Rund drei Wochen nach der verpassten Qualifikation für die Handball-WM 2015 hat die deutsche Mannschaft nun doch noch das Ticket gelöst. Der Weltverband IHF erklärte das DHB-Team zum Nachrücker.

Zagreb//Köln. Was für ein Paukenschlag – oder einfach nur ein Skandal? Die deutschen Handballer fliegen mit einer Wildcard zur Weltmeisterschaft 2015 nach Katar. Dreieinhalb Wochen nach der verpassten Qualifikation entschied der Rat des Weltverbandes IHF am Rande der Juniorinnen-WM in Zagreb (Kroatien), der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) den für Ozeanien reservierten Platz zu geben. „Wir sind sehr glücklich, es über den zweiten Bildungsweg doch noch zur WM geschafft zu haben. Der Dank gilt allen, die dafür gearbeitet haben“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning (Berlin).

Der DHB profitiert davon, dass Ozeanien derzeit keinen von der IHF anerkannten Kontinentalverband hat und das ursprünglich qualifizierte Australien jetzt zu Hause bleiben muss. Das ist die zumindest offizielle Begründung. Den freien Startplatz nimmt die DHB-Auswahl als bestes Team der vergangenen WM 2013 in Spanien ein, das sich nicht regulär für Katar qualifiziert hat. Unter dem bisherigen Bundestrainer Martin Heuberger, 50, war die Mannschaft damals im Viertelfinale am späteren Titelträger Spanien gescheitert und Fünfter geworden.

In den Play-offs für die WM 2015 hatte die DHB-Auswahl am 7. Juni in Danzig 24:25 und eine Woche später in Magdeburg 27:28 gegen Polen verloren und das WM-Turnier sportlich verpasst. Heubergers am 30. Juni auslaufender Vertrag war daraufhin nicht verlängert worden. „Es liegt jetzt an uns zu beweisen, dass wir ein würdiger WM-Teilnehmer sind“, sagte DHB-Präsident Bernhard Bauer. Die Auslosung der Vorrundengruppen findet am 20. Juli in Doha statt.

„Nicht zu glauben. Wir sind dabei. #katar2015 wir kommen. Wir sind wieder wer. Back in Business“, twitterte der ehemalige Nationalspieler Stefan Kretzschmar, 41, der zuletzt als lautstarker Kritiker Heubergers aufgetreten war. Für den gibt es bislang keinen Nachfolger. Die Suche muss jetzt forciert werden. Den angedachten Aufstieg von Junioren-Nationaltrainer Markus Baur, 43, hatten die führenden Bundesligaclubs verhindert. Sie halten den Weltmeister von 2007 noch nicht für erfahren genug. Klar ist aber, dass Baur künftig eine wichtige Rolle im Trainerstab des DHB spielen wird.

Die nachträgliche Zulassung für das Turnier vom 15. Januar bis zum 1. Februar in Katars Hauptstadt Doha war Rechtsaußen Patrick Groetzki nicht ganz geheuer. „Irgendwie ein komisches Gefühl, auf so eine Art und Weise qualifiziert zu sein. Aber auch einfach ne tolle Chance für uns ALLE!!!“, schrieb der Profi der Rhein-Neckar Löwen im Kurznachrichtendienst Twitter. Für den DHB ist die Situation nicht neu. Die Frauenauswahl hatte – ebenfalls gegen Polen – die Qualifikation für die WM 2005 in Russland verpasst. Weil aber Taiwan seine Teilnahme zurückzog, rückte die DHB-Auswahl nach und wurde in St. Petersburg Sechste.

„Wir sind sehr froh und dankbar, dass der Rat eine solche Entscheidung getroffen hat“, sagte Hanning zum neuerlichen Glücksfall und betonte: „Dies ist keine Lex Deutschland, die Qualifikation liegt im Bereich der IHF und folgt allein ihren Regularien.“

Eine Wildcard für eine WM ist allerdings ein Novum in der 76-jährigen Geschichte der Weltmeisterschaften. Traditionsreiche Verbände wie Island oder Ungarn, die wie Deutschland nur knapp in den Play-offs gescheitert waren, dürften sich zu Recht benachteiligt fühlen. Ausschlaggebend waren wahrscheinlich allein wirtschaftliche Gründe. Für die Vermarktung des Weltverbandes spielt Deutschland als größter Handballverband der Welt eine wichtige Rolle, das Handball-Entwicklungsland Australien dagegen keine.

Im Sportarten-Ranking des Internationalen Olympischen Komitees war der Handball nach den Sommerspielen 2012 in London herabgestuft und mit weniger Geld bedacht worden, mutmaßlich weil die deutschen Männer und Frauen das Turnier verpasst hatten. „Der Handball hat enorm darunter gelitten, dass die traditionell starken deutschen TV-Quoten für unsere Einstufung ausgefallen sind“, sagte IHF-Präsident Hassan Moustafa.