Rund 200 gewaltbereite Anhänger aus Köln, Dortmund und Schalke hatten sich am Sonnabend inmitten der Kölner City Schlägereien geliefert. Ein Mann wurde lebensgefährlich verletzt.

Köln. Die Massenschlägerei von Köln sorgt für neue Diskussionen über gewaltbereite Fußball-Fans. Nach den Jagdszenen am Sonnabend vor den Augen zahlreicher entsetzter Passanten, bei denen ein Beteiligter lebensgefährlich verletzt wurde, sprachen Experten von einer neuen Stufe der Gewalt. „Wir beobachten, dass das Handeln zunehmend entgrenzter und enthemmter wird“, sagte Sportsoziologe Gunter A. Pilz am Montag. Mit ähnlich deutlichen Worten kommentierte Arnold Plickert, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, das Geschehen: „Es war reines Glück, dass wir nicht den ersten Toten beklagen mussten.“

Entgegen sonstiger Hooligan-Gepflogenheit hatten sich die Anhänger der Clubs aus Köln, Gelsenkirchen und Dortmund nicht in einem abgelegenen Waldstück, sondern inmitten der Kölner Innenstadt am Rudolfplatz zu einer Massenschlägerei verabredet. Den Passanten bot sich ein Bild des Grauens. Die Brutalität der Schläger und das Blut auf dem Asphalt sorgten für Bestürzung.

„Es war wie in einem Kriegsfilm. Viele Passanten waren geschockt, einige haben geweint“, sagte ein Augenzeuge der „Bild“. Ein in aller Eile zum Verhörraum umfunktioniertes Restaurant und Mordermittler im Einsatz rundeten das Bild von einem Ausnahmezustand ab.

Die zunehmende Gewaltbereitschaft hat für Pilz viel mit der „neu zu beobachtenden Vermischung von Alt-Hooligans, Neonazis und kleineren Ultra-Fan-Gruppen“ zu tun. „Da gibt es in letzter Zeit eine gefährliche Entwicklung hin zu einer Symbiose. Diese Gruppen sind von Gewalt fasziniert und kämpfen auch um die Meinungshoheit in den Fan-Kurven.“

Nicht zuletzt aufgrund dieser bedenklichen Entwicklung unterstützt die Polizeigewerkschaft Pläne von NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), mit Hilfe der Vereine, des Verbandes, der Polizei und der Justiz konsequenter gegen den gewaltbereiten Anhang vorzugehen. „Und wir müssen prüfen, ob bei diesen Gruppierungen nicht die Strukturen krimineller Vereinigungen vorliegen“, fügte Plickert an.

Marc Lürbke, sportpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, regte weitere Maßnahmen an. Seiner Meinung nach sollen sich eindeutig ermittelte Gewalttäter zum Zeitpunkt eines Fußballspiels in der Polizeiwache ihrer Heimatstadt melden. „Ohne verstärkten Einsatz von Meldeauflagen reisen Randalierer – wie jetzt in Köln geschehen – dennoch an“, monierte Lürbke. „Es ist unseren Polizeibeamten doch nicht vermittelbar, dass sie Woche um Woche immer wieder denselben Chaoten gegenüberstehen müssen.“

Versuche, bei der Bewältigung des Problems in erster Linie auf Dialog zu setzen, wurden am Sonnabend ad absurdum geführt. Noch während sich rund 700 Teilnehmer aus fast allen Proficlubs auf einem Fan-Kongress in Berlin bemühten, dem Ruf als Krawallmacher entgegenzutreten, sorgten 200 Hooligans in Köln für Randale.

Kongress-Teilnehmer Jakob Falk von „ProFans“ machte aus seinem Frust keinen Hehl: „Es darf nicht passieren, dass jemand lebensgefährlich verletzt wird. Wir müssen sagen, dass wir als Veranstalter, als Fan-Organisationen „ProFans“ und „Unsere Kurve“ in einen Bereich geraten, auf den wir keinen Einfluss haben.“ Allerdings hofft Falk auf eine differenzierte Sicht: „Wir dürfen jetzt nicht Leute für Dinge bestrafen, für die sie gar nichts können. Da sind die Verantwortlichen aufgerufen, besonnen zu reagieren und jetzt nicht eine ganze Szene zu verteufeln.“

Schon in wenigen Wochen droht neuerliches Ungemach. Weil an der von rund 200 Hooligans verursachten Randale auch Dortmunder Fans beteiligt gewesen sein und sich mit dem Kölner gegen den Schalker Anhang verbündet haben sollen, wird das ohnehin brisante Revierderby Ende März zwischen dem BVB und Schalke zu einem Hochsicherheitsspiel. Für Fanforscher Pilz ist ein solcher Zusammenschluss verschiedener Gruppen nicht ungewöhnlich: „Es gab schon immer Fan-Freundschaften und -feindschaften. Die Fans nehmen die Vereinstreue genauso wenig wichtig wie die Fußball-Profis.“