Matthias Rudolph amtiert erst seit Juli 2012 als Präsident der HSV-Handballer. Jetzt ist der Apotheker zurückgetreten – und verstärkt damit die finanziellen Sorgen beim Champions-League-Sieger.

Hamburg. Den 33:32-Sieg der HSV-Handballer am Sonntag bei den Füchsen Berlin verfolgte Matthias Rudolph nur im Liveticker. Die Fernsehbilder von Sport1 waren an der US-amerikanischen Atlantikküste, wo er derzeit Urlaub macht, nicht zu empfangen. Das aber war es nicht, was Rudolph davon abhielt, sich zum Bundesliga-Spitzenspiel einzulassen. Er fühle sich schlicht nicht mehr berufen, für den HSV zu sprechen.

Der Grund ist intern schon seit Längerem bekannt: Rudolph, 55, ist als Präsident des Handball-Sport-Vereins Hamburg, so der offizielle Name, zurückgetreten. Die entsprechende Erklärung liegt der Geschäftsstelle bereits seit Anfang September vor. Rudolph hatte es Geschäftsführer Christoph Wendt überlassen, mit der Nachricht an die Öffentlichkeit zu gehen.

Am Montag nahm es der Apotheker aus Bochum schließlich selbst in die Hand. „Ich liebe den HSV. Aber ich sehe mich nicht mehr in der Lage, mein ganzes Berufs- und Privatleben nach diesem Verein auszurichten“, sagte Rudolph dem Abendblatt. Er habe drei Kinder sowie ein Stiefkind und habe im September eine vierte Apotheke übernommen. Zusammen mit den vielen Verpflichtungen seines Ehrenamts sei „das alles nicht zu schaffen“. Bis auf weiteres werden Vize-Präsident Frank Spillner und Schatzmeister Jens Lingthaler die Aufgaben übernehmen.

Rudolph war erst im Juli 2012 vom HSV-Aufsichtsrat, dem er bis dato angehört hatte, zum Präsidenten bestellt worden. Das Amt hatte er von Martin Schwalb übernommen, der es nach seiner Rückkehr auf den Trainerposten niedergelegt hatte. Das Verhältnis der beiden war seither merklich abgekühlt. Rudolph hatte Schwalb im vergangenen Dezember öffentlich den Rücktritt nahegelegt und ihn als neuen Bundestrainer ins Gespräch gebracht. Schwalb beklagte sich deshalb intern über mangelnde Rückendeckung im Verein. Der Champions-League-Sieg Anfang Juni überdeckte die Risse nur oberflächlich.

Mit der Bundesliga-Auftaktniederlage beim Aufsteiger Bergischer HC am 4. September wurden sie wieder sichtbar. Es ist kaum ein Zufall, dass Rudolphs Rücktrittserklärung genau in jene Zeit fällt, auch wenn er selbst einen Zusammenhang bestreitet: „Diese Entscheidung ist langfristig gereift.“

Dazu beigetragen haben mag das missglückte Experiment mit Frank Rost. Rudolph hatte den früheren Fußballnationaltorwart als Geschäftsführer der Spielbetriebsgesellschaft installiert, um die Geschäftsstelle neu zu ordnen – und wohl auch um in Hamburg ein Gegengewicht zu Schwalb zu schaffen. „Ich hatte mir davon auch eine Entlastung versprochen“, sagte Rudolph, „im Nachhinein war diese Personalentscheidung ein Fehler, dazu stehe ich.“ Rost gab im Kompetenzgerangel mit Rudolph bereits nach wenigen Wochen auf. Sein Ziel, den HSV besser zu vermarkten und so von Mäzenen unabhängig zu machen, bleibt in weiter Ferne.

Vielmehr könnte Rudolphs Rücktritt die wirtschaftliche Lage verschärfen. Er gilt intern als Bindeglied zu seinem Bruder Andreas, der den Verein einst mit Millionenzuwendungen vor dem Ruin rettete und von 2004 bis 2011 als Präsident führte – nach Gutsherrenart bisweilen, immer aber ausgesprochen großzügig. Inzwischen tritt der 58 Jahre alte Medizinunternehmer nur noch als Hauptsponsor in Erscheinung. Aus der Öffentlichkeit hat er sich weitgehend zurückgezogen, Interviewwünsche schlägt er beharrlich aus.

Finanziell aber bleibt der HSV von ihm abhängig, zumal die Einnahmen aus Sponsoring und Ticketverkauf hinter den Erwartungen zurückbleiben. Nach Abendblatt-Informationen konnten die Septembergehälter nur dank einer Abschlagszahlung von Andreas Rudolph gezahlt werden. Schon mehren sich die Sorgen, dass mit dem Rücktritt des Bruders auch die einträglichen Sponsoring-Verträge mit den Rudolph-Firmen (GHD, HAD-Apotheke, Profusio) enden könnten.

Matthias Rudolph bleibt Mehrheitseigner

Emotional scheint sich der frühere Patriarch und Mehrheitseigner kaum noch an den HSV gebunden zu fühlen. Andreas Rudolph liebte es, die Mannschaft mit Luxus zu verwöhnen – die ausschweifenden Partys auf seinem Mallorquiner Anwesen sind legendär. Dafür, so erzählt man sich im Verein, erwarte er ein Minimum an Anerkennung. Matthias Rudolph bestätigt diesen Eindruck, wenn er sagt: „Der Verein existiert nur dank meines Bruders, aber es wird nicht einmal Danke gesagt. Von einer Abschiedsfeier oder Ehrenmitgliedschaft ganz zu schweigen.“

Andreas Rudolphs Unterhaltszahlungen an die Handballer werden auf insgesamt 25 Millionen Euro geschätzt. Auch sein Bruder Matthias hat sich finanziell engagiert, von einem sechsstelligen Betrag ist die Rede. Ein Rückzug der beiden hätte drastische Folgen. Acht Verträge enden mit dieser Saison. Der Abgang von Topstar Domagoj Duvnjak zum THW Kiel steht bereits fest. Mit den anderen sieben über eine Verlängerung zu verhandeln, setzte voraus, dass man wirtschaftlich planen kann – von Neuverpflichtungen gar nicht zu reden. Schon am Wettbieten um den Weltklasselinksaußen Uwe Gensheimer von den Rhein-Neckar Löwen konnte sich der HSV dem Vernehmen nach nicht beteiligen.

Matthias Rudolph zerstreut die Bedenken: „Dass der Verein unserer Familie am Herzen liegt, daran ändert sich nichts. Nur muss ihn jetzt ein anderer nach außen vertreten.“ Gehandelt wird Präsidiumsmitglied Christoph Strenger (East-Hotel). Rudolph bleibt vorerst Mehrheitsgesellschafter der Spielbetriebs-GmbH. Die Anteile von 74,9 Prozent hatte er seinem Bruder abgekauft.