben diesen Sieg verdient“, sagte der spanische Startrainer Valero Rivera dem SID. Es sei ein „Geschenk“, in Katar zu arbeiten. Und Top-Torschütze Zarko Markovic versprach: „Wir können noch mehr.“