Niederlage nach Punkten für den Sauerland-Boxer gegen Guido Nicolas Pitto. „Ich kann es nicht glauben und bin sehr enttäuscht.“ Sauerland baut weiter auf Culcay und will Rematch so schnell wie möglich.

Hamburg. Es gibt Abende, an denen man die Boxwelt im Allgemeinen und einige Punktrichter im Besonderen nicht mehr verstehen kann. Was den Belgier Philippe Verbeke veranlasste, den Argentinier Guido Nicolas Pitto in der Nacht zum Sonntag in der Sporthalle Hamburg im Kampf gegen Jack Culcay 8:4 Runden im Vorteil zu sehen, war schon fast unmöglich zu begreifen. Aber als Culcays Promoter Kalle Sauerland erzählte, dass Verbeke von den ersten sechs Durchgängen, die Culcay dominiert hatte, vier an den Südamerikaner gegeben hatte, musste man ernsthaft am Geisteszustand des Mannes aus dem Land der 400 Biere bangen. Entsprechende Worte musste er sich noch am Ring von Sauerland anhören.

Geschockt waren Culcay, sein Trainer Fritz Sdunek und sein Manager Moritz Klatten auch noch eineinhalb Stunden nach dem Kampf, als sie das Urteil der drei Punktrichter kommentieren sollten, die Pitto mit 2:1 (116:112, 115:113, 113:115) im Vorteil gesehen hatten. „Ich habe wirklich kein Problem damit zuzugeben, wenn ich verloren habe. Aber diesen Kampf habe ich nicht verloren. Ich kann es nicht glauben und bin sehr enttäuscht“, sagte der 26 Jahre alte Halbmittelgewichtler, der im 15. Profikampf seine erste Niederlage einstecken musste.

Sdunek, der die Betreuung des Amateurweltmeisters von 2009 erst wenige Wochen zuvor übernommen hatte, da Culcays bisheriger Coach Ismael Salas aus Zeitgründen absagen musste, wurde deutlicher. „Ich kann nicht mehr verstehen, wie das Boxen heutzutage bewertet wird. Es zählt nur noch die Aktivität, auch wenn die Hälfte der Schläge in die Luft geht, und nicht mehr die klaren Treffer. Ein Mann wie Graciano Rocchigiani, der aus einer Doppeldeckung heraus agiert hat, könnte heute gar nicht mehr gewinnen. Vielleicht muss ich mich in Zukunft komplett umstellen und meine Boxer anders einstellen“, sagte er. Sdunek ist ein gebranntes Kind, zuletzt verloren auch seine Schützlinge Felix Sturm und Zsolt Erdei Kämpfe, in denen sie die klareren Treffer gesetzt, ihre Gegner jedoch mehr geschlagen hatten.

Kalle Sauerland musste sich auch auf der Pressekonferenz noch bremsen, um nicht ausfallend zu werden. „Ich kann nicht verstehen, warum Jack der Sieg genommen wurde. Für mich ist das alles andere als fair“, zürnte er. In einer Sache musste man dem Juniorchef allerdings widersprechen. Die „Superleistung“, die er gesehen haben wollte, hatte der 27-Jährige nicht gebracht. Culcay zeigte zwar technisch ansprechendes Boxen und war der eindeutig höher veranlagte Mann, versäumte es aber, aus dieser Überlegenheit das nötige Kapital zu schlagen. Er fand gegen den unbequemen Argentinier, der mit seinen langen Armen immer wieder die Distanz aufrechterhielt, nie die Stabilität und die Lücke, einen seiner gefährlichen Körperhaken ins Ziel zu bringen. So konnte sich der 25 Jahre alte Herausforderer, der im 19. Kampf den 18. Sieg schaffte, immer wieder befreien und seinerseits Aktionen starten, die die Punktrichter letztlich überzeugten.

„Meinetwegen könnten wir schon morgen wieder boxen“

„Der Kampf war viel härter, als ich ihn erwartet hatte, nachdem ich Jack auf Videos gesehen hatte“, war Pittos recht selbstbewusste Einschätzung. Dass er an einem Cut an der linken Augenbraue genäht werden musste und noch auf der Pressekonferenz aus der Nase blutete, waren dagegen Zeichen der Überlegenheit seines Gegners. Berater Alessandro Ferrarini gestand ein, „dass das Urteil auch andersherum hätte ausfallen können“. Man sei zu einem Rückkampf bereit, wann immer Sauerland diesen wolle.

Dass er ihn am liebsten sofort will, daran ließ Culcay, dessen Vater wegen eines Termins in seiner Heimat Darmstadt erstmals einen Profikampf seines Sohns verpasste, keinen Zweifel. „Meinetwegen könnten wir schon morgen wieder boxen“, sagte er. Manager Klatten sagte: „Wir wollen das Rematch so schnell wie möglich, um zu beweisen, dass es ein Fehlurteil war.“ Und Kalle Sauerland sagte: „Wir bauen weiter auf Jack, er ist ein ganz wichtiger Teil unserer Zukunftsstrategie, und wir werden ihn auch weiter als Lokalmatador in Hamburg aufbauen.“ Nach der Sommerpause soll das vertraglich vereinbarte Rematch ausgetragen werden.

Ob Sdunek dann noch in Culcays Ecke sitzen wird, bleibt abzuwarten. Die Zusammenarbeit war bislang nur auf einen Kampf ausgelegt, der Weltmeistercoach muss nun sehen, ob er die Zeit hat, Culcay dauerhaft zu trainieren. „Ausschließen werde ich es sicherlich nicht“, sagte er, „aber Wunder kann ich auch nicht vollbringen.“ Dazu braucht es schon Punktrichter wie Philippe Verbeke.