Der Fifa-Chef hatte stets abgelehnt, das Turnier zu verlegen. Eine Reise in den Nahen Osten brachte ihn nun zum Umdenken. Bundesliga müsste Spielplan ändern.

Going. Beim Schwitzen im Nahen Osten kam Wendehals Joseph S. Blatter die Erkenntnis: Nach seinen Hitze-Erfahrungen in Palästina hat der Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa urplötzlich eine Verlegung der höchst umstrittenen WM 2022 in den Winter gefordert. Und der Fifa-Boss machte deutlich, dass er keinerlei Widerspruch dulden wird.

„Die WM in Katar wird im Winter stattfinden“, sagte der 77 Jahre alte Schweizer im Rahmen des „Camp Beckenbauer“ in Going/Österreich. Für seine Rolle rückwärts erntete Blatter, der sich bisher stets gegen Verlegung ausgesprochen hatte, gleichfalls Lob und Kopfschütteln.

Der Fifa-Präsident kündigte an, dass er das Thema im Exekutivkomitee im Oktober zur Sprache bringen werde, „und das Komitee wird mir sicher folgen“. Bei „Sky Sport News HD“ gestand Blatter, der eine Verlegung bisher nie öffentlich erwogen hatte, zudem Fehler bei der Vergabe 2010 ein.

„Es wurde nicht unterschätzt, aber man hat es vielleicht nicht richtig angeschaut“, sagte der Eidgenosse: „Schon damals hat unsere medizinische Abteilung festgestellt, dass man im Juni oder Juli dort nicht spielen kann. Jetzt sind wir drei Jahre später, jetzt wird es Zeit, darüber nachzudenken, was vielleicht nicht so gut gemacht wurde.“ Bei der WM-Vergabe im Dezember 2010 hatte Katar den Zuschlag für die WM-Endrunde allerdings für den Sommer 2022 erhalten. Eine Verlegung in den Winter könnte möglicherweise die gescheiterten Mitbewerber auf den Plan rufen.

Zustimmung erhielt Blatter für seine inhaltlichen Ausführungen, schließlich forderten Spieler und Funktionäre aus aller Welt mit Uefa-Präsident Michel Platini an der Spitze schon seit langem die „Winter-WM“. „In dieser Deutlichkeit habe ich das noch nicht von ihm gehört. Aber ich finde es absolut richtig“, sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach bei „Sky Sport News HD“, verwies aber auch auf die Probleme: „Wir durchbrechen einen über Jahrzehnte bewährten Rhythmus. Der Spielplan muss geändert werden, das ist keine ganz leichte Übung. Das müssen wir gemeinsam anpacken.“

Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff ergänzte: „Es ist besser, im Winter zu spielen, das steht außer Frage. Ich war auch überrascht über die Klarheit dieser Aussage. Jetzt müssen wir sehen, wie die Entscheidung ausfällt.“

Kurios allerdings, dass alle Argumente an Blatter bisher stets abprallten. Erst eine eigene Erfahrung soll ihn jetzt bekehrt haben. „Ich war gerade im Nahen Osten, in Jordanien, Palästina und Israel“, äußerte er: „Ich habe gesehen, welche Hitze in diesen Ländern herrscht, und dort ist es nicht so heiß wie in Katar.“ Und nun ist auch ihm klar, dass man „bei dieser Hitze nicht im Sommer spielen kann. Und wir müssen Rücksicht nehmen auf die Spieler“.

Das habe ihm auch ein erneutes medizinisches Gutachten gezeigt. Eines, das nichts anderes aussagt als das bereits bei der Abstimmung vorliegende. Auch die angedachten Pläne, angesichts von rund 50 Grad Celsius die Stadien runterzukühlen, reichen ihm nun nicht mehr aus. Es sei „zwar möglich, ein Stadion abzukühlen, aber nicht ein ganzes Land“, erläuterte der Fifa-Präsident: „Deshalb müssen wir im Exekutivkomitee Mut haben und ein Bewusstsein bei den Ligen schaffen, dass wir etwas ändern müssen.“

Franz Beckenbauer, an der Vergabe der WM als Exekutivmitglied direkt beteiligt, verwies darauf, dass er die Idee einer Ausrichtung im Winter „schon am Tag nach der Vergabe“ vorgebracht habe. Nun freue er sich über das Umdenken in der Fifa.

Auf eine Entscheidung des katarischen Organisationskomitees wolle er „nicht warten“, sagte Blatter und stellte klar, dass sich die Fifa-Exekutive das Recht vorbehalten habe, „Änderungen im Pflichtenheft“ der WM 2022 vorzunehmen. Die notwendige Anpassung des internationalen Spielkalenders sieht er nicht als Problem. Es sei „ja nur für ein Jahr, danach würde man wieder zum normalen Rhythmus zurückkehren“.

Katar erhielt am 2. Dezember 2010 bei der Abstimmung in Zürich im vierten Wahlgang den Zuschlag. Mit 14:8 Stimmen setzte sich das Emirat am Persischen Golf gegen die USA durch. Für Katar stimmte unter anderem Platini. Australien schied in der ersten Wahlrunde aus, im zweiten Urnengang traf es Japan. Südkorea musste bei der dritten Abstimmung die Segel streichen.