In Deutschland ist Badmintonspieler Patrick Kämnitz die Nummer eins. Nach der deutschen Meisterschaft strebt er größere Erfolge an.

Hamburg. An der Pinnwand haften lauter eng bedruckte Blätter. Kaum einer, der die Badmintonhalle des Olympiastützpunkts im Hamburger Stadtteil Dulsberg betritt, nimmt sie wahr. Patrick Kämnitz schon. Das Papier motiviert ihn, erinnert ihn daran, was er bislang erreicht hat. Er greift nach einem Blatt in der Mitte der Pinnwand und deutet auf seinen Namen.

Und siehe da: Kämnitz steht auf Platz eins der deutschen Badminton-Rangliste im Herren-Einzel. Der 22-jährige Wahlhamburger führt sie zum ersten Mal an. Auf den vier Wertungsturnieren im vergangenen Jahr hat er ordentlich Punkte gesammelt. „2013 ist mein erfolgreichstes Jahr. Ich denke, dass ich auf dem richtigen Weg bin, ein guter Spieler zu werden“, sagt der Mannschaftseuropameister und zweifache norddeutsche Meister.

Sogar der amtierende Europameister Mark Zwiebler steht in der Rangliste unter Kämnitz. Das liegt aber daran, dass der Bonner vor allem auf internationalen Turnieren spielt und deshalb keine Punkte im nationalen Ranking sammelt. Dennoch wertet Kämnitz seinen Spitzenplatz als großen Erfolg. Denn viele Spieler erleben ihre Blütezeit erst gegen Ende ihrer 20er.

Kämnitz – weißes Shirt, rote Hose – läuft, springt und streckt sich. Wenn er den Federball mit dem Schläger trifft, knallt es in der Halle. Bis zu zweimal am Tag steht er auf einem Badmintonfeld – und das beinahe die ganze Woche über. Daneben schlägt er für das Regionalligateam des Horner TV auf, trainiert Nachwuchsspieler und studiert Volkswirtschaft an der Universität Hamburg. Ein gewaltiges Pensum. Nicht umsonst bezeichnet ihn Thies Wiediger, einer seiner Trainer am Olympiastützpunkt in Hamburg, als „Arbeitstier“.

Nun blickt Kämnitz auf die deutschen Meisterschaften in Bielefeld (30. Januar bis 2. Februar). Sein Fokus liegt auf dem Einzel, seiner Paradedisziplin. „Badminton ist eine Individualsportart. Es geht um die eigene Leistung und Ranglistenplätze“, sagt der Jungspund, der an diesem Donnerstag im Einzel in Runde zwei gesetzt ist und das Viertelfinale anpeilt. Er träume aber von einem Platz auf dem Treppchen, verrät er. Im vergangenen Jahr schied er in der Runde der letzten acht aus – gegen keinen Geringeren als Zwiebler.

In Bielefeld, so der Plan, soll der Grundstein für ein noch erfolgreicheres Jahr 2014 gelegt werden. Ganz unverblümt sagt Kämnitz: „Ich will zehn Turniere spielen und mehr internationale Erfahrung sammeln, um die Top 100 der Welt zu erreichen.“ Momentan scheint er als 597. des Rankings weit davon entfernt zu sein. Doch große Sprünge sind nicht unmöglich, wie seine Bestleistung als 377. beweist.

Kämnitz’ Worte sind routiniert und selbstbewusst. Wenn er über Erfolg und Misserfolg spricht, seien nicht etwa die Spielweise oder Beinarbeit entscheidend, sondern eher die Psyche. Unkonzentriertheiten dürfe er sich nicht erlauben. Es klingt so, als hätte er sportlich bereits ausgelernt. Dabei sagt er nur, dass er ehrgeiziger und innerlich lockerer geworden sei.

Während seines Intermezzos im Bundeskader am Stützpunkt des Deutschen Badminton-Verbandes in Saarbrücken war es anders. „Jeder Tag war eine Drucksituation. Man musste sich vor den Bundestrainern beweisen“, berichtet Kämnitz, der bisher drei Länderspiele bestritten hat. Nach einem Jahr kehrte er daher zurück nach Hamburg. Dorthin, wo der gebürtige Thüringer bereits vor sieben Jahren an den Nachwuchsstützpunkt gewechselt war.

Inzwischen könnte er sich vorstellen, dauerhaft in der Hansestadt zu bleiben. Das Einzige, was ihm fehlt, ist seine Familie in Jena. Sie war es, die für seine ersten Gehversuche mit Schläger und Federball verantwortlich war.

Zwei Jahrzehnte später spielt ihr Sprössling oben mit.