Wie sehr man es genießen kann, ausgebuht zu werden, obwohl man gewonnen und nichts falsch gemacht hat, das blieb Culcays Geheimnis.

Hamburg. Es war sein erstes Heimspiel als Profi des Sauerland-Teams, und deshalb hatte Jack Culcay beschlossen, sich seine Laune nicht verderben zu lassen. „Es war etwas ganz Besonderes für mich, hier in Hamburg zu boxen, deshalb habe ich es sehr genossen“, sagte der 27 Jahre alte Halbmittelgewichtler. Wie sehr man es genießen kann, von 4000 Zuschauern ausgebuht zu werden, obwohl man gewonnen und nichts falsch gemacht hat, das blieb am frühen Sonntagmorgen in der Alsterdorfer Sporthalle Culcays Geheimnis. „Die Zuschauer haben etwas anderes erwartet, und jeder hat seine eigene Ansicht. Ich kann es nicht ändern“, sagte der gebürtige Ecuadorianer, der seinen WBA-Interkontinentaltitel durch Abbruch in Runde fünf gegen den Briten Mark Thompson verteidigt hatte.

Genau dieser Abbruch war es gewesen, der die Zuschauer in Rage versetzt hatte. Nach vier eher ereignisarmen Runden, die Culcay gegen den mit seinen langen Armen schwer zu stellenden Thompson allesamt knapp für sich hatte entscheiden können, war der Amateurweltmeister von 2009 zum Ende der fünften Runde wie eine Furie auf den Engländer eingestürmt. Mit einem Schlaghagel stellte Culcay seinen Rivalen am Ringseil. Zwar trafen von den rund 25 abgefeuerten Schlägen gerade einmal zwei oder drei präzise ins Ziel, doch weil Thompson nicht zurückschlug, brach der polnische Ringrichter Leszek Jankowiak zwölf Sekunden vor Rundenende den Kampf ab.

Regelgerecht war der Abbruch, da Thompson verteidigungsunfähig wirkte, doch vielen Beobachtern kam er dennoch zu früh, da der Brite keinerlei Anzeichen von Schlagwirkung zeigte und völlig klar wirkte. ARD-Experte Henry Maske sprach sogar von einem Fehlurteil. Das wollte Culcays Promoter Kalle Sauerland allerdings keinesfalls so stehen lassen. „Der Ringrichter hat eine ganz andere Position als alle Zuschauer. Nur er kann über die Gesundheit der Boxer richten, und wenn er meint, dass diese gefährdet ist, muss er abbrechen.“

Dass Thompson sich, aufgestachelt durch die in seiner Ecke sitzende Familie, von den wütenden Zuschauern als Sieger feiern ließ und in Gewinnerpose in allen Ringecken auf die Seile stieg, stieß bei Sauerland übel auf. „Ich hatte ihm direkt nach dem Kampf gesagt, dass wir ihn gern wiedersehen würden. Das muss ich mir jetzt genau überlegen. Ich fand es sehr unsportlich, dass er sich feiern ließ, denn er hätte diesen Kampf niemals gewonnen“, sagte er.

Culcays Manager Moritz Klatten war letztlich glücklich darüber, dass sein Schützling den Kampf ohne Probleme überstanden hatte. Dass zwischen dem Duell mit Thompson und dem vorangegangenen Kampf gegen den Franzosen Frederic Serre gerade einmal fünf Wochen gelegen hatten, sei ein großes Risiko gewesen. „Normalerweise bin ich bei Jacks Kämpfen ruhig, aber diesmal war ich total aufgeregt, weil die Vorbereitungszeit doch sehr knapp war“, gab er zu. Die Chance, in seiner Wahlheimat und zudem als erster Hauptkämpfer in der ARD aufzutreten, habe „Golden Jack“ aber unbedingt nutzen wollen.

Frederick Ness glaubt, dass die Pfiffe der Fans schon in zwei Tagen vergessen sein werden. „Ich bin überzeugt davon, dass Hamburg so etwas wie ein Wohnzimmer für Jack werden kann. Wir haben ihn in den vergangenen Wochen medial sehr aufgebaut und wollen auf jeden Fall häufiger in Hamburg veranstalten, auch mit ihm“, sagte der Geschäftsführer des Sauerland-Teams. Nächstes Ziel ist eine Europameisterschaft, die voraussichtlich Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres in Angriff genommen werden soll. Zunächst jedoch wird Culcay für mindestens drei Wochen Urlaub machen. Pfeifen soll dann höchstens der Wind.